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Dinosaurus sapiens – Über die Möglichkeit einer irdischen Zivilisation lange vor dem Menschen - Wo Hu Zang Long: Und plötzlich tragen sie alle Federn

Dinosaurus sapiens – Über die Möglichkeit einer irdischen Zivilisation lange vor dem MenschenDinosaurus sapiens
Über die Möglichkeit einer irdischen Zivilisation lange vor dem Menschen

Wo Hu Zang Long: Und plötzlich tragen sie alle Federn
Im ersten Kapitel ist bereits eines der wenigen Fossilien erwähnt worden, die tatsächlich einen Kampf zweier Dinosaurier widerspiegeln (Protoceratops und Velociraptor), und wie unterschiedlich die Szene von verschiedenen Illustratoren dargestellt worden ist. Aber es gibt noch andere Funde, die gleichfalls Spuren solcher Konfrontationen tragen.


Natürlich sind auch die Lieblings- Duellanten der Paläontologen vertreten, Triceratops und Tyrannosaurus. Da ist zum Beispiel mal ein Horn abgebrochen und wieder nachgewachsen, und ein anderes Mal finden sich Zahnabdrücke im Nackenschild.


In diese Kategorie gehört auch der fossile Hüftknochen eines Dreihorns, in dem ein Tyrannosaurier seine Bißspuren hinterlassen hat. Es ist noch nicht einmal sicher, ob hier eine Auseinandersetzung stattgefunden hat, oder der große Beutegreifer sich lediglich mit Aas verköstigt hat. Was man daraus macht, hängt offenbar davon ab, welche Favoriten der jeweils bearbeitende Forscher unter den Dinos hat.

Long und Schouten richten ihr Augenmerk vor allem auf kleine, befiederte Theropoden. Entsprechend neutral ist ihre Darstellung zu dem Thema: Ein Albertosaurus genießt sein Triceratops- Steak, und es bleibt offen, ob er die Beute selbst erlegt, oder schon tot vorgefunden hat.

Gregory Scott Paul dagegen hat sein Buch den Raubsauriern als Ganzes gewidmet. Man kann es sich vorstellen, daß er die ganze Problematik etwas subjektiver sieht: Bei ihm treibt ein Rudel Tyrannosaurier eine Herde Dreihörner vor sich her, als wären es wehrlose Schafe, und einem der Jäger gelingt es gerade, einen der Flüchtenden von hinten zu beißen.

Was aber macht Ceratopsier- Papst Peter Dodson daraus? Bei ihm liegt ein ungläubig glotzender Tyrannosaurus tot im Staub, und ein Triceratops kehrt im Triumph zur Herde zurück, mit gerade mal einer Wunde am Oberschenkel. Unterschrieben ist die Szene mit einem Bibelzitat: „Die Sanftmütigen sollen die Erde erben.“

Nun mag man bezweifeln, ob die gehörnten Dinosaurier wirklich so „sanftmütig“ gewesen sind, und ob Jesus Christus bei seiner Bergpredigt ausgerechnet an sie gedacht hat, aber zwei Dinge kann man daraus mit absoluter Sicherheit schließen: Erstens lassen viele Befunde mehrere, ja, sogar gegensätzliche Deutungen zu, und zweitens sind auch renommierte Paläontologen bisweilen große Kinder.

Wo man aber schon die aller Paläontologie zugrunde liegenden Funde nach Lust und Laune deuten kann, da gilt es erst recht für die daraus gezogenen Folgerungen. Entsprechend bunt ist beispielsweise die Geschichte de Stammbäume, insbesondere wenn es um die Entstehung ganzer Tierklassen geht. Dem versuchte man mit der Einführung des sogenannten Kladogrammes zu begegnen, eine Weiterentwicklung des klassischen Stammbaums, bei dem jeder neue Ast durch die Entwicklung eines neuen Merkmals (Autapomorphie) begründet wird. Je mehr gemeinsame Merkmale (Synapomorphien) zwei Lebewesen haben, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie nahe miteinander verwandt sind.

Das Problem mit Kladogrammen ist die rein quantitative Gewichtung der Merkmale, die zur Abgrenzung von Abstimmungslinien aufgelistet werden. Ein gutes Beispiel für mögliche Fehler sind die Archonta und die Euarchonta. Die Archonta waren eine Gruppe von Säugetieren, bei der man Gemeinsamkeiten aufgelistet, und auf dieser Basis Verwandtschaftsverhältnisse konstruiert hatte. Die Fledermäuse hatten da gleich eine ganze Reihe von Eigenarten mit den Primaten, Flugmakis (= [Riesen-] Gleitflieger = Pelzflatterer) und Spitzhörnchen gemein, bis hin zu dem Paar Brustzitzen der Weibchen, daß sie den drei Familien noch näher zu stehen schienen, als die Schlitzrüßler und die Nagetier- Hasen- Gruppe. Inzwischen jedoch hat man ihr Genom untersucht, und festgestellt, daß sie gar nicht in diese Gruppe gehören können, und eher Beziehungen zu den Insektenfressern, Huf- und Raubtieren der Nordkontinente haben. Ergo wurden sie aus den Archonta ausgegliedert, und übrig blieben die sogenannten Euarchonta. Streng genommen aber ist dieser Unterschied in den Erbanlagen auch nur ein Merkmal unter vielen, das in den Kladogrammen den paarigen Brustzitzen gleichberechtigt wäre. Erst dadurch, daß man aus ihm ein entscheidendes Kriterium macht, hat man die Möglichkeit, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Ansonsten nämlich hätten die morphologischen Ähnlichkeiten weiter überwogen, und kein Grund bestanden, die Flattertiere auszusondern.

