... Thomas R.P. Mielke über mehr als 50 Jahre R.eine P.hantasie
: Nein, überhaupt nicht. Ich habe die mühsam und mit zwei Fingern getippten Seiten in einen Karton gepackt und einen kleinen Tannenzweig draufgelegt, weil zufällig und wieder einmal Weihnachten vor der Tür stand. Das muss irgendjemand im Zimmermann- oder auch Balowa-Verlag im Sauerland so gefallen haben, dass er den Schmonzes nicht nur gelesen, sondern sogar auf richtig dickem holzhaltigen Leihbuch-Papier gedruckt hat. Danach gab es übrigens noch vier SF-angehauchte Spionage-Leihbücher von mir im gleichen Verlag (unter dem Pseudonym Roy Marcus).
: ja, zuvor ein paar Kurzgeschichten und Artikel als Fingerübungen im Fanzine SOL der SFCD-Gruppe Hannover/Bielefeld (Tom Schlück, Winfried Scholz, Wolfgang Thadewald, Guntram Ohnmacht, Ulf Miehe, Horst Evermann und die Pösses).
: Das mit den Pseudonymen war uns allen damals ziemlich egal. Wir wollten schreiben und gedruckt werden. Und eigentlich haben wir uns auch ein wenig geschämt, Schmöker-Autoren zu sein. Natürlich gab es auch Serien- und Verlags-Pseudonyme. Da schrieben dann alle (wie ich auch im Krimi-Bereich) eben als Henry Ghost, Cliff Corner, Bert Floormann, 002 Mike Taylor und sonst was.
: Nein, das war (siehe oben) mehr oder weniger Zufall. Ich erinnere mich aber, dass ich mich sehr geärgert habe, als meine ersten und (wenn ich nicht aufgepasst hatte auch später noch) Zauberkreis-Romane mit zerstückeltem Echtnamen erschienen. Das war mir ausgesprochen peinlich.
: Ja, das stimmt, aber die Entscheidung lag nicht bei mir, sondern bei meinem damaligen Agenten Wolfgang M. Biehler. Wir als Autoren hatten zu tun und zu schreiben, was er sagte, damit wir unseren wöchentlichen Honorar-Scheck am Lieferanteneingang der Deutsch-Südamerikanischen Bank an der Innen-Alster in Hamburg bekamen. Der Mann war sehr mächtig und konnte als Lehrling dort für sich selbst kostenlos mit der ganzen Welt telefonieren (was in der Mitte der 60er Jahre noch ein Geschenk Gottes und die Basis eines lukrativen Geschäftsmodells als Literatur-Agentur war).
Rex Corda:
: Ebenfalls auf dem Umweg über Biehler. Wenn ich mich recht erinnere, hatte Hans G. Franciskowsky mit Biehler eine Konkurrenz-Serie zu Ren Dhark mit dem Arbeitstitel Tonder Part geplant. Was da genau lief, wissen Francis und Rolf W. Liersch sicherlich besser, denn Liersch war damals sogenannter fester Freier als Autor, Übersetzer und Lektor bei Biehler. Irgendwie hat sich Francis dann abgenabelt und nach einem Deal mit dem Chefredakteur Jäkel bei Bastei Liersch und mich gefragt, ob wir mitspielen wollten. Und dann haben wir unter Francis Federführung viele Wochenenden lang in seiner Wohnung oder in meinem Hamburger Garten geplant und ziemlich hart gearbeitet. Übrigens nicht nur an Science fiction, sondern auch an Rahmenhandlung für verschiedene TV-Serien vom Schiffsarzt über die Abenteuer einer Journalistin bis zu drei Damen (Oma, Tochter, Enkelin) in ihrer Kneipe. Derartige Konzepte wurden damals viel besser bezahlt als Heftromane. Das galt übrigens auch für sogenannte Psychotests in Frauenzeitschriften.
: Natürlich. Wie oben bereits erwähnt, sind sämtliche Exposés, Personen und Hintergründe für Rex Corda von Francis, Liersch und mir gemeinsam entwickelt worden. Ich war aufgrund meiner Kenntnisse als militärischer Fluglotse für die Technik, Raumschiffe, Waffen, Laser usw. zuständig, Liersch für Skurriles, Allzumenschliches, Kochkünste usw. und Francis für Schreib-Orga, Endfassungen der Exposés und Kaufmännisches. Wir haben auch gemeinsam ausgeknobelt, wer welchen Roman schreibt. Das galt auch für unsere Gastautoren Wegener und Grasmück. Die sollten auf Wunsch des Verlages einfach wegen ihres bereits guten Namens auch mal was schreiben.
