Meyer, Kai: HEX
HEX
von Kai Meyer
Bastei-Luebbe Taschenbuch
erschienen: Sommer 2008 (Original: 1997)
334 Seiten, 7.95
ISBN: 978-3-404-15864-5
Verlagsgruppe Lübbe
Neuauflagen
von Büchern sind schon eine tolle Sache. Sehr oft schon habe ich einen
Schriftsteller entdeckt, dessen Romane mir gefallen haben und von dem ich gerne
mehr lesen würde. Dumm nur, dass ich mit schöner Regelmäßigkeit feststellen
darf, dass viele Bücher des Autors längst vergriffen sind, insbesondere solche
Werke, die aus der frühen Schaffensphase stammen. Eine solche Entdeckung ärgert
einen dann doch schon gewaltig.
Umso größer ist da die Freude, wenn ein
Verlag sich der Frühwerke eines Autors annimmt und sie in neuer Auflage auf den
Markt bringt. So etwa der Roman HEX von Kai Meyer, der vor mehr als 10 Jahren
zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Jetzt hat sich Bastei-Luebbe dazu
entschlossen, das Buch erneut in die Läden zu bringen, ein Entschluss, der sich
als wahrer Glücksfall für jeden Fan von Kai Meyer und Freund außergewöhnlicher
Unterhaltung erweist.
Nürnberg im Jahre 1561. Eine ganze Reihe ungewöhnlicher Vorkommnisse versetzt die Bürger der Stadt in Angst und Schrecken. Ein Priester, der von Traumvisisonen, die er als Botschaft Gottes deutet, geplagt wird, will der Sache auf den Grund gehen und macht eine Entdeckung, die ebezahlen muss.
Deutschland im Jahr 1926. Geisterbeschwörer, zwielichtige Sektierer, monströse Wesen, die lautlos auftauchen und spurlos wieder verschwinden... Immer wieder berichten Bürger aus den verschiedensten Ecken der Weimarer Republik von unheimlichen Vorgängen, für die es scheinbar keine natürliche Erklärung gibt. Um all die bizarren Geschehnisse zu untersuchen, wurde das HEX gegründet, eine geheime staatliche Organisation, die den vermeintlich übernatürlichen Phänomenen auf den Grund gehen soll.
Sina Zweisam, eine selbstbewusste, junge Frau, ist Agentin im Dienste des HEX aus Überzeugung. Sie hat schon so manchen Scharlatan entlarvt und ins Gefängnis gebracht, doch selten war ein Auftrag so ungewöhnlich wie ihre neuste Mission. Gemeinsam mit ihrem eigenwilligen Kollegen Max von Poser, der sich mehr für seine Studien über Treppen und ihre Eigenarten als für seine Arbeit interessiert, soll sie nach Grönland, um dort die rätselhafte Explosion eines deutschen Luftschiffes zu untersuchen.
Für das ungleiche Agentenpaar beginnt eine Mission, die ihre Leben für immer verändern soll. Denn das, was sie entdecken, könnte das Schicksal der Menschheit besiegeln...
Man möchte den Verantwortlichen bei Bastei-Luebbe am liebsten um den Hals fallen dafür, dass sie sich HEX, dem unheimlichen Roman aus der Frühphase von Kai Meyers schriftstellerischer Tätigkeit, angenommen und ihn in neuer Auflage zurück in die Buchhandlungen gebracht haben. Warum? Ganz einfach: HEX ist schlichtweg genial, einer der besten Romane, die ich je gelesen habe.
Schon die Story ist brillant. Der erste Teil des Prologs ist zwar noch etwas verwirrend, doch bereits der zweite Abschnitt, der im Jahr 1920 angesiedelt ist, reißt den Leser erbarmungslos mit. Und kaum ist das Vorwort geschafft, findet man sich in einer Geschichte wieder, die einen bis zur letzten Zeile nicht mehr aus ihrem Bann entlässt. Die Handlung ist spannend, dramatisch und sprüht geradezu vor originellen Einfällen und merkwürdigen Begebenheiten. Kai Meyer zündet hier ein Feuerwerk an einzigartigen und skurrilen Ideen, das den Leser aus dem Staunen nicht mehr rauskommen lässt.
Noch genialer als die Story sind Personenkonstellationen und die Protagonisten des Romans selbst. Keine stereotypen Charaktere, keine eindimensionalen Akteure, keine Klischees; Meyer gelingt es, ein ebenso überzeugendes wie einzigartiges Figurenensemble zu entwerfen, um das man den Autor nur beneiden kann. Die einzelnen Personen sind liebevoll gestaltet, alle haben ihre Macken und Probleme, die sie ebenso bizarr wie sympathisch erscheinen lassen, ohne sie jemals ins Lächerliche zu ziehen. Viel zu selten findet man ein derart ausgefallenes und nichtsdestotrotz vollends überzeugendes Sammelsurium an exzentrischen Protagonisten.
Um es abzukürzen (und das Wort genial nicht überzustrapazieren, das ich im Folgenden allzu häufig gebrauchen müsste): HEX ist ein wahres Meisterwerk. Spannend bis zur letzten Seite und voll unvergleichlicher, fantastischer Einfälle und Handlungsstränge, nimmt das Buch seine Leser mit auf eine abenteuerliche, unvergessliche Reise. Schon in diesem Frühwerk beweist Meyerdas, was er mit jedem aktuellen Roman erneut belegt: dass es kaum einen Autor gibt, der mit seiner Kreativität und seinem Einfallsreichtum mithalten kann. HEX sticht deutlich aus der Masse der Unterhaltungsliteratur hervor. Wer jemals ein Buch jenseits aller lange bekannten und ausgetretenen Pfade gesucht hat: Bitte sehr, hier ist es.
HEX ist ein Roman für alle, die gerne phantastische Literatur lesen und mal in eine Story reinschnuppern wollen, die ein wenig abseits des Gewohnten liegt. Wer ein wenig ausgefallene Romane wie Markus Heitz' Die Mächte des Feuers, Alan Campbells Scar Night oder überhaupt die Werke von Kai Meyer mag, kommt an HEX nicht vorbei. Und für alle anderen gilt: unbedingt reinschnuppern, sonst verpasst man eines der besten Bücher dieses Jahres (auch wenn es, genau genommen, schon über ein Jahrzehnt auf dem Buckel hat...).