Schlußendlich ist auch die Menge an Merkmalen nicht unbedingt ein Garant dafür, daß man nicht doch eine künstliche Gruppierung erstellt hat, die nichts mit dem tatsächlichen Verlauf der Evolution zu tun hat. Beispielsweise ist es bis in die neunziger Jahre hinein Lehrmeinung gewesen, daß die Theropoda in zwei Hauptgruppen zu unterteilen seien, die Coelurosauria und die Carnosauria. Weishampel et al. trennen zwar in der Erstausgabe des Standardwerkes Dinosauria schon einige primitive, vermittelnde oder gänzlich eigenständige Gruppen ab (Ceratosauridae, Elmisauridae etc. etc.), bleiben ansonsten aber dem damaligen Kenntnisstand treu, und führen eine Reihe überzeugender Argumente an, warum es sich bei den beiden Infra- Ordnungen um zwei deutlich separate Entwicklungslinien handelt. Heute besitzt nichts davon mehr Gültigkeit; stattdessen hat man mehrere Familien aufgestellt, in denen es sowohl Coelurosaurier-, als auch Carnosaurier- artige Formen gibt. Und auch hier sind die Begründungen wiederum einleuchtend. Merkmale und auch Merkmalskombinationen können täuschen. So tragen Igel, Stachelschweine, Igeltanreks und Ameisenigel allesamt ein Stachelkleid, und sind doch nicht näher miteinander verwandt; hier haben lediglich korrespondierende ökologische Nischen zu ähnlichen Anpassungen geführt. Auch der Flugbeutler (ein Beuteltier), das Flughörnchen (ein Nager) und der Pelzflatterer (eine Familie, die sich wohl von frühen Primaten herleitet) haben ihre Flughäute unabhängig voneinander entwickelt („konvergente Evolution“ lautet der diesbezügliche Fachbegriff). Gerade bei ausgestorbenen Lebewesen läuft man immer wieder Gefahr, Gruppen aufgrund solcher Merkmale zu definieren.

Dementsprechend ist es nachvollziehbar, daß auch die Ahnenreihe der Vögel in der Geschichte der Paläontologie gewissen Wandlungen unterworfen gewesen ist. Je nach Zeitgeist und Modeströmung sind es mal Federn, mal ein Vogelbecken und mal gar eine ominöse „allgemeine Ähnlichkeit zwischen Vögeln und kleinen Theropoden“, die als ausschlaggebendes Verwandtschaftsmerkmal bestimmt werden. Behalten wir im Hinterkopf, daß es auch eine große Ähnlichkeit gewesen ist, die für die falsche Einordnung der Fledertiere gesorgt hat.

Dabei wird es manchen Leser gewiß erstaunen, daß nicht nur der erste Urvogel bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt ist, sondern auch ein Vertreter jener Gruppe, von der Dale Russell im Scherz seinen Dinosauroid abgeleitet hat: Troodons Zähne sind schon 1847 beschrieben worden. Freilich fehlte weiland noch der Rest des Tieres, und da sie denen des Ornithischiers Stegoceras ähnelten, stellte man das Geschöpf 1920 zu den Pachycephalosauria.

Was die Abstammung von Archäopteryx anbelangt, gab es mit Thomas Huxley, einem vehementen Verteidiger der Lehren Darwins, der schon mal die Überlegung anstellte, ob unsere lieben Piepmätze waschechte Raubsaurier in der Ahnenreihe hatten.

Er setzte sich jedoch nicht durch, und das hatte zumindest dem damaligen Kenntnisstand nach ganz gute Gründe. Ursprünglich galt es nämlich mal die Form des Beckens als entscheidendes Kriterium, um die Dinosaurier biologisch zu klassifizieren. Man errichtete die Unterordnungen Saurischia („Echsenbecken“, also mit konservativer Anordnung der Beckenknochen) und Ornithischia („Vogelbecken“, also mit parallel zum Ischium nach hinten verlagertem Pubis). Erklärt wird die Veränderung bei den Letzteren mit der Anpassung an eine rein vegetarische Lebensweise, die im Bereich des Unterbauches mehr Platz für den Verdauungsapparat erforderte.

Anfangs ging man noch davon aus, die Dinosaurier hätten sich in zwei bis vier Linien unabhängig voneinander aus den Thecodonten entwickelt. Den Ursprung der Vögel hatte man ebenfalls dort gesucht, ohne nähere Beziehungen zu den Dinos (eine eventuell arboricole, aber schlecht erhaltene Springechse namens Scleromochlus kam als möglicher Vorfahr in Frage). Mangels Fossilien wurde ein Proavis bzw. Proaves konstruiert (Gerhard Heilmann), eine Art gefiederter Thecodont, für dessen tatsächliche Existenz es jedoch keinerlei Indizien gab. Beizeiten wird diese Theorie noch heute vertreten, obwohl eigentlich keine dafür sprechende Argumente hinzu gekommen sind.

Eine andere Hypothese ging davon aus, daß die gemeinsame Beckenform bei Vögeln und Ornithischiern auf eine nähere Verwandtschaft hindeuten mochte. Man kannte bereits die Gattung Hypsilophodon, die in mancherlei Hinsicht noch recht ursprüngliche Züge aufwies, und damit auch im Erscheinungsbild dem fortschrittlicher Pseudosuchier und kleinerer Raubdinosaurier entsprach. Diese eher schmächtige Form wurde als Baumbewohner konstruiert, da man nach dem Beispiel heutiger Gleitflieger davon ausging, daß die Vorformen flugfähiger Wirbeltiere stets arboricol gelebt haben müssen. So findet sich bei Kurtèn eine Darstellung als eine Art reptilisches Baumkänguruh, und wer von uns noch mit dem Bunten Kinderkosmos aufgewachsen ist, wird sich vielleicht noch an die entsprechende Abbildung erinnern – Und beide Publikationen stammen immerhin schon aus den frühen Siebzigern! Freilich gab es im Bunten Kinderkosmos auch die Darstellung eines „Vogelfuß- Dinosauriers“, der gerade einen Urvogel reißt – Für die Ornithopoda (= „Vogelfüßer“) als strikte Vegetarier ein äußerst ungewöhnliches Verhalten! Tatsächlich ist dort ein kleiner Theropode („Coelurosaurier“) portraitiert worden, was vielleicht verdeutlichen mag, daß man bei einem flüchtigen Blick auf die weniger großen Dinos leicht Opfer von Verwechslungen werden kann.

Inzwischen läßt sich die Ornithischia- Theorie zumindest in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten. Es stellte sich nämlich heraus, daß sich die Zehen von Hypsilophodon (der übrigens selbst erst nach Archäopteryx lebte) nicht wie bei Singvögeln gegenüber standen, um ein Sitzen auf Ästen zu ermöglichen, sondern parallel zueinander angeordnet waren. Das Tier war damit kein dinosaurischer Klettermaxe, sondern ein agiler Läufer, den man auch schon als „Gazelle des Mesozoikums“ bezeichnet hat.