: Besitzt du noch unveröffentlichtes Material von Corda? : Ja zur Zeit ausgeliehen an den Mohlberg-Verlag für Fortsetzungen.
: Das weiß ich heute nicht mehr.
: Über Francis. Und klar waren wir traurig. Aber viel mehr hat mich empört, dass mein letzter Roman mit dem von Grasmück verwurstet worden war.
: Eindeutig am Me-too-Konzept. Als Werbefachmann weiß ich, dass man sich an erfolgreiche Marken anhängen kann, um einen gewissen Marktanteil abzugreifen. Aber das reicht nie, um ebenfalls zu einem Perry Rhodan oder wie Bastei glaubte/hoffte - Jerry Cotton im Weltall zu werden.
: Nein, ich lese weder Rex Corda noch die Terranauten-Romane.
: Würde es dich wieder in den Fingern jucken einen RC Roman zu schreiben oder ist das für dich alles Vergangenheit? : Ich bin 71 Jahre alt und habe dafür keine Zeit mehr.
: Perry Rhodan war da ja schon unsterblich, glaube ich. Deshalb unser Versuch, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Ich fand das damals sehr sympathisch. Motor war auch da Franciskowsky.
: Ein Teil liegt bereits bei Mohlberg. Für mehr müsste ich mal in meinen Keller gehen und im Schreibarchiv nachsehen.
: Es ist wahrscheinlich des Ziel aller Autoren, entweder lebenslang einen festen Verlag zu finden oder bei möglichst vielen Verlagen gelistet zu sein. Ich selbst habe kürzlich mal nachgezählt und bin auf 20 Verlage in Deutschland gekommen, bei denen irgendetwas Belletristisches von mir publiziert worden ist. Der Roman bei Pabel/Moewig war eigentlich nur ein Geschenk von Herrn Bernhard. Er wollte mich damit locken, an einer Konferenz mit Walter Ernsting und Karl Herbert Scheer in München teilzunehmen, bei der es um die neue Serie Atlan unter Wasser ging. Das Treffen war ein Flop, schon weil sich Scheer und Ernsting nachts um drei in der Hotelbar über Grundsatzfragen fast geprügelt hätten. Ich mochte unseren Übervater Clark Darlton, mit dem ich bereits 1957 beim Worldcon in London war. Scheer kannte ich auch von ein paar Cons, aber der war mir zu sehr Landser (was man Perry zumindest in der Anfangszeit auch deutlich anmerkte).
: Ich saß damals als direttore creativo in der Generaldirektion von Ferrero in den grünen Hügeln über Turin und hatte den Kopf (und fast schon täglich auch den Magen) voll mit immer neuen Süßigkeiten. Außerdem fand ich Italien toll. Da blieb kaum Platz für andere Interessen. Aber es stimmt - ich hätte gern Perry Rhodan 2500 geschrieben. Als netten Gag und als Gastautor. Der gute Frick weiß das natürlich auch
Die Terranauten:
: Nachdem Zauberkreis mir gesagt hatte, ich könne dort jederzeit und auch ohne Agenten schreiben, was ich wolle, hatte ich keine Ambitionen mehr auf irgendeine Serie (von dem tollen Spaß als Henry Ghost mit OCCU - lieber Uwe Anton und Prof. Hademar Bankhofer verzeiht mir - mal ganz abgesehen).
: Keine Ahnung. Ich habe nie etwas von Bodo Baumann oder Konrad Schaef gehört. Auch Kurt Brand bin ich leider nie begegnet. Mir ist auch neu, dass ein Perry-Rhodan-Team zu Bastei gewechselt haben soll. Wahr ist aber, dass Liersch mal für Williams gearbeitet hat. Es gab von ihm eine Art Grundsatzüberlegung für eine alternative SF-Serie. Das war aber nur der Anstoß für das, was wir beide in der zweiten Phase auch zusammen mit Michael Görden tage- und nächtelang völlig neu recherchiert und bis in die Einzelheiten aller tragenden Personen entwickelt haben.
