Die Bewandtnis mit Atlantis: 3. Der archäologische Befund - Als die Sahara noch grün war...
3. Der archäologische Befund
Als die Sahara noch grün war, und Saïs nicht gegründet: Nordafrika
Als die Sahara noch grün war, und Saïs nicht gegründet: Nordafrika
Eine nennenswerte Veränderung findet erst ab vielleicht 6450 v. Chr. mit dem Capsien statt, das ein völlig anderes Fundspektrum aufweist, sowie die auch die von den Maglemose- Leuten bekannten Haufen aus Muschel- und Schneckenschalen.
Was das Landesinnere anbelangt, so war die Sahara noch lange Zeit eine Wüste, in Folge der mit den Eiszeiten verbundenen Trockenphasen, welche jeweils die Regenwaldzone um einen kleinen Bereich am Äquator hatten schrumpfen lassen. Erst gegen 8500 v. Chr. fand ein Klimawechsel statt, der das Ödland in eine fruchtbare Savanne verwandelte, und damit auch mesolithische Nomaden anzog. So kennt man aus dem Bereich mehrere Kulturen, von denen einige ungefähr im sechsten vorchristlichen Jahrtausend zum Ackerbau übergingen. Ihre Höhlenmalereien können sich durchaus einem Vergleich mit denen des eiszeitlichen Spanien und Frankreich stellen. Als Nation von Seefahrern jedoch kommt aus verständlichen Gründen keine von ihnen in Betracht. Zwar war dieses Gebiet damals noch reich an Seen, aber Meeresbuchten gab es so tief im Landesinnern nicht mehr.
In Ägypten selbst setzte das Neolithikum um etwa 5000 v. Chr. ein (Funde am Fayum- See). Die Spuren des vorangegangenen Mesolithikums sind bislang noch zu dürftig für eine genauere Klassifizierung. Im fünften vorchristlichen Jahrtausend dürfte die langsam voranschreitende Trockenheit mehr und mehr Nomaden an den Nil getrieben haben, auch wenn die Sahara selbst erst zwischen 3450 und 2800 v. Chr. wieder vollends zur Wüste geworden ist.
Die älteste bekannte Siedlung der Region wurde am früheren Ufer der Senke des Fayum- Sees im Westen Mittelägyptens ausgehoben. Man stellt sie in die Kulturstufe Fayum A gegen 4450 v. Chr. ± 180 Jahre. Nur wenig jünger ist die Merimde- Beni- Salame- Kultur im westlichen Delta. Für beide gilt, daß man inzwischen schon damit begonnen hatte, erste Staudämme und Wehre zu errichten, um die geringe Fläche, die natürlich vom Nil bewässert wird, künstlich zu vergrößern. Jagd und Fischfang bereicherten immer noch den Speiseplan, aber die Landwirtschaft war inzwischen dominant geworden. Glasierte Sicheln aus Feuerstein sind ebenso bekannt, wie erste Silos, in denen noch Körner von Weizen, Buchweizen, Gerste und Flachs nachgewiesen werden konnten. Bei einem solchen Silo handelte es sich zu dieser Zeit allerdings noch um einen geflochtenen Korb mit Lehmüberzug, den man in die Erde eingelassen hatte. Auch die runden bis ovalen Hütten, die sich bisweilen zu Dörfern gruppierten, waren oftmals ein kleines Stück im Boden versenkt. Die Verstorbenen setzte man inmitten der Siedlung bei, wohl um sie weiterhin am Leben der Gemeinschaft teilhaben zu lassen. Der Nachweis erster Grabbeigaben (Getreidekörner in Kopfhöhe der Bestatteten) läßt vermuten, daß man jetzt schon von einem Dasein nach dem Tod ausgegangen ist.
Ansonsten benutzte man Spinnwirtel und eine noch recht grobe Keramik, verarbeitete Leder, und hielt sich Rinder, Ziegen, Schafe, Schweine und natürlich Hunde.
Das mittlere Neolithikum ist verhältnismäßig arm an Fundstätten, da hier der Nil eine Periode hoher Suspensionsfracht durchgemacht hat, die mögliche Siedlungsgebiete weithin unter Schlamm begraben hat.
Für das jüngere Neolithikum kennt man eine Reihe von Fundorten aus Oberägypten. Namengebend ist die Stätte Deir Tasa, so daß man diese Stufe Tasien nennt. Ihr entspricht die Kultur von El Omari- Heluan, die wiederum weit im Norden das Delta- Gebiet umfaßt. Sie gehören bereits in die Zeit um 3300 v. Chr. ± 230 Jahre. Im Sudan, wo Blauer und Schwarzer Nil zusammenfließen, hat man die Kultur von Shaheinab aufgestellt (ca. 3490 v. Chr. ± 380 Jahre).
Kennzeichnend sind (vor allem im Norden) Lanzenspitzen aus Feuerstein in Form von Lorbeerblättern. Die El Omari- Heluan- Kultur beginnt auch mit dem für die spätere Pharaonenzeit wichtigen Schliff von Steingefäßen. Auch sind hier die Häuser mehr zu Dörfern strukturiert, während man weiter im Süden eher in Weilern lebt. Dafür ist man dort in der Töpferei fortschrittlicher, und stellt sowohl schwarze Behältnisse mit weißen Einlagen her, als auch rote mit schwarzem Rand.