Ein wichtigeres Argument gegen die engere Verwandtschaft von Ornithischiern und Vögeln ist allerdings, daß Erstere eine Reihe gemeinsamer Merkmale entwickelt haben, die den Letzteren fehlen. Sind die meisten davon auch mehr Tendenzen mit Ausnahmen, so ist ihnen allen doch ein zusätzlicher Schnabelknochen im Unterkiefer gemein, das Praedentale. Ja, dies gilt auch für die frühesten bekannten Formen im Übergangsfeld von der Trias zum Jura, während die Vögel erst zu einem viel späteren Zeitpunkt sicher nachgewiesen sind. Zwar kann man nicht ausschließen, daß deren Ahnen diese Besonderheit wieder verloren haben, doch gibt es weder Anzeichen dafür, noch wissen wir auch nur von einem Ornithischier, bei dem eine vergleichbare Tendenz zur Reduktion bekannt wäre.

Ergo gerieten Mitte der Siebziger die kleinen Theropoden in Mode, die man seinerzeit noch in der Familie Coelurosauridae zusammengefaßt hat (jener Gedanke, den schon „Darwins Bulldogge“ Thomas Huxley gehabt hatte). Insbesondere der kleinwüchsige Compsognathus longipes, den man in den selben Schichten wie den Urvogel Archaeopteryx gefunden hat, geriet ins Zentrum der Aufmerksamkeit, und wurde schon bald als direkter Vorfahr gehandelt. Ähnlichkeiten im Skelett wurden hervorgehoben, auch wenn es sich um weit verbreitete Eigenschaften handelte.

Freilich war dieser huhngroße Raubsaurier ein ähnlich flinker Läufer wie Hypsilophodon, und auch sonst kannte man keine baumbewohnenden Theropoden. Das aber hielt man bisher für eine notwendige Voraussetzung, um über das Gleiten den Flug zu erfinden. Was machte man also? Man sah Archaeopteryx als gefiederten Coelurosaurier an, dessen Arme sich aus einem anderen Grunde zu Flügeln entwickelt haben mußten (so z. B. bei Halstead). Zum Kronzeugen stieg der Sekretär (Sagittarius serpentarius) auf, ein afrikanischer Greifvogel, den man auch „Kranichgeier“ nennt. Er scheucht mit wildem Flattern Kleintiere auf, und verdunkelt auch schon mal einem kleinen Reptil mit ausgestreckten Vorderextremitäten die Sonne. Die hier und da aufgestellte Behauptung, auf diese Weise sollte die Lieblingsbeute (Schlangen) gelähmt werden, ist freilich arg albern: Kriechtiere sind wechselwarm, aber sie betreiben keine Photosynthese!

Ein solches Jagdverhalten wurde nun auch dem Urvogel zugeschrieben. Daß allerdings immer wieder der exotische Sekretär als Beispiel bemüht worden ist, läßt erkennen, daß es sich um eine sehr spezielle Jagdtechnik handelt, die ansonsten kein Piepmatz entwickelt hat. Damit ist es ausgesprochen unwahrscheinlich, daß sich Archaeopteryx genauso verhielt, oder daß es sich gar um die ursprüngliche Überlebensstrategie der Vögel gehandelt haben mag.

Ja, solange man nur die Coelurosaurier- Theorie vertrat und über einen gewissen Hintergrund verfügte, konnte man mit fast allem Karriere machen. John Ostrom beispielsweise nahm an (fide Desmond), der Urvogel habe seine Schwingen entwickelt, um damit wie mit einem Netz Insekten einzufangen. Und Herr Ostrom war nicht einfach nur ein kleiner Paläontologe irgendwo in der Provinz; er lehrte an der renommierten Yale- Universität, Heimat der einflußreichen „Skull & Bones“- Verbindung. Entsprechend Anklang fand seine gewagte Hypothese.

Das galt aber auch für weitere, nicht minder kühne Mutmaßungen aus seiner Feder. Er erdreistete sich sogar zu behaupten, Archäopteryx habe überhaupt kein Vogelbecken gehabt, sondern ein Echsenbecken, das lediglich so gebrochen sei, daß es wie ein Vogelbecken aussähe.

Freilich erklärt er damit nicht, wann und warum dann die Vögel als primäre Allesfresser überhaupt ein Vogelbecken ausgebildet haben. Außerdem gibt es mehr als nur ein Fossil von Archäopteryx, und es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, daß das Pubis bei allen bekannten Exemplaren genauso gebrochen sein soll, daß aus einem Echsenbecken ein scheinbares Vogelbecken wird. Zumindest was die drei Urvögel anbelangt, die im Londoner Museum of Natural History ausgestellt sind, konnte ich 1985 keine Bruchstellen ausmachen, die Ostroms Behauptung in irgendeiner Weise stützen würden.

Probleme bereitete aber auch Compsognathus selbst, gab es doch Unklarheiten beim Bau seiner Hand. So gibt es bei L. B. Halstead die Darstellung eines in hübschem Himmelblau gehaltenen Compsognathus corallestris, dessen Arme in Flossen mündeten. Und was Compsognathus longipes anbelangte, den mutmaßlichen Vogelahn, so war gänzlich unterschlagen worden, daß das bekannte Fossil nurmehr zwei Finger an jeder Hand hatte, Archaeopteryx aber noch drei. Damit schied er als unmittelbarer Vorfahr aus, und das Thema verblaßte ein wenig angesichts der wieder aufgefrischten Theorie, ein Meteorit hätte das Aussterben am Ende der Kreidezeit verursacht.

Das bedeutete jedoch nicht, daß die „Coelurosaurier“ aus den Theorien verschwanden. Manche ihrer Fossilien ähnelten schließlich den Vögeln so sehr, daß man den Gattungen Namen wie „Straußen-“, „Emu-“, „Pelikan-“, „Vogel-“ und „Hahnnachahmer“ verpaßt hatte.

Zum einen entdeckte man die Segnosaurier. Vom Habitus her erinnern die Geschöpfe an die Prosauropoden, also an jene frühen Dinosaurier aus der Spättrias und dem Unterjura, in deren frühesten Vertretern man den Ursprung der großen Sauropoden, aber auch der Ornithischier sucht. Ja, sogar die für klassische Prosauropoden typische Abwärtsneigung der Schnauzenspitze findet ihr Echo bei dem ähnlich geformten Unterkiefer der Segnosaurier, insofern er bekannt ist (Erlikosaurus). Gregory Scott Paul will auf jeden Fall „gleich erkannt“ haben, daß die Segnosauria/ Therizinosauridae aufgrund ihres vierzehigen Fußes nur Nachkommen Ornithischier- ähnlicher Prosauropoden gewesen sein können.