: Wie gesagt Me-too funktioniert nicht. Ich habe sehr viel später mehrmals die Aufforderung von Verlagen gehört: Schreiben Sie uns Die Päpstin nur ganz anders. So sind sie eben, die Verlage. Das gilt heute noch im Mainstream und sogar bei Jugendbüchern. Liersch und ich arbeiteten damals in der gleichen Werbeagentur im 16. Stockwerk des Europa-Centers in Berlin mit Blick über die Ruine der Gedächtniskirche und im Abendrot bis zu den Radartürmen der Amis auf dem Teufelsberg. Wir hatten politische Texte für den Senat zu schreiben, Wirtschaftsförderung, dazu Energie- und Kraftwerksthemen. Dazu hatten wir in der Media-Abteilung der Agentur die sogenannte ROMA die Leseranalyse Romanhefte - entdeckt. Da stand ganz genau drin, wer was liest und warum. Wenn dann die Sonne unterging, setzten wir uns nebeneinander mit einer Flasche Wodka Moskowskaja (den wir reichlich hatten, weil wir die Marke auch werblich betreuten) an unsere ersten IBM-Kugelkopfmaschinen, blickten über die abendlich und romantisch aufglühende Stadt und schrieben quasi im Duett die ersten vier Terranauten-Romane. Berlin war ja damals auch eine Art sicheres Raumschiff in einem feindlichen Universum. Es war ein Traum und viel weniger Dystopie als Utopie.
: Nein muss man auch mal sagen können. Wir wollten eine grüne SF-Serie und keinen wie schon oben erwähnt Jerry Cotton im Weltraum. Außerdem war die Grundidee der Serie, dass sie im Zenith der Perry-Explosion anfängt: Die Terranauten, also zurück zur Erde! Görden jedoch konnte bereits als freier Mitarbeiter des Verlages durchsetzen, dass alles auf der Erde anfängt. Damit war die Grundidee tot, und ich habe nur noch lose beratend mitgemacht. Ich sah einfach keine Chance mehr für vernünftige Auflagenzahlen und finanziell interessante Ergebnisse, an denen wir vertraglich ja beteiligt werden sollten.
: Aber ja doch! Das war der Gag, über dem man bei Bastei herzlich geschmunzelt hat: In Band 100 sollte Perry Rhodan in Den Haag vor Gericht gestellt werden. Das hätte zu einer echten Einstweiligen Verfügung und einem gewollten Gerichtsverfahren geführt. So jedenfalls mein Plan. Und in Band 101 sollten dann die Gerichtsprotokolle veröffentlicht werden. Ein Super-Coup für eine Serie! Eine in sich abgeschlossene und durch die Limitierung zunehmend wertvoller werdende Edition (wie in den 30er Jahren Sun Koh mit 150 Bänden, die ich übrigens alle als Reprint besitze und auch gelesen habe).
: Nein, niemals. Für mich waren die Terranauten à la Görden tot. Das konnte zwar interessante Einzelromane und eine hübsche Rahmenhandlung ergeben, aber niemals den kommerziell erforderlichen Erfolg. Dem Vernehmen nach hat Bastei ja mit mehr als Hunderttausend Heften pro Roman angefangen. Das konnte einfach nicht klappen.
: Ja.
: Sorry, kenne ich nicht. Ich selbst habe ebenfalls einige der Terranauten-Grundideen in meinem Heyne-Taschenbuch Der Pflanzen Heiland weitergeführt, das dann mit dem neuen Titel Mingo nochmals bei Bastei Lübbe erschien. Die grünen Gedanken sind noch immer so aktuell, dass ich in diesem Herbst noch Lesungen aus dem Terranauten-Pflanzen-Fundus habe (z.B. am 15. November in der Biosphäre Potsdam).
: Sorry, das alles kenne ich ebenfalls nicht.
: Ich sehe das wie Bronze/Silber/Gold auf dem Publikations-Sieger-Treppchen. Und in der Tat halte ich es für vergnüglich, wenn ein unter Pseudonym in ein paar Tagen geschriebener Heftroman plötzlich als Hardcover mit Schutzumschlag und dann auch noch bei rororo als Taschenbuch erscheint und wenn sich dann erst der Evangelische Bücherdienst auf seriös getrimmt über etwas äußert, was er sonst nicht einmal mit der Kohlenzange angefasst hätte. Das ist mir mehrfach passiert. Und einige meiner Heftromane halte ich immer noch für besser als manche hochgejubelten Romane heute.
