Michael Marcus Thurner - Plasmawelt
Plasmawelt
Mit Plasmawelt kehrt Thurner, wie in Interviews schon mal versprochen, in das Universum des Kahlsacks zurück, auch wenn dieser Sternensektor dieses Mal eher in den Hintergrund rückt und auch die fremdartigen Aliens nur Raum für kurze Zwischenkapitel bieten. Nahe einem Schwarze Loch zieht der Planet Marek seine Bahn, und auf Marek beherrscht in der wandernden Stadt Kamandar mit Hilfe einer Schar hoch spezialisierter Roboter ein grausamer Diktator über eine Sklavengesellschaft, die sich aus Menschen und Abkömmlingen zahlreicher Alien-Rassen zusammensetzt, deren Vorfahren vor Jahrhunderten wegen der durch das Schwarze Loch hervorgerufenen gefährlichen Weltraumverhältnisse auf Marek gestrandet sind. Kamandar, eine gigantische Pyramide, bewegt sich dabei auf Ketten und Rädern in bester metallischer Steam Punk-Manier scheinbar ziellos über die Oberfläche Mareks und walzt dabei rücksichtslos alle Siedlungen der Planetenbewohner nieder.
Jede Sklavengesellschaft trägt aber den Keim der Rebellion in sich. So auch Kamandar: In der hierarchisch ausgefeilten Gesellschaft der wandernden Stadt, die sich durch ein perfides System der Wiederbelebung Verstorbener immer wieder zu erneuern vermag, regt sich auf der untersten Ebene zunehmend Widerstand gegen die unerbittlich-unmenschlichen Lebensumstände. Zum Anführer der Revolte wird der Humanes Gramo Darn, in seiner 15. Inkarnation, der sich zunehmend des Wissens und der Erfahrungen seiner Vorgänger bewusst wird und daraus für seinen Aufstand Nutzen ziehen kann.
So weit, so gut: Bis hierhin ist Plasmawelt zunächst nichts weiter als eine hübsche Spartacus-Story in einem exotischen Umfeld. Über die fast zwei Drittel des Romans wirkt die Geschichte wie die ausführliche Ausarbeitung einer Vorlage für ein Schreibseminar zum Thema Schildere ausführlich den Widerstand gegen eine Diktatur in einer möglichst fremdartigen Umgebung. Thurner erledigt diesen Auftrag in gewohnter Detailtreue: Wie in Turils Welt sind seine Roboter denkende Maschinen mit Hang zur Renitenz, lösen seine Aliens beim Leser sowohl Erstaunen als auch mitunter Brechreiz aus, kämpfen seine menschlichen Helden mit an Selbstverleugnung grenzendem Mut gegen alles Unrecht ihrer Welt.
Einer Plasmasäule, die wie eine energetisch aufgeladene Windhose über den Planeten wandert und mit dem nahen Schwarzen Loch verbunden zu sein scheint, dichtet der Auserwählte Gramo Darn eine wachsende Bedeutung für sein Schicksal an. Aber dieser Versuch, dem Geschehen auf dem Planeten einen weiterführenden Sinn zu geben, geht daneben. Viel zu lange hält sich Thurner mit Gramo Darns Bewusstwerdung und Befreiungskampf auf. Als der Held endlich seinem Widersacher gegenüber steht, ist das Buch fast vorbei und für eine zufrieden stellende Auflösung keine Gelegenheit beziehungsweise kein Platz mehr. Kamandar rattert weiter über die Oberfläche, nur an seiner Spitze hat es eine kleine Veränderung gegeben und die Geschichte nimmt ihren Lauf, in dem sie sich scheinbar wiederholt.
Mit Plasmawelt ist Michael Marcus Thurner kein sonderlich überzeugender Folge-Roman zur Kahlsack-Premiere in Turils Reise gelungen. Gleichwohl hat dieses Mini-Universum genügend Potenzial für viele weitere Romane, und Thurner die unbestrittene Fähigkeit, den Kahlsack mit wirklich spannenden Abenteuern zu füllen.
Kommentare
Was man dem Roman vorwerfen kann, ist, dass die vielen kleinen eingestreuten Schilderungen von Nebenhandlungen irgendwie isoliert bleiben und nicht wirklich in die Haupthandlung eingebunden werden. Und auch die Plasmasäule und ihre Funktion bleiben ein Rätsel, obwohl sie breiten Raum innerhalb der Schilderung einnimmt.
Trotzdem ist Plasmawelt für mich ein überzeugender überaus spannender und fesselnder Roman mit interesanten Charakteren und voller innovativer Ideen.