... Andreas Gruber über entstaubte Geschichten, Ermittler und Wien
... Andreas Gruber ...
... über entstaubte Geschichten, Ermittler und Wien
: Richtig, meine erste Genre-Veröffentlichung war die Science-Fiction-Kurzgeschichte „Implantate“ in dem Fanzine Sternenfeuer Nr. 7 aus dem Jahr 1997.
: Mehr als das. Ich wollte zwar immer hauptberuflich freier Autor werden, was ich seit Oktober 2014 auch bin, aber dass es dann so gut klappt (auf Holz klopfen), hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt.
: Im Gegenteil, es hat mich inspiriert. Ich bin die ersten 17 Jahre meines Lebens in Wien aufgewachsen und lebe seither in einem kleinen Dorf etwa 30 km südlich von Wien. Da ich sowieso oft in Deutschland war und auch auf meinen Lesereisen oft nach Deutschland komme, war es für mich klar, dass ich für meine Romane Locations aus beiden Ländern verwende. Sprich: ich arbeite gern mit zwei Handlungssträngen, die ich verzahne – einer davon spielt meistens in Wien, der andere in Deutschland.
: Ja, es ist tastsächlich so, dass mich die Arbeit an den Romanen so einspannt, dass ich nur etwa eine neue Shortstory pro Jahr schreibe. Meistens für besondere Anthologien, wo mich das Thema fasziniert und wo ich eine – wie ich glaube – gute Idee dazu habe. Allerdings überarbeite ich gelegentlich meine älteren Storys und bringe die dann in Erzähl-Sammelbänden heraus.
: Nein, das ist im Moment nicht geplant. "Der Judas-Schrein" und "Das Eulentor" sind meine einzigen Horror-Romane bisher.
: Nachdem es, wie du richtig sagst, über hundert Horror- und SciFi-Storys von mir in Fanzines, Magazinen und Buchanthologien verstreut gab, von denen mittlerweile fast alle vergriffen sind, wollte ich die Gelegenheit nutzen, sie in einer überarbeiteten Fassung neu und gesammelt herauszugeben. Dass dafür kein großer Publikumsverlag wie Goldmann, Heyne, Bastei oder Knaur in Frage kommt, war mir rasch klar, also habe ich mich auf die Suche nach einem guten Genre-Kleinverlag gemacht. Im Mai 2014 habe ich Steffen Janssen, dem Leiter des Luzifer-Verlags, das Angebot unterbreitet, meine gesammelten Storys in einer 7-bändigen Werkausgabe herauszugeben. Wir haben uns auf einer meiner Lesereisen in Deutschland getroffen, haben Nägel mit Köpfen gemacht, und Steffen hat Michael Schubert, einen genialen Cover-Designer, für diese Reihe vorgeschlagen. Er ist also das Master-Mind hinter dieser optischen Reihe.
: Beides. Erstens stammten die ersten Storys aus den Jahren 1997 bis 1999. Die Ideen waren meines Erachtens zwar gut und originell, aber stilistisch noch nicht so fein, wie ich sie heute schreiben würde. Damals hatte ich erst einen Handvoll Creative Writing Sachbücher gelesen, Workshops bei Klaus N. Frick und Andreas Eschbach besucht und nur die Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit einigen Lektoren wie beispielsweise dem leider verstorbenen Malte S. Sembten. Die Geschichten mussten also stilistisch schlanker, pointierter und anspruchsvoller gemacht werden. Und ich musste sie von Klischees befreien, die mir damals als Schreibanfänger passiert waren.
Und zweitens kamen im Lauf der Jahre einfach noch zusätzliche neue Ideen zu Handlung, Locations, Dialogen, Charakteren und Spannungsmomenten hinzu, die ich unbedingt noch einbauen wollte. Manche Storys wie „Das dreizehnte Stockwerk“, die du vorhin erwähnt hattest, waren in der Originalfassung nur etwa ein Drittel so lang wie heute.
: Richtig, in der Originalausgabe aus dem Jahr 2003 hieß die Sekretärin noch Rita Biedermann und war ein ältere, verstaubte Dame. In der Neufassung aus dem Jahr 2017 im Luzifer-Verlag ist sie eine gepiercte, tätowierte, lesbische und freche junge Assistentin namens Lisa. Das Buch ist insgesamt entstaubt worden, flotter und zügiger, und außerdem dicker, weil ich noch einen zusätzlichen sechsten Kriminalfall neu dazu geschrieben habe. Die Idee dazu hatte ich schon lange, hatte sie damals aber aus Zeit- und Platzmangel nicht umsetzen können.
