Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

... Marc Hamacher über Backnang, den Leseratten Verlag und lustige Fantastik

Marc Hamacher... Marc Hamacher ...
... über Backnang, den Leserattenverlag und lustige Fantastik

Marc Hamacher, der Herausgeber von FUNTASTIK und Yo-Ho Piraten, steht zusammen mit seiner Frau Tanja Kummer für den Leseratten Verlag. Dieser aufstrebende Kleinverlag verfügt über ein ganz besonderes Profil und verfolgt ambitionierte Ziele. Die Anthologien »Funtastik« und  »Yo-Ho Piraten« wurden schon im Zauberspiegel besprochen.

Hier berichtet Marc Hamacher über seine Tätigkeit als Verleger und Herausgeber.

Marc HamacherZauberspiegel: Marc vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, dem Zauberspiegel ein paar Fragen zu beantworten. Vielleicht kannst Du unseren Lesern ein wenig zu Deiner Person erzählen. Wer ist Marc Hamacher und was treibt er so?

Marc Hamacher: Ihr wisst doch: Wenn ich alles erzähle, was ich so mache, dann muss ich euch töten. Aber ein paar Sachen sind nicht geheim… Ich bin Ur-Kölner, aber die Liebe hat mich ins Schwabenland nördlich von Stuttgart verschleppt. Eigentlich hab ich mal ein Diplom in Chemie an der Uni Köln gemacht, bin aber nun schon seit etlichen Jahren selbstständig als Nachhilfelehrer für Mathe/Chemie/Physik unterwegs. Nebenbei führe ich einen kleinen Verlag und noch nebenbeier singe ich ein wenig, manchmal sogar öffentlich.

Zauberspiegel: Seit wann gibt es den Leseratten Verlag und wer steckt dahinter?
Marc Hamacher: Der Verlag hat sich Ende 2013 gegründet und wir sind 2014 dann mit den ersten Büchern auf den Markt gekommen. Hinter dem Verlag stecken eigentlich meine Frau Tanja Kummer und ich. Tanja war vorher mit den ersten beiden Büchern ihrer Tybay-Saga bei einem kleinen Verlag bei Berlin, leider ein DKZ-Verlag, der zu Anfang sehr engagiert war, dann aber stark nachgelassen hat. Man lernt aber auch diesen Fehlern und als dann der dritte Teil der Serie fertig war, da haben wir gedacht: Das können wir selbst alles besser, fairer, ehrlicher.

Zauberspiegel: Eines der Verlagsziele ist  die Literatur in der Region zu unterstützen und attraktiver zu gestalten. Daraus sind u. a. die "Backnang Stories", ein Schreibwettbewerb, entstanden. Wie steht es denn um die Literatur in und um Backnang?
Marc Hamacher: Die regionale Schiene hier rund um Backnang liegt uns sehr am Herzen. Es gibt hier beim Straßenfest einen musikalischen Talentwettbewerb, es gibt Theatergruppen, es gibt viele Sachen, aber nur alle 3 Jahre eine Veranstaltung zur Literatur. Als Nachhilfelehrer hab ich aber viel mit jungen Menschen zu tun und weiß, dass nicht alle an der Spielkonsole versacken. Es war die Zeit von den HerrDerRinge Filmen, von Potter, von Twilight. Und einige meiner Schüler haben auch gerne kleine Geschichten geschrieben. Nur wohin damit? Bei einem großen Verlag hat man keine Chance, schon gar nicht mit kurzen Geschichten. Deswegen haben wir mit den „Backnang Stories“ einen Wettbewerb erschaffen, den es jährlich gibt und in dem wir dann nebenbei auch neue Talente suchen. Dank der lokalen Sponsoren können wir sogar Preise für die besten Geschichten vergeben. Die Teilnehmer sind zwischen 11 und 86 Jahre alt. Talente haben wir auch entdeckt. So hat Patricia Rieger ihre erste Geschichte damals in unseren „Backnang Stories 2014“ veröffentlicht. Dadurch angefixt, schreibt sie nun regelmäßig, hat auch in der FUNTASTIK und bei den „Yo-Ho Piraten“ mitgewirkt, und sogar inzwischen bei uns einen eigenen Regionalkrimi veröffentlicht. So mit Vertrag und allem drum und dran.

