... Christian Kathan über Nemo, Anthologien und Persönliches
: »Vergesst Nemo!« ist die Kurzgeschichte, die ich für die Ausschreibung des Ulrich Burger Verlags (Motto: »Mysteriöses London«) geschrieben habe und die in der entsprechenden Anthologie (»Ley Lines«, ISBN 978-3981284669) im Juni veröffentlicht wurde.
Das Ausrufezeichen im Titel ist natürlich ein Hingucker, es gibt ja nicht allzu viele Storytitel mit Satzzeichen. Ich spiele in dem Storytitel sicherlich auch assoziierend mit einer Variation des Animationsfilms rund um einen Clownfisch. Wer letztlich wissen möchte, in welchem Zusammenhang »Vergesst Nemo!« in der Kurzgeschichte gerufen wird, der sollte sich die Anthologie möglichst schnell besorgen. (grinst breit und geschäftstüchtig)
: In unserer heutigen, von sozialen Netzwerken geprägten, Zeit ist das ja für uns alle gern mal eine Frage: Wer bin ich eigentlich? Als Autor versuche ich auch, Lesern ein wenig Einblick zu geben, wer ich bin.
Dabei bin ich sicherlich noch am Anfang meines Weges: Ich schreibe noch nicht lange unter professioneller Maßgabe und werde einige Zeit Gelegenheit haben, alle möglichen Facetten von mir zu zeigen.
Grundsätzlich, so im täglichen Leben, bin ich 41 Jahre alt und lebe in Berlin mit zwei wunderbaren Katzen zusammen.
: Ich lese sehr langsam, kurioserweise viel langsamer als ich selbst schreibe. Meine Lektürecocktail besteht üblicherweise aus Sachbüchern und Magazinen (zwecks Recherche), den fantastischen Klassikern (Clarke, Asimov, Silverberg und vielen anderen da habe ich immer noch nicht alles gelesen) und allen möglichen anderen, neueren Geschichten. Ich bin ein großer Freund von Kurzgeschichten und literarisch erzählter Handlung. Dabei bewege ich mich meist im Bereich der fantastischen Literatur ohne Fixierung auf SF oder Fantasy. Ab und an genehmige ich mir einen 60er- oder 70er-Jahre-Krimi.
: Wow, vielen Dank für die Blumen. Die Grundidee zum Setting von »Vergesst Nemo!« kam mir, als ich über die Themenvorgabe der Ausschreibung gegrübelt habe. Mir war klar, es würde viel viktorianischer Steampunk eingereicht werden, und ich überlegte, welche Genrevariation ich entwickeln konnte. Schließlich kamen da die »Herren von London« in meinen Sinn, die über ein andersweltliches London herrschen und unter denen sich fiktive, literarische Persönlichkeiten ebenso finden sollten wie historische Charaktere.
: In Sachen Kurzgeschichtensammlungen ticke ich sehr amerikanisch und ich bedauere sehr, dass der deutsche Buchmarkt und Leser Anthologien so wenig Chancen gibt. Während in den USA ein Schriftsteller ganz selbstverständlich ebenso für Anthologien wie in Romanform schreibt, liegen Anthologien in Deutschland wie Blei in den Regalen. Dabei sind Kurzgeschichten so ein wunderbares Medium, um bestimmte Ideen umzusetzen.
Anthologien sind durchaus ein wichtiges Medium für deutsche Autoren, bekannt(er) zu werden, aber der Markt drängt sie häufig schnell dazu, komplett auf Romane umzusteigen. Das ist schade, aktuell aber wohl nicht zu ändern. (seufzt)
Für mich ist die Kurzgeschichte als literarische Erzählform eine wunderschöne Sache und ich werde sicherlich noch viele Kurzgeschichten schreiben, egal wie die Marktbedingungen für Anthologien sind.
: Als ich die Grundidee der »Herren von London« hatte, war mir klar, dass ich dieses Setting innerhalb von acht Normseiten nicht für mich befriedigend mit Leben erfüllen kann. Ich nutzte die Kurzgeschichte, um das Setting für mich anzureißen und nachdem ich die Story eingesandt hatte, erarbeitete ich ein Exposé für einen kompletten Roman. Das Exposé kursiert jetzt bei verschiedenen Verlagen und liegt inzwischen auch bei einer Agentur, eine Leseprobe ist in der Mache. Von »meinem London« werdet ihr also hoffentlich bald noch mehr lesen können.
: Ich bin noch ein ganz »junger Hüpfer« im Froschteich der fantastischen Buchwelt. Klar, dass man da jede Möglichkeit nutzt, um auf sich aufmerksam zu machen. Mein Blog und facebook sind da sicherlich zwei Medien, die ich nutze. Ansonsten gilt für mich aber das, was für jeden Autor wichtig ist: Nur durch gute Leistung, nur durch abgeschlossene Manuskripte kann man nachhaltige Aufmerksamkeit (zum Beispiel von Verlagen, Lektoren oder Agenturen) erregen. Und dafür sitze ich jeden Tag am Computer und tippe Geschichten auf meine Festplatte.
: So richtig große Idole habe ich nicht, diese Art Personenverehrung ist mir schon immer eher fern. Ich schätze Samuel Delaneys Geschichten für ihre Erörterung von Themen, ich mag visionäre Stoffe wie von Clarke oder Asimov sehr, liebe Silverbergs Erzählweise, lese Romane von Manfred Weinland und Dean Koontz sehr gern und fühle mich sehr gesehen, wenn ich eine Story von William Voltz über Einsamkeit lese. Aber wirkliche Vorbilder (überlegt) Och, frag mich das in fünf Jahren vielleicht noch mal. (grinst)
: Vielleicht ist das »Ein Augenblick Unendlichkeit«, die erste Kurzgeschichte, die ich direkt nach einer langjährigen Krisen- und Krankheitszeit geschrieben habe und mit der ich den William-Voltz-Award 2009 gewinnen durfte. Die Story wurde im Magazin SOL (Nr. 58) veröffentlicht. Mein persönlicher Kernsatz darin ist:
Ich wusste, wohin ich unterwegs war, und ich dachte: »Ich war nie allein. Ich bin nicht allein. Und ich werde niemals allein sein.«
Kommentare
Ich staune immer wieder, wie gut viele der Beiträge sind, innovativ, kreativ und mutig geschrieben. Bei Romanen wäre das in der Form oft gar nicht möglich. Das liegt vielleicht auch daran, dass bei Romanen die Vorgaben vom Verlag anders gehändelt werden. Außerdem sind ja die Storys logischerweise viel kürzer und straffer, bleiben geradliniger bei der Sache, schweifen nicht so ab und bieten gar nicht die Möglichkeit, noch auf Biegen und Brechen eine Liebesgeschichte reinzuhauen. Ich habe an guten Anthologien deutlich mehr Lesevergnügen als an Romanen, die nach Schema F daherkommen.
Da kriege ich hoffentlich in Mannheim die Gelegenheit dazu (Weltcon 2011), dem Christian über den Weg zu laufen.
Schade, dass im deutschen Sprachraum so wenig wert auf die Anthologien gelegt wird. Dabei sind die wirklich zumeist sehr gut. Und wie Kerstin erwähnt, auch straffer, als viele Romane, die vor lauter Seitenzahl keine Lust zu lesen machen. Doch so eine Kurzgeschichte kann man sich gut zwischendurch gönnen!