... Heinz J. Galle über seine erste Begegnung mit dem Medium des Heftromans und mehr
In Berlin 1936 geboren, 1944 nach monatenlangen Bombenangriffen, nach Spremberg Niederlausitz verfrachtet worden, 1945 Einmarsch der Russen, wir am anderen Ende der Stadt mit dem Zug entkommen. In Niedersachen gelandet, herrliche Kindheit auf dem Dorfe mit allen Möglichkeiten in Wald und Feld Natur zu erleben. Später nach Leverkusen verschlagen worden, dort bei der Firma Agfa Leiter des Außendienstes. Nach Pensionierung rege Tätigkeit als Missionar in Sachen Popularisierung der Volksliteratur.
1945 in einem Dorf an der Zonengrenze ansässig, zwei Dörfer entfernt, Fußmarsch 6 km, gab es eine Zeitungsbude (Bretterbude im wahrsten Sinne) Sechs Kilometer hin, 50 Pfennige krampfhaft in der Hosentasche festgehalten, ein Heft erstanden, sechs Kilometer zurück.
Am besagten Kiosk hingen mit Wäscheklammern an einer Leine - SUN KOH-der Erbe von Atlantis, FRANK KENNEY - Kriminalabenteuer von heute und morgen, ROBERT PERKINS und seine 1000 Abenteuer, ROLF TORRING`S ABENTEUER. Ich mußte mich entscheiden, entschied mich für SUN KOH.
In dem Dorfe gab es zwischen 1944-1949 wenig Möglichkeit etwas zum Lesen zu bekommen, die bunten Hefte eröffneten uns eine Welt der Phantasie. Unter den Freunden wurde rege getauscht, SUN KOH fand als Aufsatzthema auch den Weg in die Schulwelt, erschreckte den Lehrer mit einem Aufsatz über die Mayas der sich über das komplette Heft ersteckte.
Die ersten Serien wurden teilweise für 30 Pf. vertrieben, aber bald bürgerte sich der Standardpreis von 50 Pf. ein.
Geld war knapp im Hause, ich trug Zeitungen aus, arbeitete auf dem Feld, Kartoffeln hinter der Maschine aufsammeln, Zuckerrüben roden, Kartoffelkäfer sammeln- es gab keine Spritzmittel, jeder Bub bekam ein paar Reihen Kartoffelstauden zugeteilt, man ging die Reihen entlang und sammelte die Raupen und Käfer in einen Beutel.
Aus Geldmangel blieb es bei einer Lieblingsserie - SUN KOH, die Verbindung zu den Mayas führte später zu einem, noch heute anhaltenden Interesse an der Archäologie.
Wie so oft, vergaß man zu Beginn des Arbeitslebens derartige Lektüre. Jahrzehnte später fand ich auf einem Altmaterialstapel einen Stoß SUN KOH. Erstaunlicherweise gefiel mir die erzählerische Struktur den Herrn Müller alias Freder van Holk immer noch, was bei der derartigen Abgleichen nicht immer der Fall ist.
Neue Serien lese ich nicht, höchstens einmal quer um einen Überblick zu haben. Zu den alten Serien die ich heute noch gern lese gehört JOHN KLING, FRANK KENNEY, HARALD HARST u. e. weitere. Viele der alten Serien kann man heute nicht mehr lesen, sie sind einfach überholt.
In Braunschweig gab Herr Ostwald Anfang der achtziger Jahre eine Buchreihe TEXTE ZUR HEFTROMANGESCHICHTE heraus, dort erschienen Würdigungen von Reihen wie JOHN KLING, ROLF TORRING oder TOM SHARK, für dieses Periodikum verfasste ich eine SUN KOH-BIO-BIBLIOGRAPHIE. Dies war der Beginn der intensiven Beschäftigung mit dieser Literaturform.
Da Herr Müller durch seine Sun Koh Serie Bei mir das Interesse an diesem Metier weckte, bot sich ein Dank in dieser Form der Würdigung an.
Bei der Vorarbeit zur Braunschweiger SUN KOH- Arbeit bekam ich Kontakt mit der Witwe des Autors, es ergab sich eine lange Freundschaft, die schließlich dazu führte dass Sie mir die Rechte an den Werken Ihres Mannes übertrug.
Nichts ist leichter als Kritik zu üben, am seichten Vorabendprogramm des Fernsehens, an den Actionfilmen im Kino etc etc. Sich über Heftromane zu echauffieren lohnt sich nicht.
Es ist interessant sich mit dem Genre zu beschäftigen, zu sehen wie die Zeitströmungen sich in den Serien niederschlugen, wie sich der Geschmack veränderte, wie sich die Einstellung der Universitäten gegenüber diesem Phänomen änderte usw.usw.
Die Zeit ist über dieses Thema hinweggegangen, salonfähig oder nicht, es interessiert wohl kaum noch jemand. Meine diesbezügliche Tätigkeit erfüllt mich mit Freude und Genugtuung, sie hat mir viele gleichgesinnte Freunde verschafft. Und natürlich ist auch ein Schuß missionarischer Eifer dabei nicht zu verleugnen.
Neue Möglichkeiten der Zerstreuung, neue Möglichkeiten die die elektronische Welt uns verschafft, läßt die Lektüre generell bei jüngeren Menschen dahinschwinden, die zur Verfügung stehende Zeit wird heute mit anderen Unterhaltungsmedien ausgenutzt. Generell ist Lesen UNCOOL geworden.
Das Kainsmal der Schundliteratur wird diese Heftliteratur nie loswerden, noch heute schreiben Journalisten - der Film hatte Groschenheftniveau. Übrigens wurde schon ab 1914 gegen die Heftserien offiziell zu Felde gezogen.
Erstaunlicherweise sind es inzwischen die Universitäten die das Banner der Groschenhefte hoch halten, die sich mit dem Genre beschäftigen, Publikationen veröffentlichen, Ausstellungen veranstalten etc. Das läßt hoffen.
JERRY COTTON und PERRY RHODAN sind wahre Phänomene, ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, das jemand als 14jähriger angefangen hat JERRY COTTON zu lesen und heute als 50zigjähriger immer noch dem Protagonisten die Treue hält.
BEI PERRY RHODAN kann ich mir nicht vorstellen, das Seiteneinsteiger noch heute anfangen hinein zu lesen, sie kennen ja dann den ganzen Rhodan-Kosmos nicht der im Laufe der vielen Jahre aufgebaut wurde. Ich habe noch die Nummer 1. die ich mir damals gekauft hatte und bin dann nach ca.10-12 Ausgaben ausgestiegen.
Die Gemeinde im Internet hält den Heftroman am Leben, die Kleinverleger mit ihren Produkten unterstützen die Bewegung. Erstaunlicherweise hat auf dem Sektor der sogenannten Frauenromane ein BOOM begonnen. Die großen 5 (Landser,Cotton,Sinclair,Lassiter,Rhodan) werden ihre Lesergemeinde wohl noch etliche Jahre halten. So ganz ist der Groschenroman noch nicht tot.
Herr Paul Alfred Müller beschäftigt mich weiter, werde demnächst ein Buch aus seiner Feder herausgeben (DIE SEIFENBLASEN DES HERN VANDENBERG - Dieter von Reeken Vlg.) Arbeite zur Zeit mit Werner Knüppel und Heiner Jahncke am neuen Romanheft-Preiskatalog.
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