Ein Freund ist gegangen - Zum Tod von Rolf Michael
Ein Freund ist gegangen
Zum Tod von Rolf Michael
Ich lernte Rolf vor fast genau 34 Jahren kennen. Das war am 19. September 1981. Der Anlass war das 3. Marlos-Treffen, das von Uwe Schnabel in der Mainzer Landstraße in Frankfurt ausgerichtet wurde. Wir mochten uns sofort und haben uns lange über seinen Debutroman »Der Krakengötze« unterhalten. Ich erfuhr zunächst einmal, dass Rolf gesagt habe, das könne er auch, als W.K. Giesa ihm seine Zamorras zeigte. Und er konnte. Schon in diesem ersten Gespräch wurde deutlich, dass er viele Ideen hatte. Nicht einmal ein halbes Jahr später vertieften wir unsere Bekanntschaft und wurden zu Freunden. Ich übernachtete bei ihm in Ahnatal, als ich von einem Con in Castrop Rauxel keine Rückfahrgelegenheit hatte. Wir tranken ein paar Meister Pils (aus der Kropf'schen) und sprachen über Gott und die Welt und all seine Ideen. Faszinierende Welten taten sich auf. Am Morgen wurde ich nach durchwachter Nacht auf dem Weg zum Bahnhof noch schnell von Rolf durch den Bergpark geführt.
Von da waren wir das, was man gemeinhin Freunde nennt. Ich verbrachte so manches Wochenende in Ahnatal und erlebte auch das führende Autorenduo Giesa und Michael in Aktion, erlebte, wie die beiden Ideen austauschten. Das war nichts, was ich dann auf Cons oder im Zauberspiegel (dem damals noch gedruckten) zum Besten geben konnte. Hätte ich es getan, wäre es mit der Freundschaft vorbei gewesen. Aber heute - wie Rolf immer sagte - kann man ja drüber reden.
Wenn die beiden zusammenhockten und den Zamorra (oder auch den Magier) planten, gab es keine Protokolle und die Diskussionen flossen auch nicht in lange Papiere und Exposés ein, sondern Ideen wurden diskutiert, besprochen und alles blieb in den Köpfen der beiden Autoren, die diese Absprachen als Basis für ihre Arbeit nahmen. Aus diesem (kreativen) Spannungsfeld dieser beiden Autoren erwuchs zwar nicht der große kommerzielle Erfolg, aber eine kreative Serie, die im Schatten des Sinclair wuchs und gedieh. Eine ähnlich kreative Atmosphäre muss Jahre später zwischen Giesa und Claudia Kern entstanden sein. Giesa lief gerade dann zu Hochform auf. Er und Rolf spornten sich gegenseitig an, denn beide waren höchst unterschiedliche Typen, auch was die Entwicklung der Serie anging. Daraus entstanden Spitzenideen.
Rolf legte auch so manches Kuckucksei in das Giesa-Nest. Der Ju-Ju-Stab, das Gespräch hinter der Flammenwand oder ein nicht mehr perfekt funktionierendes Amulett - etwas, womit man im Zamorra noch lange nach dem Ausscheiden von Rolf gespielt hat.
Ich habe seine Romane geliebt. Deutsche Sagen, Geschichte, Lovecraft, Tolkien und Howard: Vieles baute er in den Kosmos seiner Ideen ein und schuf daraus etwas höchst Eigenes. 1986 war dann erstmal Schluss mit dem Autor Michael. Der Unfall des Pabel-Chefs Müller Reymann löste eine Kettenreaktion aus. Und Rolf zog sich zugunsten Giesas aus dem Zamorra zurück. Eine Geschichte, die ihm später keine Ruhe ließ, weil WK Giesa das offensichtlich nicht so recht zu würdigen wusste. Zu diesem Thema gibt es dann noch zwei letzte Teestunden, die Rolf vor drei Jahren verfasst hat und die ausdrücklich erscheinen sollten, nachdem er unter der Erde ist. Und diesem Wunsch werde ich ihm erfüllen, auch wenn wir dann - im Zweifel - eine bereits mehrfach geführte Diskussion erneut führen werden.
Zahlreiche Ideen scheiterten in den Redaktionsstuben der Verlage. Allerorten hieß es, dass das tolle, ja außergewöhnliche Ideen seien, aber ein Markt existiere dafür nicht. Oft kam dann auch der Nachsatz, ja wenn er denn Amerikaner wäre ... War er aber nicht. Ich denke, er hätte die Szene des historischen Romans und der Fantasy bereichern können. Es gelang ihm aber nicht.