Bis vor Kurzem sind sie nur fragmentarisch bekannt gewesen, so daß es sich bei der Darstellung eines „typischen“ Vertreters in der Regel um ein Mischmasch aus Körperteilen verschiedener Gattungen handelt (bei Weishampel et al. sind es Segnosaurus, Erlikosaurus und Therizinosaurus, die zu einem einzigen Skelett verschmolzen sind). Entsprechend viel Interpretationsspielraum gab es auch.

Einigermaßen sicher scheint es, daß es sich um Pflanzenfresser gehandelt hat, deren Lebensweise mit der von Bodenfaultieren und Chalicotherien (Krallen tragende Unpaarhufer) verglichen worden ist. Ihr hinten bezahntes Maul mündete vorne in einen zahnlosen Schnabel, und war seitlich von Wangen flankiert – eine Eigenschaft, die sie mit vielen Ornithischiern gemein hatten. Besondere Merkmale sind die langen (drei) Finger und (vier) Zehen mit außergewöhnlich großen Krallen, sowie – und das macht sie erst richtig interessant – ein Vogelbecken. Insbesondere, als da die Beckenknochen massiger sind, als es von grazilen Ornithischiern und Urvögeln bekannt ist – Bei älteren Formen wie Falcarius tritt dies um so deutlicher hervor.

Freilich lebten die damals bekannten Gattungen (Segnosaurus, Erlikosaurus) in der jüngeren Kreidezeit, und auch später entdeckte Vertreter (Falcarius, Beipiaosaurus) erscheinen nicht vor Beginn der Epoche. Die Prosauropoden aber waren bereits kurz nach Beginn des Jura von der Bildfläche verschwunden. Wenn die Segnosaurier dem angenommenen Übergangsfeld zwischen Prosauropoden und Ornithischiern entstammen sollten, wo hatten sich ihre Vorfahren während des gesamten Jura rumgetrieben?

Daß sich Letztere von Ersteren ableiten, ist – nebenbei bemerkt – eine eher vage Annahme, die überwiegend darauf beruht, daß ein Großteil der Prosauropoden bereits Pflanzenfresser waren. In rein anatomischer Betrachtung gibt es kaum Gründe, die ersten Ornithischier mehr in ihre Nachbarschaft zu stellen, als in die der frühen Theropoden. Ja, es gibt sogar einige Autapomorphien (d. h. für eine Gruppe charakteristische anatomische Entwicklungen), welche die Prosauropoden schon recht früh in der oberen Trias als eigenständige Unterordnung definieren, und selbst von den nahe verwandten Sauropoden abgrenzen.

Zum anderen gab es da die eingangs erwähnte Gattung Troodon. Wie unsicher deren Klassifizierung als Pachycephalosaurier war, zeigt sich daran, daß Dougal Dixon sie mit einem Fragezeichen einer anderen Familie von Ornithopoden zuordnete, nämlich den Hypsilophodontiden. Nun bekräftigten aber neuere Untersuchungen, daß die fraglichen Zähne die eines Raubtieres waren! Fleischfressende Ornihopoden? – Welch ein Affront!

Für zusätzlichen Trubel sorgte 1984 die Ankündigung, Sankar Chatterjee habe in Texas einen Vogel aus der oberen Trias entdeckt, Protoavis mit Namen... und die dazu gehörende Abhandlung ließ dann lange auf sich warten. Auch Spurenfossilien aus dem frühen Jura wurden bereits primitiven Vögeln zugerechnet, ohne daß dies mit entsprechenden Fossilien belegt worden war (Martin Lockley).

Und es gab noch ein neues Archäopteryx- Fossil, das man mangels Federabdrücken zunächst den „Coelurosauriern“ zugerechnet hatte.

Nun bestand also die „Gefahr“, daß man die Abstammung der Vögel wieder auf die Thecodonten (Protoavis aus der Trias, Fährten aus dem gesamten Jura) oder die Ornithischier (fleischfressende Ornithopoden, Segnosaurier als mögliche Nachkommen einer Übergangsform) zurückzuführen suchte. Desweiteren wurde noch eine Uralt- Theorie aus dem 19. Jahrhundert wiederbelebt (Mivart, fide Desmond), welche die Vögel von den Flugsauriern herzuleiten suchte (Flugfähigkeit, Flaumgefieder). Das konnte die Freunde der „Coelurosaurier“ natürlich nicht ruhen lassen! Dale Russell selbst gehörte zu den führenden Köpfen, die in Troodon 1987 keinen Ornithischier erkannten, sondern einen Saurischier, der sogar in die nähere Verwandtschaft jenes Saurornithoides einzuordnen war, der ihn zu seinem Dinosauroid inspiriert hatte. Bei Michael Benton liest sich diese Erkenntnis geradezu wie ein triumphaler Siegeszug: „… schien es klar zu sein, daß diese Troodon- Zähne in Wirklichkeit zu Stegoceras gehörten… Aber nicht alle Wissenschaftler waren dieser Ansicht – und sie hatten recht! Bei einer neuen und genaueren Untersuchung des Troodon- Zahnes im Jahre 1987 stellte sich heraus, daß er den Zähnen von Stenonynchosaurus ähnlich ist.“

Stenonynchosaurus war damals der Name der kanadischen Variante des mongolischen Saurornithoides. Inzwischen hat er sogar seine Eigenständigkeit eingebüßt, und wird mit zu Troodon gerechnet.

Im Rausch der ersten Liebe wurden gleich mehrere neue Familien aufgestellt, um diese neu umrissene Gruppe zu definieren, obwohl all diese Tiere mit der großen Sichelkralle eigentlich relativ nahe miteinander verwandt waren. Die Maniraptora waren geboren, und ihnen folgte eine wahre Raptormanie.

Im Eifer des Gefechts triumphierten Idealismus und Gesinnung auch schon mal über die Wissenschaftlichkeit. Ein gutes Beispiel hierfür ist Deinonynchus, ein sehr naher Verwandter der Raptoren aus Jurassic Park. Bei Dougal Dixon findet sich eine Rekonstruktion dieses Tieres mit Vogel- Becken, obwohl es dafür in dessen gesamter Verwandtschaft kein Referenzbeispiel gibt. Der Forscher begründet diesen gewagten Schritt damit, daß „das Skelett Züge“ aufweise, „die sonst für Vögel typisch sind, etwa der gebogene, bewegliche Hals, an dem der Kopf im rechten Winkel angesetzt ist“. Tatsächlich gilt dieses Argument für eigentlich alle bekannten Raubdinosaurier und dazu noch für mehrere (wenn nicht sämtliche) Ornithopoda. Immerhin gibt er einem ominösen „man“ die Schuld für die anatomische Verunglimpfung, die er uns präsentiert hat.

