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...Mirko Schädel über Kleinverlage, ISBN, Vertrieb und den Buchhandel

Mirko Schädel ...Mirko Schädel ...
... über Kleinverlage, ISBN, Vertrieb und den Buchhandel
 
Mirko Schädel hat sich mit seiner Achilla Presse (mit seinem sehr interessanten Programm) aus dem klassischen Vertrieb via Libri und der ISBN verabschiedet. Das sorgte auf Buchmarkt.de für einiges Aufsehen. Es gab gar eine Gegenrede. Aber das es kleine Verlage im Buchhandel schwer haben, ist ja nicht neu. Zaubermond und andere haben auch ähnliche Konsequenzen gezogen und dabei komplett auf Direktvertrieb umgestellt und sich  damit aus dem Buchhandel verabschiedet.

 Blitz hingegen hat wieder eine ISBN und hat sich auch wieder dem Buchhandel geöffnet (ob da auch Titel des Verlags erworben werden, bedarf einer Nachfrage).
 
Das ist aber nicht der Weg, den Mirko Schädel gehen will. Für ihn gehören Bücher in die Buchhandlung. Warum, weshalb, wieso sagt er in dem Interview mit uns.

Zauberspiegel: Hallo Mirko. Du möchtest zukünftig nicht mehr mit ISBN und über die klassischen Vertriebswege in die Buchhandlungen liefern. Warum? Weshalb? Wieso?
Mirko Schädel: Die Verweigerung der ISBN-Nummer ist meine eigene sture Art damit umzugehen, daß die Nationalbibliothek mir bei einem Buch, das verspätet ausgeliefert wird, ein Normschreiben aus dem PC zuschickte, enthaltend eine Drohung auf Zwangsvollstreckung. Ich lasse mir nicht gern drohen. Wenn keine ISBN-Nummer für einen Titel vergeben wird, dann wird auch niemand von der Existenz informiert. Insofern ist das meine recht unkluge, aber mir gemäße Art damit umzugehen. Ich werde die ISBN sicher bei Gelegenheit wieder nutzen. Die klassischen Vertriebswege sind eine andere Sache, die lohnen sich beim Verkauf kleiner Auflagen nicht.

Zauberspiegel: Hilft denn die moderne Technik nicht dabei Kosten zu senken? Oder wie kalkuliert ein kleiner Verlag?
Mirko Schädel: Ich kalkuliere knallhart nach Zahlen, aber ohne Illusionen und ohne mir etwas schön zu rechnen. Die moderne Technik hilft vielleicht, aber der Buchhandel ist in Struktur und Mechanik darauf ausgerichtet, möglichst hohe Stückzahlen in kleinen Zeiträumen zu vermarkten. Diese Konzeption der Effektivität ist eine logistische Meisterleistung für die Buchindustrie, und diese Infrastruktur kostet natürlich einiges. Die Kosten werden an die Verlage weitergegeben, das Problem ist nur, daß die Kosten bei kleinen Auflagen explodieren. Wenn meine Auslieferung mir 12 % vom Ladenpreis berechnet für diese Dienstleistung, der Grossist mir 50 % abzieht, ich 7 % MwSt. und möglicherweise 8 % Autorenhonorar zahle, dann gehen mal eben rund 75 % irgendwohin, nur nicht zum Verlag. Wenn dann noch die laufenden Kosten, die Druck- und Bindekosten, die ernorm hohen Übersetzungskosten ne Rolle spielen, dann ist das alles ein Witz... Früher hat man mehr Bücher direkt an den Buchhandel geliefert, heute läuft das meisten über den Parasiten Zwischenbuchhandel, das ist auf Dauer einfach nicht leistbar. Ich könnte mich besser auf den Marktplatz stellen und 5 Euro-Scheine an die Bevölkerung verschenken, als Bücher zu machen.

Zauberspiegel: In einer Gegenrede zu Deinem Sonntagsgespräch auf Buchmarkt.de hieß es, dass die ISBN ein einmalig geniales Werkzeug sei, um Bücher weltweit zu listen. Was ist also Deiner Ansicht nach so schlimm an der ISBN? Was ist so perfide am jetzigen System, dass Du es nicht mehr nutzen willst?
Mirko Schädel: Ich entgegne Herrn Tschaepe, daß er sich gern einen Barcode auf die Stirn tätowieren kann und daß ich Fahrten mit ner Kutsche, Fahrten mit der Deutschen Bahn vorziehe. Ich glaube, der Herr Tschaepe hat überhaupt keine Ahnung von kleinen Verlagen. Recht hat er natürlich mit der ISBN, ob diese Erfindung genial ist, wage ich mal zu bezweifeln, jedenfalls nicht genialer als die Erfindung der Klopapierrolle. Im Grunde ist die ISBN natürlich absolut hilfreich und auch notwendig, wenn man Bücher macht. Ich habe nur keine Lust bestimmte Institutionen davon zu informieren, die ich gar nicht informieren möchte. Wie gesagt, ich lasse mir nicht gern drohen und reagiere sehr allergisch darauf.