Die Schuld dafür lag aber nicht nur in den Verlagsstuben. Er hatte aufgehört zu lesen, was die Konkurrenz bzw. die Kollegen so machen, und sich isoliert. So fiel es ihm schwer sich zu verkaufen. Zugleich schockierte er immer wieder die Redakteure damit, dass diverse Folgebände in den (gedanklichen) Startlöchern stehen. Er malte dann gern das Bild eines riesigen Kosmos und vor den Augen der Redakteure entstanden gleich ein Dutzend dickleibiger Bücher. Rolf konnte nicht auf den Punkt kommen. Er nannte das "einen Ring schmieden". Dieser Ring war aber eher für ein Riesenfass denn für einen Finger. Damit verbaute er sich selbst oft den Weg. Er erwies sich in dieser Hinsicht als beratungsresistent. Schade drum.
Ein gutes Beispiel war unsere Fahrt nach Bergisch Gladbach zum Lübbe Verlag, als Rolf dort seinen Petronius bei Helmut Pesch angeboten hatte. Ich werde nie vergessen wie Rolfs Kinnlade nach unten klappte, als Helmut das was Nero in Petronius Abschiedsbrief zu lesen bekam aus »Quo Vadis« zitierte. Er sagte:
Im Film hieß es:
But one thing I cannot forgive - the boredom of having to listen to your verses
Dann begann Helmut, den Roman zu skizzieren, den Rolf schreiben sollte. Das klang gut und hätte die Handlung erhalten, aber den Roman zeitgemäßer gemacht. Ich sagte immer gern zu Rolf, dass er in seinen historischen Stoffen immer gern ›dahnisiert‹, sprich ein bisschen altertümlich und zu umständlich formuliert (eben ein bisschen wie Felix Dahn). (Um uns nicht zu misszuverstehen. In der Regel schrieb Rolf mitreißend und nie ohne ein bisschen Humor, aber gerade beim Petronius brach der innere Dahn immer wieder mal durch). Rolf nickte also brav und hörte zu. Dann gingen wir essen und auf der Rückfahrt nach Kassel schaffte es Rolf, dann noch so schreiben zu wollen wie er es vorhatte.
Er wäre auch kein Teamautor geworden, der sich einfügt. Das war nichts für ihn. Er brauchte seine kreativen Freiheiten wie er sie beim Zamorra hatte. So nach Exposé und strikten Vorgaben hätte er als Autor nicht funktioniert.
Nun denn. Nun ist Rolf von uns gegangen. In der nächsten Zeit werde ich neben den beiden Teestunden in »As Time Goes By« noch ein paar nette Erlebnisse aufbereiten ... Wenn ich das jetzt mache, werde ich nicht mehr fertig mit dem Artikel, denn mir geistern tausend Szenen durch den Kopf.
Wenn dieser Artikel online geht, werde ich bei einem Whisky der Zeiten mit Rolf gedenken ... Alles Gute Rolf. Mögen sich gewisse Theorien über das Jenseits als wahr erweisen ... Ich vermisse dich!
Über einiges habe ich ja schon geschrieben...
Kommentare
Ruhe in Frieden Rolf.
Warum es mich heute überhaupt hierher verschlagen hat? Ich habe mich heute gefragt, was eigentlich aus diesem Rolf Michael wurde, dessen "Straße der Götter"-Reihe ich zunächst in der damaligen (leider etwas kurzlebigen) Bastei-Reihe FANTASY so gern mochte, und dessen Story er nach Absetzung der Reihe in den Bastei-Lübbe Bänden "Der Drachenlord", "Der Wunderwald" und "Götterkrieg" zu einem grandiosen Abschluss gebracht hat. Ein Eindruck, der bis heute nachhallt. Wie gern hätte ich heute noch die Hefte in meinem Besitz, die die Vorgeschichten zu dieser Roman-Trilogie beinhalten ...
Rolf gehört zu jenen Kollegen der schreibenden Zunft, die ich leider nie kennenlernen durfte, die aber definitiv das ihre dazu beitrugen, mich später selbst zum Schreiben zu bringen. Und dafür schulde ich ihm großen Dank.