: Die Situation ist deutlich besser geworden. In Wien gibt es die Regenbogen-Parade und den Live-Ball, und Wien ist in der Zwischenzeit eine aufgeschlossene junge, hippe und multikulturelle Stadt geworden.
: Ja, das ist absolut richtig. Das hat sich so entwickelt. Mein erster Serien-Charakter war Jakob Rubinstein, der im gleichnamigen Buch sechs satirische Kriminalfälle lösen muss – ein humorvoller, übergewichtiger, jüdischer Detektiv.
Dann folgte Peter Hogart in "Die schwarze Dame" und "Die Engelsmühle"; er bekam es zwar bereits mit Serienkillern zu tun, aber es waren doch eher noch Krimis, wenn auch harte.
Walter Pulaski ist ein zynischer Ermittler im Kriminaldauerdienst und ermittelt in der sogenannten „Rache“-Reihe, das sind dann schon harte Thriller.
Und zuletzt ermittelt Maarten S. Sneijder als BKA-Profiler in der „Todes“-Reihe, die vermutlich meine brutalsten Thriller sind.
: Es macht mir einfach Spaß neue Figuren mit neuen Handlungsmöglichkeiten zu erfinden, und mich nicht ständig zu wiederholen. Ich brauche als Schriftsteller die Abwechslung, damit die Kreativität nicht versiegt oder beginnt in eingefahrene Bahnen zu laufen. Allerdings habe ich eine Idee für einen dritten Peter Hogart Roman, die liegt aber noch in der Schublade und wartet auf den richtigen Zeitpunkt und den richtigen Vertrag.
: Nachdem ich bereits drei Storysammlungen und vier Romane veröffentlich hatte, fand ich mit Roman Hocke und der Münchner AVA eine Literaturagentur, die mich auch heute noch vertritt. Damals wollten wir einem großen Publikumsverlag einen Thriller anbieten. Dazu entwickelte ich zehn Exposés mit zehn Leseproben, woraus mein Literaturagent sich für ein Konzept entschied und das auf der Frankfurter Buchmesse den Verlagen angeboten hat. Das war der Thriller „Rachesommer“. Aber niemand wollte das Buch, bloß der Club Bertelsmann, der damals auch Erstveröffentlichungen im Rahmen des Buchclubs herausgab, interessierte sich dafür. Also schrieb ich den Roman zu Ende, wir boten ihm den Club an, der kaufte die Rechte und brachte „Rachesommer“ im Hardcover als Club-Erstveröffentlichung heraus. Das Buch gab es nicht im Buchhandel, nur im Club, und statt geplante 5.000 Exemplare verkaufte es sich über 20.000 Mal. Jahre später kaufte dann der Goldmann-Verlag die Taschenbuch-Rechte. So war das damals.
: Ja, es stimmt schon, Maarten S. Sneijder ist eine meiner Lieblingsfiguren, aber wie ich schon sagte: Ich brauche trotzdem die Abwechslung. Und darum schreibe ich abwechselnd an der „Todes“- und der „Rache“-Reihe. Es tut mir gut, wenn die Figuren zumindest ein Jahr lang Pause machen, damit eine neue Story im Kopf reifen kann. Ich nutze diese Zeit für Ideensammlungen und notiere mir Notizen, die ich dann in ein neues Exposé gieße.
: Im Moment sind die gedruckten Bücher vergriffen und erzielen bei Privatanbietern und Antiquariaten hohe Preise, was ich nicht gut finde. Allerdings gibt es beide Bücher auch als Hörbücher und als E-Book. Ich plane jedoch in den nächsten Jahren eine überarbeitete Neuauflage in Buchform – kann dazu aber noch nichts Konkretes sagen, bloß dass sie wieder erscheinen werden. Da bitte ich um Geduld bei den Lesern.