Dabei ist Deinonynchus bei Licht betrachtet gar nicht mal so rätselhaft, was seinen Skelettbau angeht. Gleich ein ganzes Rudel dieser Tiere hat man um das Gerippe eines großen Hypsilophodonten (Tenontosaurus) herum gefunden. Dementsprechend kennt man auch seine Beckenknochen. Tatsächlich weist das Pubis (Schambein) nicht so sehr nach schräg- vorne, sondern mehr senkrecht nach unten, was als eine leichte Annäherung an die Vogelbecken- Gestalt gedeutet werden konnte. Ansonsten aber ist es von Form und Ausprägung her das eines typischen Theropoden, was nebenbei auch für Ischium und Ilium gilt. Selbst innerhalb der Theropoda gibt es Familien, deren Beckenknochen denen der Ornithischia und der frühen Vögel stärker ähneln (die Ornithomimidae und die Troodontidae), doch weist bei ihnen das Pubis wieder klar nach schräg vorne.

Im Übrigen scheint die Variante mit senkrecht weisendem Schambein ein Primitivzustand zu sein, denn auch bei einem der ältesten bislang bekannten Dinosaurier, Staurikosaurus, ist das Pubis auf diese Weise ausgerichtet. Da er vermutlich noch vor der Abspaltung der Ornithischia lebte, wäre eine solche, zwischen beiden späteren Beckentypen vermittelnde Form allerdings auch zu erwarten gewesen.

Dementsprechend wurde Deinonynchus selbst bei John Ostrom (fide Weishampel et al.) und Gregory S. Paul (der ihn – freilich Velociraptor zugeordnet – zu seinen „very favorite dinosaurs“ zählt) mit einem Echsenbecken dargestellt – Wie nicht anders anzunehmen.

Doch der Spuk ist noch nicht vorbei! Die Unsitte, sich in der eigenen Besessenheit vom Vogelstammbaum zu suhlen, und fehlende Knochen wissenschaftlich völlig haltlos nach dem Vorbild der Piepmätze zu rekonstruieren, treibt weiter Blüten. So tauchen neuerdings wieder Rekonstruktionen von Velociraptor auf, bei der das nach Saurischier- Art massige Schambein (Pubis) parallel zum Sitzbein (Ischium) zurückgebogen worden ist. Daß die beiden nicht wirklich aneinander passen, interessiert dabei wohl nicht, solange es nur darum geht, kleinen Theropoden Vogelbecken anzudichten.

Und wo selbst Gregory S. Paul einräumt, daß die Troodontiden allem Anschein nach über ein Saurischier- Becken verfügten, behauptet der Autor auf Wikipedia, die Familie habe unabhängig von den Segnosauriern/ Therizinosauriern und unabhängig von den Ornithischiern ein Vogelbecken entwickelt. Und in der Second Edition des Standardwerkes Dinosauria (Weishampel et al.) sind gar die Becken der Maniraptoren Adasaurus, Bambiraptor und Velociraptor auf diese Weise rekonstruiert. Die für Saurischier untypsche, klaffende Lücke zwischen den Knochen wird mit keinem Wort erklärt.

Aber natürlich geht es nicht nur um die Anordnung von Beckenknochen, wenn man einen Ursprung der Vögel in den Reihen der Therapoda zu begründen sucht. Als anderes gemeinsames Merkmal werden manchmal Skleralringe angeführt, also eine Struktur kleiner Knochen rund um die Augenhöhle. Die kennt man allerdings auch schon von dem frühen Pseudosuchier Euparkeria; sie sind also mehr ein Primitivmerkmal, denn eine Neuentwicklung. Ja, es gibt sie sogar bei anderen Gruppen, die mit den Archosauriern nicht näher verwandt sind (Ganz besonders charakteristisch sind sie für die Ichthyosaurier).

Nichtsdestotrotz bildeten solche „Ähnlichkeiten“ die Basis der Klassifikation, und Gregory S. Paul hat die Urvögel um Archäopteryx gar so fest in seinen Stammbaum der Theropoda integriert, daß er in ihnen sogar die Vorfahren mehrerer kreidezeitlicher Raubdinosaurier sieht, namentlich der Ornithomimidae, der Dromaeosauridae und der Troodontidae. Daß in sämtlichen drei Familien ausschließlich Echsenbecken vorkommen (siehe Deinonynchus), hat ihn dabei nicht irritiert.

Und schließlich steht er mit seiner Ansicht auch nicht so ganz allein. Zwar hat es beizeiten den Anschein, als gäbe es genauso viele Dinosaurier- Stammbäume, wie es Paläontologen gibt, die sich damit befassen, doch gehen gleich mehrere davon aus, daß sich die ersten Vögel kaum von den kleinen, fleischfressenden Dinos ihrer Zeit unterschieden haben.

Russell immerhin hat als Alternative vorgeschlagen, die entsprechenden Räuber der Kreidezeit von Flugechsen abzuleiten. Es war wohl ernster gemeint gewesen, als seine Idee mit dem Dinosauroid.

Man kann also durchaus der Meinung sein, daß all das Engagement, Theropoden ein Vogelbecken zuzuschreiben, nicht immer viel mit Wissenschaft zu tun hat. Viele der Hypothesen und Skelettrekonstruktionen sind derart windig und windschief geraten, daß sie kaum mehr als der Einfluß ihrer Verfechter und das Renommee ihrer Institute vor dem Sturm der kritischen Betrachtung schützte. Es brauchte schon wirklich ein Wunder, damit das als seriöse Wissenschaft verkaufte Kartenhaus nicht zusammenbrach.