Zauberspiegel: Zaubermond und andere haben sich komplett auf Direktvertrieb via Internet umgestellt. Was hälst Du davon? Auch ein Weg für Dich?
Mirko Schädel: Nein, nur das Internet reicht mir nicht. Ihr habt es leichter, weil die Interessierten, die Fans und Liebhaber sehr schnell sind und sich selbst mit Informationen versorgen. Ich habe ein größeres Vermittlungsproblem. Ich muß die Leute informieren, was für Bücher ich mache, warum, was drin steht, was für ein Autor das ist usw. Viele meiner Leser informieren sich aus der Zeitung, benutzen das Internet kaum usw. Die wenigen, die sich für diese randständige Literatur interessieren muß ich erreichen und informieren, das geht nicht allein durchs Internet. Ich brauche einen Endkundenverteiler, regelmäßige Beschickung mit Programmen, ich liefere auch weiterhin an gute, kleine Buchhändler, aber eben im Direktvertrieb und ohne Zwischenbuchhandel. Ich müßte sieben Bücher im Handel verkaufen, um auf den Gewinn zu kommen, wenn ich eines direkt verkaufe. Aber dadurch, daß ich mich den Gepflogenheiten des Handels entziehe, verliere ich auch auf breiter Basis viele Käufer. Wenn die Bücher nicht mehr gelistet sind in den Katalogen der Grossisten, existieren sie faktisch nicht mehr. Ein großes Problem...

Zauberspiegel: Wie können Kleinverlage Buchhandlungen erreichen? Ist es überhaupt sinnvoll in Buchhandlungen zu kommen und der Direktvertrieb nicht ein viel besserer Weg?
Mirko Schädel: Natürlich, wenn man so spezialisiert ist und ein internetfähiges Publikum, das jung und mit Elan sich die nötigen Infos beschafft, dann kann man wunderbar im Direktvertrieb Bücher verkaufen. Man erreicht damit aber nur die Leute, die eh daran interessiert sind... Aber insgesamt sehe ich auch, daß die Kleinverlage sich mehr auf den Direktkundenvertrieb konzentrieren sollten. Es wachsen ja Generationen heran, die mit dem Internet aufwachsen, die werden dann bei sorgfältiger Pflege, auch ebenso sorgfältig ihre speziellen Interessen im Internet recherchieren und ausleben.

Zauberspiegel: Die Prozente, die der Großhandel nimmt, reichen bis zu 60 %. Sind diese Kosten im Zeitalter der EDV noch gerechtfertigt? Wie könnte ein alternatives Abrechnungsmodell aussehen, so dass für Dich Libri & Co. wieder innvoll werden?
Mirko Schädel: Libri & Co. würden um jedes Prozent feilschen. Sie geben ja auch einen Teil ihrer Prozente an den Buchhandel weiter. Das ist eben die Crux, ich glaube, daß der Zwischenbuchhandel zwar die Effektivität und vor allem Schnelligkeit in der Belieferung fördert, aber diese Kosten lohnen sich eben nur bei entsprechend hohen Verkaufszahlen. Kleine Verlage mit kleinen Auflagen sehen dabei alt aus. Ich sehe überhaupt keine Chance mit denen weiter zusammen zu arbeiten, es wird sich da auch nicht viel ändern. Ich habe auch nichts davon einen um 2 % besseren Rabatt eingeräumt zu bekommen. Das System ist in sich verkommen und setzt nur einseitig auf Umsatz abzielende Akzente.

Zauberspiegel: Welche Alternativen gibt es Deiner Ansicht nach für Kleinverlage? Eine Vertriebsgenossenschaft? Ein gemeinsamer Online-Katalog auf den Buchhandlungen zugreifen können? Oder schwirren Dir noch Alternativen im Kopf herum?
Mirko Schädel: Das Problem ist, daß Kleinverlage wenig Geld haben, sie haben schon Mühe die Verlagsprogramme zu drucken und die blöde Buchmesse zu besuchen. Insofern steht allen Überlegungen grundsätzlich entgegen: Es darf nix kosten. Außerdem ist die Personaldecke häufig sehr gering. Wenn du alles allein machst, dann will man sich nicht noch mit zweifelhaften Diskussionen beschäftigen. Und 3.: Die Kleinverleger sind in der Regel sehr egozentrische Einzelkämpfer, es ist sehr schwer, die für eine Sache zu gewinnen. Ich habe das eigentlich aufgegeben. Es gibt ja noch so eine elitäre Verbindung namens Kurt-Wolff-Verlage, die sich gegenseitig bauchpinseln. Das ist auf der einen Seite ne Klüngelei und Selbstbeweihräucherung in Verbindung mit einem gewissen Standesdünkel, die versuchen Kleinverlage medientechnisch, preistechnisch und mit Kleinverlagsparties auf Buchmessen nach vorn zu bringen. Das ganze hat für mich nichts mit Büchern zu tun, da stehen die Eitelkeiten der jungen Verleger wohl eher im Vordergrund. Mich langweilt das, deshalb würde ich auch nie auf die Idee kommen mich denen anzubiedern, das hat mehr mit dem Lifestyle am Prenzlauer Berg zu tun, als mit Literaturvermittlung.