Zauberspiegel: Ein anderes bemerkenswertes Ziel des Verlages  ist es, Werke von Autoren mit Legasthenie zu fördern. Welche Bezüge habt ihr zu diesem Thema?
Marc Hamacher: Tanja Kummer ist Legasthenikerin. Ihre inhaltlich tollen Fantasyromane dann in eine druckbare Form zu bringen ist viel Arbeit. Aber mir ist es das wert, denn bei einer guten Geschichte kommt es doch auf den Inhalt an und dann erst auf die Form. Leider scheuen sich viele, vor allem große Verlage vor der Arbeit, die in der Korrektur steckt. Und das ist schade. Als Verlag, der das Geschäft ja nebenberuflich macht und nicht davon leben muss, kann man es sich aber leisten, sich in diese Richtung zu engagieren. Lucian Caligo, der letzten Monat einen Kurzroman zu unserer „Jakob Wolff“ Serie veröffentlicht hat, ist auch Legastheniker, aber mit guten Ideen und eigentlich einem faszinierenden Sprachgefühl… gute Bilder im Kopf sind nicht abhängig von korrekter Rechtschreibung. Es gibt ja eh nicht das „perfekte“ Buch. In jedem Buch gibt es Fehler in der Rechtschreibung oder bei der Grammatik. Wir sind alle Menschen. Es darf nur nicht ausarten. Heutzutage kann man sich aber durch entsprechende Software auch helfen. Und wenn das alles nicht funktioniert, weil zum Beispiel die Experten vom Duden selbst nicht sicher sagen, ob da ein Komma hin soll oder nicht, dann muss man sich anders helfen. So haben alle unsere Bücher hinten eine Serviceseite mit vielen Kommata, die sich der geneigte Leser gerne ausschneiden und dann im Text an entsprechender Stellen einkleben kann.

Zauberspiegel: Inhaltlich hat sich der Verlag nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt. Veröffentlicht wird "Krimi, Fantasy, Science Fiction oder sonst eine Schublade". Gibt es nicht doch eine inhaltliche Präferenz bzw. einen inhaltlichen Schwerpunkt?
Marc Hamacher: Inzwischen ja. Durch unsere Anthologien und meinen persönlichen Geschmack hat sich der Verlag inzwischen schon ein wenig in Richtung lustige Fantastik entwickelt. Man muss seine Nische finden und diese mag ich. Das heisst nicht, dass wir einem guten, anderen Skript abgeneigt sind. Wenn es „Klick“ macht bei einem guten Exposé, dann kann es passen. So planen wir für 2019 ein Buch, das mit Sicherheit nicht sehr lustig wird…. Da kommt Großes auf uns zu.

Zauberspiegel: Bei Euch erscheint die Serie Jakob Wolff - Hexenmeister. An welche Lesergruppe richtet sich die Serie, in welchem Format erscheint sie und wer sind die Autoren?
Marc Hamacher: Jakob Wolff ist eine Serie von Novellen, die Tanja entwickelt hat. Derzeit gibt es 5 Teile, aber nach dem Konzept können es über 500 werden. Mit einer Länge von 100 bis 120 Seiten tendiert es eher zu einer Heftchenserie. Derzeit erscheinen die Novellen nur als eBook, aber je nach Erfolg sind Sammelbände in gedruckter Form sicher eine gute Idee. Die Serie richtet sich an Fans von historischer Fantasy. Jakob Wolff ist ein Hexenmeister, der Ende des 15. Jahrhunderts durch einen verunglückten Fluch unsterblich wird. Aber das nur unter der Bedingung, das er jedes Jahr ein Opfer findet, welches für ihn stirbt. Den Anfang der Serie hat Tanja Kummer geschrieben, aber wir suchen und finden immer wieder Gastautoren, die mitmachen wollen. Der Reiz für neue Autoren ist, dass wir es frei lassen, in welchem Jahr und in welcher Umgebung die Geschichte spielt. Dominik Schmeller, sicher bekannt durch seinen Literaturkanal bei Youtube, hat einen Teil ins Jahr 1788 nach Frankreich gelegt. Lucian Caligos Geschichte spielt 1733 in Deutschland. Tanja schreibt an einem Teil, der 1945 spielt und wir haben auch schon ein Expose für einen Western. Jakob kommt also herum.