: Die waren damals sehr wichtig. Allein die Nominierung für diese Preise war schon toll. Erstens taten sie meinem kleine Ego gut, weil ich damals ja noch Vollzeit im Büro arbeitete, in meiner Freizeit schrieb, und mir diese Nominierungen und Preise einen großen Schwung Motivation gaben, mit meiner Arbeit als Schriftsteller weiterzumachen. Und zweitens wurden andere Verlage auf mich aufmerksam und so kamen auch reihenweise Angebote für Kurzgeschichtenbeiträge in Anthologien, die ich nicht ablehnen konnte. Es war extrem mühsam und beschwerlich, sich in der Phantastik-Szene einen Namen zu machen, und so nutzte ich jede Gelegenheit, einen Text von mir zu veröffentlichen. Und Schreiben war ohnehin meine große Leidenschaft.
: Die Neuauflage von „Die letzte Fahrt der Enora Time“ erscheint als Erzählband Nr. 6 noch 2018 im Luzifer-Verlag. Für März 2019 ist „Dinner in the Dark“ als Erzählband Nr. 7 im Luzifer-Verlag geplant. Für Sommer 2019 ist dann noch Sneijder 5 geplant, zu dem es im Moment noch keinen Buchtitel gibt, außer der Tatsache, dass er mit „Todes…“ beginnen wird.
Und danach hoffe ich, dass ich einen weiteren 3 Buch-Vertrag mit dem Goldmann-Verlag aushandeln kann.
: Es gibt hier schon so viele tolle Artikel, dass einem der Überblick wahrlich schwer fällt, aber als großer Trash- und Pulp-Fan würde ich mir weitere Artikel zu folgenden Themen wünschen: G. F. Unger Western, Mister Dynamit, Sandra King, Doc Savage, Hexer Stanley, Larry Brent, Macabros, die Indiana Jones Reihe von Wolfgang Hohlbein, Dr. Morton und Der Lord – und vielleicht wird ja dann endlich das Geheimnis gelüftet, wer die großartigen Dr. Morton Romane geschrieben hat.
Aber auch etwas über die Jugendbuch-Serie Die drei ???, die von deutschen Autoren, u.a. dem großartigen André Marx weitergeschrieben wird.
Als Hörspiel-Fan würde ich mir etwas über die spannende Hörspiel-Serie Mind Napping wünschen, oder über Die schwarze Sonne, Darkside Park, Porterville oder die Krimi-Hörspiel-Klassiker der 60er Jahre, die Pidax neu rausbringt.
Oder über Comics wie Dylan Dog, Torpedo, Modesty Blaise, Rip Kirby, Inspector Canardo.
Oder die alten TV-Serien-Klassiker wie Jason King, Mondbasis Alpha Eins, Time Tunnel, Thriller, Geschichten aus der Gruft.
So, jetzt habe ich genug fantasiert und in meinen Wünschen, Interessen und Vorlieben geschwelgt – danke, dass ich das durfte.
Über Andreas Gruber
Andreas Gruber, geboren 1968 in Wien, studierte an der dortigen Wirtschaftsuniversität und lebt als freier Autor mit seiner Frau und fünf Katzen in Grillenberg in Niederösterreich. Mittlerweile erschienen seine Kurzgeschichten in über hundert Anthologien, liegen als Hörspiel vor oder wurden als Theaterstück adaptiert.
Seine Romane erschienen als Übersetzung in Frankreich, Italien, Brasilien, Türkei, Japan, Korea, Russland und Polen. Nominiert für den Friedrich-Glauser-Krimi-Preis des Syndikats, Preisträger des Skoutz-Awards, des Leo-Perutz-Krimi-Preises der Stadt Wien, der Herzogenrather Handschelle, dreifacher Gewinner des Vincent Preises und dreifacher Gewinner des Deutschen Phantastik Preises.
Gruber ist Erfinder der Rache-Reihe um den kauzigen Ermittler Walter Pulaski und der Todes-Reihe um den niederländischen Profiler Maarten S. Sneijder.
Gruber gibt Schreibworkshops, spielt leidenschaftlich gern Schlagzeug und wartet bis heute auf einen Anruf der Rolling Stones.
„Schriftstellerei bedeutet für mich, dass ich interessante Figuren erfinden darf, ohne in der Psychiatrie zu landen – und Menschen auf originelle Weise ermorden kann, ohne im Gefängnis zu landen. Aber sonst bin ich ein netter Kerl.“ (Andreas Gruber)
Weitere Infos unter:
agruber.com
facebook.com/Gruberthriller
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