Zauberspiegel: Der Buchhandel konzentriert sich immer mehr auf große Ketten. Zugleich finden sich immer weniger Titel. Extrembeispiel eine Hamburger Buchhandlung mit 15 vorrätigen Büchern. Zugleich erscheinen per anno tausende Titel in immer größeren Verlagshäusern (die nur wenigen Konzernen gehören). Geht dieser Trend weiter? Immer weniger Titel in den Buchhandlungen bei immer mehr Büchern auf dem Markt? Welche Signale sendet das? Das Ende der Kleinverlage?
Mirko Schädel: Nein, das Ende der Kleinverlage wird es nicht geben, es gibt immer Verrückte, die ihr wie auch immer entstandenes Vermögen in Verlage stecken und diese gründen. Aber Du hast schon recht, der Buchhandel sortiert sich seit Jahren neu. Wir erleben dort dasselbe, wie die Einführung des Privatfernsehen oder dem Sterben der Programmkinos. Wir leben in einer Mainstream-Gesellschaft, Durchschnittlichkeit und Mittelmaß sind die Tugenden von heute, das spiegelt sich auch im Geschmack des Publikums wieder. Die Menschen sind ängstlich, fühlen sich überfordert, sind von Intellektualität oder schrägen Ideen eher abgeschreckt. Das ist ein Zeichen der Dekadenz. Gefragt sind Bücher, die nicht anecken, Bestseller, die unterhalten, Ratgeber, die Allgemeinplätze verbreiten usw. Wenn Du die Bücher der 60er Jahre mit denen der heutigen Zeit vergleichst, dann stellst Du fest, daß die damals viel mutiger und innovativer, viel ernster mit Literatur umgingen.

Zauberspiegel: Welchen Chancen bietet das eBook?
Mirko Schädel: Keine Ahnung. Ich selbst würde sowas nie ausprobieren, mir reicht es schon im Internet auf den Bildschirm zu starren. Für mich ist das Buch auch ein Objekt, ein haptischer Gegenstand, mehr oder weniger gut gedruckt und aufgemacht. Für mich kommt ein eBook niemals in Frage. Wenn andere Leute sich daran gewöhnen, ist das deren Problem. Ich mache keine eBooks, auch in Zukunft nicht.

Zauberspiegel: Wie sieht der Buchmarkt in zehn Jahren aus?
Mirko Schädel: Die beschriebenen Tendenzen, die Marktkonzentration wird sich fortsetzen. Das heißt, immer weniger Titel im Laden usw., auch immer weniger Ketten. Es wird vermutlich Formen annehmen, daß der Buchhandel irgendwann so aussieht, wie unsere Energieversorgung. Die großen Ketten werden sich den deutschen Markt vermutlich regional aufteilen und weiter wachsen bis in die kleinsten Provinznester. Das wird den Markt weiter konzentrieren und verflachen. Aber das ist ja auch so gewollt. Darüber hinaus wird der Buchhandel vermutlich ähnlich wie Schlecker zu einem Gemischtwarenhandel. Da gibts dann Kaffee und Kuchen, Musikabteilung, Lebensmittel, Weine, Spielwaren... usw. Das ist ja jetzt schon die Tendenz. Das ist meine Vision, wenn alles wirtschaftlich in Europa so einigermaßen im Lot bleibt. Wenn es weitere und ähnliche Krisen geben wird wie zur Zeit, dann gibt es hier ganz andere Probleme, als die des Buchhandels.

Zauberspiegel: Wir bedanken uns für das Interview
Mirko Schädel: Ich danke ebenso!
 
Wer ist Mirko Schädel (in Kurzform)?
Geboren am 20.09.1967 in Friesland. Ausbildung zum Schriftsetzer. Später in Hamburg als Layouter und Graphiker bei verschiedenen Zeitschriftenverlagen tätig. Seit 1990 Verleger.

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