Zauberspiegel: Der Verlag widmet sich auch der Veröffentlichung von Anthologien. Bisher sind drei Titel erschienen. Als erstes "Tag der toten Katze", herausgeben von Geli Grimm. Ein eher ungewöhnlicher Titel. Gibt es eine Geschichte dazu?
Marc Hamacher: Ich liebe Anthologien. Man kann neue Autoren entdeckten, es besteht kaum das Risiko, dass einem das komplette Buch nicht gefällt, denn alle 20 Seiten hat man einen anderen Schreibstil. Die „Katze“ ist ein tolles Projekt. Ich habe Geli Grimm über Facebook kennengelernt, als sie die Autoren und einen Teil der Geschichten schon zusammen hatte. Sie hatte den Traum, ihre Antho auch gedruckt in den Händen zu halten. Dabei ist die Idee mehr als ungewöhnlich. Anstatt ein Genre vorzugeben, gab es nur eine Vorgabe: Der erste Satz jeder Geschichte sollte immer „Ich hasse es, wenn ein Tag damit beginnt, dass ich eine überfahrene Katze begraben muss.“ sein. Alles andere war egal. Und so bunt ist der Strauß der Geschichten. Wie viele Autoren kennt man, die bei einer tollen Idee dann 4 Stunden vor dem leeren Blatt sitzen und über den ersten Satz grübeln? Das Problem haben wir entsorgt.

Zauberspiegel: Funtastik erschien letztes Jahr und als Herausgeber zeichnest Du selbst. War dies Deine erste Arbeit als Herausgeber?
Marc Hamacher: Das war die erste große Antho als Herausgeber. „Backnang Stories“ gab es regional schon vorher bei uns. Aber der Erfolg, vor allem die Menge an Einsendungen hat gezeigt, dass lustige Fantastik gerne geschrieben wird. Ich selbst war ziemlich überrollt, denn ich hatte als kleiner und vor allem unbekannter Verlag mit weniger Geschichten gerechnet. Ich muss dazu sagen, dass ich aber auch tolle Hilfe von netten Kollegen aus der Branche hatte. Vor allem Torsten Low muss ich hier erwähnen, der immer ein offenes Ohr hat, wenn man Rat sucht. Der ist nicht so bissig, wie er tut (er tötet mich für diese Aussage… Leb wohl, Welt!)

Zauberspiegel: Steht hinter jeder Anthologie ein Autorenwettbewerb? Wer begutachtet die eingesandten Beiträge und entscheidet über die Aufnahme?
Marc Hamacher: Es ist in dem Sinne ein Wettbewerb, als das eine kleine Jury die Geschichten bekommt und wir dann zu dritt entscheiden, was ins Buch kommt. Leider ist neben der Qualität der Geschichten auch die Seitenzahl immer ein Limit. Wenn es nur nach den Geschichten gegangen wäre, dann hätte die FUNTASTIK 800 Seiten oder mehr gehabt. Ich hab da auch lernen müssen, wie weh das tun kann, guten Autoren eine Absage zu schreiben.

Zauberspiegel: Bei Funtastik hat auch eine bekannte Autorin wie Ju Honisch mitgewirkt. Wie kam es dazu?
Marc Hamacher: Hmmm das müsste man Ju fragen. Sie hat einfach von der Ausschreibung gehört und Ju ist ja nun bekannt dafür, dass sie auch einen sehr bösen Humor haben kann. Als Neuling in der Branche bin ich aber sehr stolz, dass sie dabei ist und mir das Vertrauen gegeben hat, uns einfach eine Geschichte zu schreiben. Kurioserweise kannte ich Ju vorher gar nicht. Ihre Geschichte ist ins Buch gekommen, weil sie toll ist und erst dann hab ich mal gegoogelt, wer dass überhaupt ist… fast schon ein wenig peinlich… laughing