Man mag es kaum glauben, aber dieses Wunder geschah tatsächlich. Fast schon wie auf Bestellung! Wo Hu Zang Long! Der Stern von Bethlehem schien herab auf den Nordosten Chinas, genau genommen auf eine Abfolge frühkreidezeitlicher See- Sedimente, die unter dem Namen „Jehol- Gruppe“ in die Forschungsgeschichte eingehen sollte, und auf eine mehr vulkanische, jurassische Schichtenfolge, die man „Tiaojishan- Formation“ nannte. Insbesondere die erstgenannte Fundstätte hat für Aufsehen gesorgt. Immer wieder sind hier die fein geschichteten, siliklastischen Seesedimente von vulkanischen Aschen versiegelt worden. Dadurch entstand ein sauerstoffarmes Milieu, das die Prozesse der Verwesung behinderte. Als Ergebnis sind sogar Weichteile von Wirbellosen fossilisiert worden, und auch die früh- kreidezeitliche Flora hat interessante Spuren hinterlassen. Also blieb es nicht aus, daß man dort Ende der Neunziger Jahre unverhofft Funde von Maniraptora machte, deren Versteinerungen so detaillierte Einzelheiten erkennen ließen, daß man sich nicht mehr allein auf den Knochenbau zu berufen brauchte. In fast schon atemberaubendem Tempo wurde bei einer neuen Gattung nach der anderen ein Federkleid nachgewiesen (so bei Sinornithosaurus, Protarchaeopteryx, Caudipteryx und Microraptor). Gewiß nicht ohne Nationalstolz wich man von der Tradition ab, stets lateinische bzw. latein- griechische Namen zu verteilen, und gab ihnen dafür chinesische. Insbesondere die Vokabel „Long“ für „Drache“ hat fast schon inflationär Verwendung gefunden. Eigentlich erwarte ich da nur noch einen passenden Fund aus Japan, der dann den Namen Godzilla tragen wird.

Ein recht faszinierendes Fossil ist hierbei Microraptor: Nicht nur, daß es sowohl an den Vorder-, als auch an den Hinterbeinen Schwungfedern besitzt, auch seine Beckenform scheint zu vermitteln zwischen dem Zustand bei Deinonynchus und dem der Ornithischier und Vögel.

Aber es geht nicht nur um die Federn, die bei mehreren Maniraptora nachgewiesen worden sind. Da ist zum Beispiel Mei long (was „schnarchender Drache“ bedeutet), der mit dem Kopf unter dem Arm ruhte, just wie wir es von modernen Piepmätzen her kennen. Und der bereits erwähnte Troodon formosus konnte seine vorderen Gliedmaßen nach Art der Flügel zusammenfalten. Ja, und schließlich kennt man sogar einen kletternden Baumgleiter, Epidendrosaurus mit Namen. Archaeopteryx muß seine Schwingen also nicht mehr als Käscher mißbrauchen...

Kleine Raubdinosaurier mit Federn und weiteren Eigenschaften, die als typisch für Vögel gelten! Aber damit ist die Beweisführung noch nicht abgeschlossen: Erinnern Sie sich noch an die Segnosauria? Wie bereits erwähnt, sah man sie bislang als Relikte aus dem Prosauropoden- Ornithischier- Übergangsfeld (u. a. bei Weishampel et al., bei Carrol und bei Paul). Den für die Ornithischier typischen Schnabelknochen im Unterkiefer (das Praedentale) haben sie zwar nicht entwickelt, doch könnte ihr Schnabel als Vorstufe betrachtet werden.

Bei den Ornithischiern kommen als Primitivmerkmal freilich immer wieder mal fünf Finger vor (zwei mehr als bei den Segnosauriern), so bei den Neoceratopsia. Auch haben manche von ihnen noch Zähne im vorderen Kieferabschnitt (beispielsweise die Heterodontosauridae, sowie manche Hypsilophodontidae und Protoceratopsidae). Doch die Reduktion von Fingern und Zähnen ist auch bei anderen Linien der Dinosaurier mehrfach unabhängig voneinander erfolgt, so daß die fortschrittlicheren Verhältnisse bei den Segnosauriern nicht gegen eine solche Verwandtschaft sprechen.

Dann aber wurde in China ein Segnosaurier namens Beipiaosaurus entdeckt, bei dem man zweifelsfrei ein Federkleid nachweisen konnte. Daß allerdings eine Linie gefiederter Dinosaurier mit den Prosauropoden und Ornithischiern in Verbindung stehen mochte, durfte nicht sein! Nun haben sie aber auch einen mäßig langen Hals und einen kleinen Kopf gehabt. Das ist ein Merkmal der Prosauropoden und kleiner Ornithopoden, aber eben auch der Coelurosaurier... Und so geriet diese einstmals obskure Gruppe in den Fokus der Paläontologen, welche die Abstammung der Vögel mit aller Macht bei den Letztgenannten festmachen wollten. Der Fokus war inzwischen von den Comsognathidae zu den Maniraptora gewandert, und auch die ursprüngliche Unterordnung Segnosauria war zur einfachen Familie Therizinosauridae degradiert worden. So eine Familie ließ sich dann prima den Maniraptora zuzuordnen, und siehe da: Man hatte auf einmal Raubdinosaurier mit Vogelbecken! Wie zu erwarten, ging man nun davon aus, ein fehlendes Beweisstück für die Abstammung der Vögel von den kleinen Theropoden gefunden zu haben! Schließlich hatte sich das „Andichten“ im Falle von Deinonynchus zuvor nicht unbedingt als hilfreich erwiesen. Deutete man die Segno-/ Therizinosaurier jedoch als sekundär pflanzenfressende Raubechsen, war man aus dem Schneider.

Immerhin schienen sie die großen Krallen mit den fleischfressenden Dinos zu verbinden. Doch handelt es sich bei derlei Krallen mehr um ein Erbe ihrer thecodontischen Vorfahren, denn um eine gemeinsame Neuentwicklung. Die außergewöhnliche Größenzunahme bei den diversen Abstammungslinien mag auch unabhängig voneinander erfolgt sein.

Auf jeden Fall ist so aus der ursprünglichen Unterordnung (Segnosauria) eine einfache Familie (Therizinosauridae) innerhalb der Theropoda gemacht worden. Kann man das tun? Wo der Fossilbeleg derart dürftig ist, sind solche Spekulationen durchaus legitim. Doch darf man nicht vergessen, daß die meisten Argumente, die sich auf diese Zuordnung beziehen, eigentlich gemeinschaftliche Merkmale kleiner Dinosaurier bezeichnen, also auch für Prosauropoden und Ornithopoden Gültigkeit besitzen.

Etwas verwunderlich ist es, daß man bei den chinesischen Funden stets von kleinen, gefiederten Raubdinosauriern liest und hört, aber von anderen Spezies nichts. Ein Öko- System ohne Beutetiere ist freilich kaum vorstellbar, und so kann man eigentlich nur mutmaßen, daß man auch andere Fossilien entdeckt hat, die nur weniger spektakulär gewesen sind. Doch ist es wirklich plausibel, daß man bei einer bestimmten Gruppe Sensation auf Sensation vermelden kann, und der Rest bloß für ein gelangweiltes Gähnen sorgt? Denn schließlich haben die Sensationen ja einen Grund: Die Funde sind dermaßen gut erhalten, daß auch Abdrücke der Körperbedeckung im Sediment erkennbar sind. Wenn das für die kleineren „Protovögel“-  Raubdinosaurier gilt, müßten auch andere Fossilien ähnlich gut konserviert worden sein. Auffallenderweise ist davon weniger in der Tagespresse zu lesen gewesen.

