Heitz, Markus: Kinder des Judas
Kinder des Judas
von Markus Heitz
Knaur Taschenbuch
erschienen: Herbst 2007 (Deutschland)
702 Seiten, 14.90 €
ISBN 978-3-426-66277-9
Sucht man fiktionale Literatur zu Vampiren, so wird man schnell fündig. Unzählige Autoren zählen die Blutsauger zu ihren bevorzugten Figuren, sie sind fasziniert von den vielen Facetten dieser Wesen und den unterschiedlichen Möglichkeiten für eine Vielzahl unheimlicher, sinnlicher oder brutaler Geschichten, die sich daraus ergeben. Seit Bram Stokers Dracula hat sich in Sachen Vampirliteratur einiges getan, und jeder neue Schriftsteller hat diesen Bereich des Fantastischen durch neue, faszinierende Vorstellungen erweitert.
Natürlich bleibt es bei den Massen an Film- und Romanmaterial nicht aus, dass es immer wieder Werke gibt, die einem in besonderem Maße zusagen, während andere Ansichten einfach nur auf Ablehnung stoßen. Jeder hat nun mal seine eigenen Vorstellungen, was die Kreaturen der Nacht angeht, und und es obliegt den Autoren und Regisseuren, ihre Ansichten dem Publikum glaubhaft und überzeugend darzubieten.
Jetzt hat sich der deutsche Bestsellerautor Markus Heitz der Aufgabe gestellt, seine Version des Vampirmythos zu erzählen. Mit Kinder des Judas legt er seine ganz eigene Sicht der Dinge vor.
Wie schon der Werwolf-Zweiteiler Ritus und Sanctum ist Kinder des Judas in zwei Zeitebenen unterteilt, wodurch der Leser immer wieder zwei eng miteinander verwobene Handlungsstränge gezeigt bekommt. Neben genauen Zeit- und Ortsangaben vor jedem Kapitel macht auch die Wahl des Tempus deutlich, auf welcher Ebene man sich gerade befindet; während der im Jahr 1670 beginnende Handlungsstrang in der Vergangenheitsform erzählt wird, verwendet Heitz für die 2007 spielende Handlung das Präsens.
Doch erst mal kurz und knapp zum Inhalt:
2007. Sia, eine scheinbar junge, gut aussehende Frau, führt ein geheimnisvolles und merkwürdiges Leben. Auf der einen Seite begleitet sie todkranke Menschen auf ihrer letzten Reise, auf der anderen Seite kämpft sie in illegalen, bestialischen Kämpfen, die vor Millionen von Zuschauern live im Internet übertragen werden, Woche für Woche gegen brutale Gegner. Der Krebstod der kleinen Thea lässt Sia innehalten. Sie reflektiert die Geschichte der jungen Scylla, die sie dem Mädchen immer wieder erzählt hat, und beschließt, sie aufzuschreiben.
1670. Nachdem die türkischen Besatzer ihr ihre Mutter geraubt haben, wird die achtjährige Jitka von ihrem lange als verschollen geltenden Vater zu sich geholt. In einer alten Mühle voller Geheimnisse lehrt er sie in den unterschiedlichsten Dingen, unter anderem der Kampfkunst und der Wissenschaft. Getrieben vom Durst nach Rache nimmt Jitka alles begierig in sich auf. Schon bald erfährt sie von einem Bündnis, das sich die Kinder der Judas nennt, einem Bund, der angeblich zum Wohle der Menschheit handelt, doch der in Wahrheit ganz eigene Ziele verfolgt und dessen Mitglieder ein furchtbares Geheimnis verbergen.
Zunächst mal eines vorneweg: Meiner Meinung nach ist Markus Heitz einer der besten Schriftsteller, die es auf der Welt gibt. Kaum ein anderer Autor fasziniert mich immer wieder aufs Neue so sehr wie Heitz.. Und damit nun keiner sagen kann, ich würde deshalb nur Positives über ihn und seine Werke sagen, hier das ganz große Manko des Romans:
Die beschriebene Geschichte und besonders die Darstellung der Vampire trifft meinen Geschmack überhaupt nicht. Zu null Prozent. Absolut ganz und gar nicht. Mag sein, dass sich der Roman, wie im Nachwort angedeutet wird, recht nah an den verschiedenen existierenden Vorstellungen von Vampiren orientiert, doch für mich haben die Darstellungen der Blutsauger nichts mit dem gemein, was ich normalerweise mit Vampiren verbinde. Das hat zur Folge, dass verschiedenen Elemente der Handlung gar nicht so leicht zu akzeptieren sind, weil sie einfach nicht in mein Weltbild hineinpassen.
Und damit kommen wir schon zum großen Aber.
ABER: Das ist absolut egal. Es tut der Faszination des Romans keinen Abbruch, dass das Beschriebene nicht mit meinen Ansichten übereinstimmt. Um es ganz kurz zu machen: Auch Heitz neustes Werk ist einfach nur genial. Selten habe ich ein Buch in so kurzer Zeit verschlungen wie dieses. Großes Lob und Standing Ovations: Wirklich toll gemacht.
Warum? Dafür gibt es viele Gründe. Hier mal einige davon:
die Atmosphäre: Mühelos gelingt es Heitz, Spannung aufzubauen. Besonders die Kampfszenen im Jahr 2007 und die Beschreibung der Ereignisse, die 1670 ihren Anfang nehmen, reißen mit. Man meint, das hier Geschilderte intensiv, live und in Farbe vor seinem Auge ablaufen zu sehen.
die Brutalität: Selten habe ich einen Roman gelesen, in dem Brutalität so urplötzlich und ohne jede Vorwarnung auftaucht, dabei jedoch fast schon beiläufig, aber mit einer Intensität geschildert wird, dass auch einem Leser, der öfters Horrorgeschichten konsumiert, der eine oder andere Schauer über den Rücken läuft. Auf seiner Homepage hat Heitz eine Leseprobe zum Buch mit einer FSK 16-Warnung gekennzeichnet. Dem kann ich mich nur anschließen, auch zwei Jahre mehr wären nicht verkehrt.
die Verflechtung: Beide Handlungsstränge sind perfekt miteinander verflochten; sie ergänzen sich wunderbar und fügen sich ideal zu einem Ganzen zusammen.
die Personen: Alle Protagonisten sind glaubhaft und lebendig dargestellt. Besonders die Vielschichtigkeit der Personen beeindruckt; niemand ist einfach nur so, wie man ihn auf den ersten Blick vermutet.
...
Ich könnte diese Aufzählung noch ewig und drei Tage fortsetzen, doch ich mache es kurz: Kinder des Judas ist ein Roman, von dem sich alle mit schwachen Nerven und einem schwachen Magen fernhalten sollten. Allen anderen sei das Buch stark empfohlen. Viel zu selten darf man sich ein Werk zu Gemüte führen, das derart beeindruckt und fesselt.
Bleibt nur zu hoffen, dass Markus Heitz bald wieder einen Ausflug in den Bereich Dunkle Spannung unternimmt. Mal sehen, welche Kreaturen er nach Werwölfen und Vampiren zum Leben erweckt...