Zauberspiegel: Du veröffentlichst Themenanthologien. Die aktuelle Veröffentlichung "Yo-Ho Piraten" handelt wie der Titel sagt von Piraten. Warum hast Du Dich dafür entschieden?
Marc Hamacher: Meine Frau und ich haben nach dem Erfolg der FUNTASIK im Mai 2016 zusammen gesessen und überlegt, was denn ein Nachfolger sein könnte. Irgendwann meinte sie: „Kommt da nicht in einem Jahr der neue Fluch der Karibik in die Kinos?“ Sie hatte dieses Marketingleuchten in den Augen. Wenn alle über Piraten reden, wieso dann nicht auch wir? Und wieso nicht zeigen, dass nicht jeder Pirat ein Depp ist (Aaaaarrrr, ein Wortspiel)? Also haben wir es einfach gemacht.
Marc Hamacher
Zauberspiegel: Die nächste Antho soll um Gevatter Tod gehen. Erzähl mal, was Du Dir darunter vorstellst!
Marc Hamacher: Ich bin ein Fan vom Tod als Figur in der Fantastik. Sicherlich ist das Bild geprägt von Terry Pratchett, aber es gibt auch tolle Ideen von Piers Anthony, Christopher Moore und anderen. Dann gibt es auch die Cartoons von Ruthe und Co. Alles in allem kann man, gerade im lustigen Bereich, viel mit der Figur machen. Deswegen bin ich gespannt. Wichtig ist nur, da muss ich auch immer wieder in Gesprächen drauf hinweisen: Bitte keine Scheibenweltromane schreiben! Sicher kann man auch Ideen umsetzen, ohne dass dem Verlag ein Lizenzanwalt auf der Matte steht. Es gehen jetzt schon immer wieder Einsendungen ein, obwohl die Todeslinie von der „Ausschreibung des Todes“ erst Ende des Jahres ist. Ich seh schon einen Berg Arbeit vor mir… spaßige Arbeit.

Zauberspiegel: Die Kurzgeschichte gilt allgemein als Stiefkind des deutschen Literaturbetriebes. Anthologien verursachen viel Arbeit, bringen wenig Geld. Preise werden im Allgemeinen nur an die Autoren oder für die Bücher verliehen, aber nicht an die Herausgeber. Was treibt Dich dazu an, ausgerechnet hier mitzumachen?
Marc Hamacher: Anthologien erfordern Mut. Man hat oft mit neuen Autoren zu tun und wirtschaftlich gesehen kann ich sogar verstehen, dass große Verlage solche Bücher nicht machen. Der Leseratten Verlag ist aber auch (noch) nur ein Nebenjob. Das Brot kommt durch die Nachhilfe auf den Tisch. Also bleibt das Abenteuer, neue Autoren und Geschichten zu entdecken. Neulinge können sich hervorragend an Kurzgeschichten die Hörner abstoßen und selbst etablierte Autoren, oder Verlegerkollegen wie Erik Schreiber, finden immer wieder Spaß daran, mal auf die Schnelle etwas Kurzes für Zwischendurch zu schreiben. Gerade in der Urlaubszeit, oder für Pendler, sind Kurzgeschichten nett. Man kann eine Story immer komplett lesen. Wer isst denn jeden Tag immer ein 7-Gänge Menu? Der Snack zwischendurch macht doch das Leben auch schöner.

Zauberspiegel: Was dürfen wir in den nächsten Jahren von Marc Hamacher und dem Leseratten Verlag erwarten?
Marc Hamacher: Regional wird es weiter die „Backnang Stories“ geben. 2018 erscheint dann die Anthologie des Todes, aber auch ein skurriler Fantasyroman über eine alternde Rockband, deren Mitglieder aber eigentlich Götter sind, welche alle paar Jahrzehnte die Welt zu retten haben. Die Autorin dieses Romans ist auch aus Backnang und wurde von uns durch die Anthos entdeckt. Bei Jakob Wolff sind ein paar Ideen in der Pipeline. 2019 gibt es dann das noch geheime Projekt. Was sonst noch kommt? Das ist schwer zu sagen. Wir versuchen uns langsam, aber dafür fest zu etablieren. Ich kenne Verlage, die in den ersten drei Jahren 30 Bücher und mehr veröffentlicht haben, um sich damit dann aber auch finanziell zu übernehmen. Ich denke, dass man erst seinen Markt finden muss, seine Nische. Dann das Vertrauen der Autoren, die immer offen und fair behandelt werden sollten. Gibt zu viele Abzocker im Verlagswesen. Wenn dann die Leser noch mitspielen und die Qualität stimmt, dann geht es sicherlich weiter. Spätestens 2020 ist uns dann mindestens  ein DPP sicher. ;)

Uwe Weiher

 

Die Fragen für den Zauberspiegel stellte: Uwe Weiher

 

Kommentare  

#1 Laurin 2017-08-20 14:02
Die Anthologie FUNTASTIK war wirklich recht spaßig und gut geschrieben. "Piraten" ist da vom Thema her nicht so ganz meine Welt (aber bestimmt nicht schlecht), aber die Sache um den "Gevatter Tod" dürfte wieder recht interessant für mich werden. :-)
#2 Toni 2017-08-20 17:19
Klasse Interview und eine sehr sympathische, bodenständige Denke von Marc Hamacher :-)

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.