Tatsächlich kennt man Heterodontosaurier (Tianyolong) und sogar mehrere primitive Ceratopsier (Cerasinops und Psittacosaurus, sowie eventuell Archaeoceratops, Chaoyangsaurus, Hongshanosaurus und Liaoceratops), bei denen gleichfalls Federstrukturen nachgewiesen werden konnten, wenn auch angeordnet zu einer Art Rückensegel. Freilich passen beide Familien als ziemlich eindeutige Ornithischier so ganz und gar nicht in das „Protovögel“- Konzept, und so hat man versucht, aus den Abdrücken kleine Sonnensegel zu machen, wie man sie von einigen Ornithopoden und großen Raubsauriern (sowie Amphibien und Pelycosauriern) her kennt. Allerdings sind solche Segel bei den bekannten Formen stets mit Dornfortsätzen der Wirbelknochen gespannt gewesen, und etwas Derartiges fehlt den beiden genannten Gruppen.

Nebenbei bemerkt, gehören einige der ältesten bekannten Ornithischier zu den Heterodontosauriern, und aufgrund ihres spezialisierten, an das Schema der Säugetiere erinnernden Gebisses ist auch schon überlegt worden, ob sie mehr omni-, als herbivor gewesen sind (Die Wikipedia- Seite erwähnt leider den entsprechenden Autor nicht).

Flaumgefieder ist schon von Flugsauriern bekannt (Sordes pilosus), und federähnliche Schuppen auch von einem wahrscheinlichen Thecodonten (Longisquama insignis), aber echte Federn nur von kleinen Theropoden und Ornithischiern. Könnte es sein, daß sich beide Gruppen näher stehen, als es die gängige Lehrmeinung ist? In der Tat überwiegen eigentlich mehr die Argumente, die Ornithischia von kleinen, agilen Theropoden abzuleiten, als von den massigen Prosauropoden. Zwar gibt es Ähnlichkeiten in der Gestalt der Zähne bei den Prosauropoda und den Ornithischia, aber die lassen sich auch als Parallelentwicklungen deuten in Bezug auf die Anpassung an pflanzliche Nahrung. Außerdem hat das Beispiel Troodon gezeigt, daß diese Merkmale auch nicht immer als eindeutige Kriterien gewertet werden können. Wenn Troodons Zähne denen des Pachycephalosauriers Stegoceras ähneln, weil er sich von einer überwiegend carnivoren Ernährung kommend, auf eine mehr omnivore Lebensweise spezialisiert haben mag, dann ist das eine Parallelentwicklung. Wieso soll dies bei Troodon und Stegoceras der Fall sein, bei den Prosauropoden und Ornithischiern jedoch nicht?

Zudem verfügen Ornithischia und Theropoda über Gemeinsamkeiten im Bau der hinteren Gliedmaßen, die den Prosauropoda und Sauropoda fehlen.

Wesentlicher Unterschied ist – neben der Grundkonstruktion des Beckens – die Entwicklung des Praedentale bei den Ornithischia, eines zusätzlichen Unterkieferknochens, der oftmals als Ansatz eines Schnabels dient. Die Segnosauridae mit ihren Schnäbeln und ihrer vegetarischen Lebensweise gemahnen in so manchem an einen plumpen Ornithopoden, dem einfach nur dieses Praedentale fehlt. Umgekehrt weist ausgerechnet die älteste bekannte Familie der Ornithischia, die Heterodontosauridae, eine Gebiß- Spezialisierung auf, wie sie sehr ähnlich nur bei den nicht näher verwandten Säugetieren und ihrem Umfeld vorkommt. Die kräftigen Kiefer mit den großen Eckzähnen sind eigentlich mehr die eines Allesfressers, als die eines reinen Vegetariers.

Ohnehin ist die derzeit gängige Lehrmeinung, die Ornithischia würden von frühen Prosauropoden abstammen, nicht unumstritten. So findet sich beispielsweise bei Chatterjee ein Stammbaum, der die Saurischia als Ganzes den Ornithischia gegenüberstellt. Und tatsächlich sprechen bei Licht betrachtet eigentlich nur zwei Merkmale für die Prosauropoden- Herkunft: die vegetarische Lebensweise und das Primitivmerkmal von fünf Fingern pro Hand. Freilich wird auch von ganz frühen Prosauropoden angenommen, daß sie Allesfresser waren, und umgekehrt haben sich aus kleinen, Fleisch fressenden Theropoden sogar pflanzenfressende Formen entwickelt.

Was die Anzahl der Finger anbelangt, so haben wir schon im Fall Compsognathus gesehen, daß Variationen möglich sind. Ich selbst kann bezeugen, daß das im Londoner Museum of Natural History aufgestellte Skelett von Triceratops mit fünf Zehen pro Vorderfuß rekonstruiert worden ist, das im Frankfurter Senckenberg- Museum aber nur mit vier. Die Mainzer Paläontologin Annette Richter hat mich damals noch kleinen Geologie- Studenten dahingehend aufgeklärt, daß solche Variationen gar nicht mal so selten sind.

Aber lassen wir derartige atypische Erscheinungen außen vor, so begann die Ahnenreihe der Theropoda (und der Dinosauria als Ganzes) mit fünffingrigen Formen (Lagerpeton, Dromomeron, Lagosuchus, Staurikosaurus, Chindesaurus). Erst von Herrerasaurus, Eoraptor und den Ceratosauria an fand eine allmähliche Reduktion auf vier, dann mit den Coelophysoidea auf drei Finger statt. Archaeopteryx hatte nur drei Finger pro Flügel.

Bei Byron Preiss ist auch der zu den Podokesauriern gehörende Syntarsus bereits mit Federn bekleidet, die ihm ein drollig indianisches Erscheinungsbild geben. Gregory Scott Paul rechnet ihn zur Gattung Coelophysis (und die Podokesauridae sind für ihn Coelophysidae), doch den putzigen Sioux- Kopfschmuck hat er beibehalten. Jener Dinosaurier aber lebte in der Obertrias, und verfügte immerhin noch über vier Finger pro Hand.