: Letzteres nicht, aber ich habe einen zweiten und dritten Vornamen mit diesen Anfangsbuchstaben. Ursprünglich war R.P. eine Art Protest gegen die mir dummerhaft vorkommenden Mittelbuchstaben bei amerikanischen Autoren. Und dann hat sichs als Markenzeichen eben so erhalten (und auch, weil es Hunderte von Thomas Mielke gibt).
Aber selbstverständlich kommt die reine Phantasie auch in meinen historischen Romanen zum Zuge: beim Gilgamesch und bei Inanna kommen (quellengetreu!) Raumschiffe vor, in meiner Romanversion von Ariosts 1505-1533 entstandenen Orlando furioso Der rasende Roland fliegt ein Ritter mit des Raumschiff des Hesekiel zum Mond, es gibt Magier und Feen, unsichtbar machende Ringe, Seelenzustandsspiegel, Krieger aus Büchern strömend, Helden auf Hippogryphen durch die Luft rasend usw.
: Es gibt ein großes Romanprojekt, das früher sicherlich als SF gestempelt worden wäre. Doch mit diesem Label kann man heutzutage keinen Blumentopf gewinnen. Deshalb erscheint es im nächsten Jahr in der Kombi-Schublade spekulativer Polit-Thriller.
Ich war 1957 ziemlich stolz auf meinen selbstgenähten Fancy dress und den selbst gebogenen und verchromten, batteriebeleuchteten "Raumhelm" als "Peace Ambassador of the United Sun Systems". Selbst die BBC war so beeindruckt, dass Sie ein halbstündiges Interview mit mir gemacht hat, das auch gesendet wurde.
So weit ich mich erinnere, waren außer mir (per Anhalter nach London hin und zurück) und Walter Ernsting nur noch Jaqueline Osterrath und zwei weitere Deutsche bei diesem ersten WOLDCON in Europa. Damals - vor über 50 Jahren - habe ich mich auch mit Brian Aldiss angefreundet. Mit dem gleichen Dress (und in der UTOPIA-Verkleidung für fünf Mark die Stunde) bin ich übrigens auch in Unterwössen für die Tageschau rumgelaufen, als sie erstmals über einen SF-Con berichtete.
Für meinen jüngeren Bruder Andreas hat Franz Ettl (VURGUZZ) einen alten Kartoffelsack geopfert und mit Lippenstift von seiner Frau Verwundungen auf seine Arme und Beine gemalt. Er war dann die Alternative zu mir - "nach dem Atomkrieg" (Mein Bruder ist noch heute sauer über diese Diffamierung).
Aber immerhin hat mich darauf hin Wolf Detlef Rohr in Augsburg miterleben lassen, wie er einen SF-Roman diktierte. Das war unheimlich wertvoll für meinen eigenen Einstieg als Schreiberling. Denn danach wusste ich, wie man das macht (samt ein paar kleinen Tricks). Rohr hat mich dann sogar zu seinem Witzredakteur für die SFCD Clubnachrichten befördert. Auch ein Karriereschritt!
- trpm.de (Homepage von Thomas R.P. Mielke)
- Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn: Lexikon der Horrorliteratur; Fantasy Productions
- Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur; Heyne Verlag (Erstauflage in zwei Bänden, Neuausgabe in einem Band)
- Michael Nagula: Perry Rhodan - Die Chronik, Band 1: 1961 - 1974; Hannibal-Verlag
- Autoreninterview
- Georg Joergens: Die Terranauten Spezial (Risszeichnungs-Journal 119); Risszeichner Club Deutschland (RZCD)
- Uwe Schnabel: Die Zauberkreis-SF-Reihe
- Uwe Schnabel: Titellisten: Occu
- Ursprungskonzept und T.R.P.-Mielke-Brief an den Bastei-Verlag: terranauten.de
- Verschiedene Leserseiten der Terranauten-Hefte
- Die Fotos wurden von T.R.P. Mielke zur Verfügung gestellt.
Kommentare
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Alles Gute für euch,
Marcus, sein Sohn.
Mein Mitgefühl der Familie ...