Wir haben also ein wohl gezimmertes Bild von Vogel- ähnlichen Dinosauriern und Dinosaurier- ähnlichen Vögeln, die irgendwann früh im Oberjura ineinander übergegangen sein müssen.

Tja, und dann platzte Sankar Chatterjees lange angekündigte Veröffentlichung zu Protoavis in den so sorgfältig gezimmerten Stammbaum hinein. Ein unvollständiger Fund aus der Obertrias, also 60 bis 75 Millionen Jahre älter als der angenommene Ursprung der Vögel. Und nicht nur das wäre eine Sensation: In mehreren Details wirkt Protoavis sogar noch fortschrittlicher als Archäopteryx, aber das auf zum Teil unerwartete Weise. So verschmelzen die Finger bereits, aber nichtsdestotrotz ist noch ein vierter Finger in Resten vorhanden – Archäopteryx und alles, was ihm nachfolgte, hatten den nicht mehr. Ja, Herr Chatterjee hat sogar Ansatzpunkte für Federn beschrieben.

Natürlich paßt diese Kreatur keinesfalls in das Bild, das man zur gültigen Lehrmeinung erklärt hatte, und entsprechend schroff waren die Reaktionen. Viele der angeführten Merkmale wurden als „schlecht“ oder „nicht erkennbar“ in Zweifel gezogen, und das Geschöpf schließlich in einzelne Bestandteile aufgegliedert, die jeweils denen anderer Tiere ähnelten. So ähnelte der Oberschenkelknochen dem eines Ceratosauriden, die cervicalen Wirbel und der allgemeine Schädelbau denen von Drepanosauriern und der Hirnschädel dem von Troodon. Es verwundert nicht, unter diesen „Zerstücklern“ auch Louis Chiappe zu finden, der sich bei der Beschreibung gefiederter Maniraptora große Verdienste erworben hat.

Schlußendlich ist dieser Fund der zweiten Auflage des Standardwerkes Dinosauria keine Abbildung wert; da wird er unter „Nomen dubium“ gerade mal als „zusammengeschwemmtes Material“ erwähnt. Dabei wäre es wirklich erstaunlich, sollte es sich bei Protoavis tatsächlich um eine Art Frankenstein- Kreatur aus den Leichenteilen unterschiedlicher Spezies handeln. Denn soweit ich es dem Bericht auf WikiFossils entnehmen kann, scheint kein noch so unscheinbarer Knochen doppelt zu sein. Allerdings haben die Bestandteile ohnehin sehr verstreut, und dazu arg unvollständig vorgelegen, und selbst Chatterjee hat aufgrund der leichten Größenunterschiede spekuliert, ob er auf die Überreste zweier Individuen unterschiedlichen Alters gestoßen war.

Folgen wir allerdings Chatterjees Kritikern und halten das Fossil für eine Chimäre, offenbart sich uns eine Sensation, die eigentlich fast so groß ist wie die eines triassischen Vogels. Denn ausgerechnet einer der Kontrahenten, Louis Chiappe, betont die starke Ähnlichkeit von Protoavis‘ Schädel mit dem von Troodon formosus. Wenn er seinem Kollegen damit nicht unterstellen wollte, den Befund vorsätzlich gefälscht zu haben, so kann er damit nur gemeint haben, in jenen Schichten der oberen Trias wäre der Schädel eines Troodontiden gefunden worden. Troodontiden aber tauchen noch später im Fossilbericht auf als Urvögel!

Sollte Chiappe recht behalten, wäre auch Chatterjee teilweise bestätigt, und es hätte schon 65 Millionen Jahre vor Archaeopteryx vogelähnliche Dinosaurier gegeben. Zu einer Zeit, in der sich die Ornithischier noch nicht abgespalten hatten, und schon gar nicht die Maniraptora. Damit ergäben sich für die Ahnentafel völlig neue Möglichkeiten, und sogar ein gemeinsamer Vorfahr der beiden genannten Gruppen denkbar, mit einem schon nach der von Deinonynchus antirrhopus bekannten Veränderung in der Stellung des Pubis, daß der Übergang vom Echsen- zum Vogelbecken nurmehr ein kleiner Schritt war.

Freilich ist die These ein wenig zu ketzerisch, und es fehlt an Befunden, um sie zu bestätigen. Man kann mehr wissenschaftliche Lorbeeren ernten, indem man kleinen Raubdinosauriern Vogelbecken andichtet.

Und daß das „Andichten“ gar nicht mal so selten ist, zeigt die Tatsache, daß es 1999 zu einem wahren Skandal gekommen ist. Man darf argwöhnen, daß es einige Vertreter der Abstammung von Coelurosauriern/ Maniraptora geärgert hat, immer noch Ungläubige vorzufinden, die sich mit aller Medienpräsenz und Meinungshoheit nicht bekehren ließen. Aber wenn man schon die Position eines Knochens einer propagierten Theorie anpassen kann, warum nicht gleich ein ganzes Fossil? Schon präsentierte Christopher P. Sloan in der National Geographic (Artikel: Feathers for T. Rex?) einen in China gefundenen Archaeoraptor als direkte Übergangsform zwischen kleinen Theropoden und Archaeopteryx. Doch wer besondere Funde liefert, sollte sich auch auf besondere Untersuchungen gefaßt machen... oder sich selbst rechtzeitig aus dem Staub. In den folgenden Jahren stellte sich heraus, daß es sich bei Archaeoraptor um eine waschechte Fälschung handelte: Knochen eines frühen Vogels (Yanornis) waren mit denen von Microraptor und eines weiteren Tieres zu einem vollständigen Skelett arrangiert worden. Und wer den Willen hatte zu glauben, der hatte blind geglaubt... Beizeiten sind die Unterschiede zwischen Religion und Wissenschaft so fließend, daß man versucht ist, die historische Bedeutung von Aufklärung, Säkularismus und Laizismus in Zweifel zu ziehen.

Nichtsdestotrotz hat dieser kurze Abriß gezeigt, wie sehr sich das Bild der Dinosaurier und der Ahnen der Vögel gewandelt hat. „Wo Hu Zang Long“, das ist eine chinesische Redewendung, und heißt übersetzt: „Lauernder Tiger, verborgener Drache“. Es bedeutet ungefähr soviel wie: „Selbst im banalsten Alltag kann plötzlich das Besondere hereinbrechen“ (oder etwas schlampiger übertragen: „Unverhofft kommt oft“). Und dies trifft in diesem Kapitel ganz besonders auf „Drachen“ aus dem Reich der Mitte zu, die manchmal sogar ein „Long“ im Namen tragen.

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