Inzwischen haben sich die Bestattungsriten fortentwickelt. Man kennt (zuerst im Tasien) echte Nekropolen am Wüstenrand. Die Toten werden in liegender Hockerstellung beigesetzt, wie es zur selben Zeit auch in weiten Teilen Europas der Brauch ist. In der El Omari- Heluan- Kultur liegen sie dabei auf der linken Seite, mit dem Kopf nach Süden und dem Gesicht nach Westen. Die ovalen Gräber sind oft mit Fell oder einer Matte ausgekleidet, und mit einer Reihe von Beigaben ausgestattet, die auch einem Lebenden nützlich gewesen wären.
Alles in allem scheint es im neolithischen Ägypten bereits einen kulturellen Austausch gegeben zu haben, der nahelegt, daß der Nil auch jetzt schon als wichtigste Verkehrsader fungiert hat.
Das endneolithische (= chalkolithische) oder prädynastische Ägypten läßt weiterhin eine Trennung in eine ober- (zuerst das Badarien, dann das Amratien = Negade I und schließlich das Gerzéen = Negade II) und eine unterägyptische (nacheinander das Fayum B, das Gerzéen und das Meadien) Kultur erkennen. Sehr lang dauern sie allesamt nicht, und sind bis etwa 3000 v. Chr. abgeschlossen. Badarien und Fayum B sind im Grunde genommen nur Varianten ihrer Vorgängerkulturen, zu der man lediglich das Hämmern von Kupfer addieren muß. Die Metallschmelze ist noch unbekannt, und bei den Werkzeugen des Alltags dominiert weiter der Feuerstein. Immerhin sind jetzt aber auch diverse Luxusgegenstände nachgewiesen, so Holzbetten, Flechtmatten und Lederkissen. Kämme und Parfümlöffel werden mit Tiermotiven verziert, und Schminkpaletten erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Auch experimentiert man mit Emailleglasur (vor allem bei Schmuckperlen) und der Verflüssigung von Stein, erreicht aber noch nicht die nötigen Temperaturen, um an Stelle von Fayence echtes Glas zu erzeugen. Weibliche Statuetten aus Ton oder Elfenbein haben vermutlich eine ähnliche kultische Bedeutung gehabt, wie schon anderthalb Jahrtausende zuvor im Nahen Osten und an der Donau. Geringe Fortschritte lassen sich auch bei den Bestattungssitten ausmachen, wo eine Art Holzsarg ohne Boden und Deckel dazu dient, die Toten von den Erdwänden des Grabes abzugrenzen. Vielleicht wollte man so verhindern, daß der einstürzende Grubenrand den Verstorbenen zu früh verschüttet, während die Bestattungsriten noch nicht abgeschlossen sind.
Das Amratien oder Negade I ist nur aus Oberägypten bekannt; im Norden bestehen für diese vielleicht einhundert Jahre währende Periode Fundlücken. Man fängt ganz allmählich an, die Keramik mit geometrischen oder naturalistischen Mustern zu verzieren, entweder gemalt, oder geritzt. Die Erzeugnisse sind teilweise in Tiergestalt gefertigt, und in einem Fall sind einem Becher sogar Menschenfüße modelliert worden. Der Feuerstein dominiert weiterhin gegenüber dem Kupfer, aber man verwendet auch Obsidian, der aus dem Mittelmeerraum importiert worden sein muß. Auch die Steingefäße aus dem Delta- Gebiet finden nun ihren Weg nach Süden. Der Überseehandel ist also schon bekannt. Für weitreichende Kontakte sprechen auch die Figürchen von bärtigen Männern mit Vorderlatz, die ihre Parallelen im libyschen Raum haben. Als Waffe dominiert die Keule mit einem Kopf in Form eines Kegelstumpfes. Gegen Ende dieser Kulturstufe gerät sie außer Gebrauch, doch bleibt sie den nachfolgenden Generationen als Hieroglyphen- Zeichen erhalten. Dies legt den Verdacht nahe, daß die ersten Schriftzeichen bereits während des Amratien entstanden sind.
Ohnehin haben wir inzwischen eine Ära erreicht, die in den Quellen späterer Epochen behandelt wird. Ihnen zufolge soll im Übergangsbereich Amratien/ Gerzéen ein unterägyptisches Reich existiert haben, dessen Hauptstadt Ombos = Nubet sich in der Nähe der Fundstätte Negade befunden haben muß. Der hier herrschende Gott ist Seth gewesen. Ihm gegenüber stand ein Nordreich mit der Hauptstadt Behedet und dem Falkengott Horus.
Das Gerzéen oder Negade II läßt wieder deutlich zwei Zentren erkennen, eines in Ober- und eines in Unterägypten. Das Schwergewicht liegt diesmal im Norden, im Bereich Memphis und Fayum- Senke. Das manchmal mit Weiß verzierte Rot und Schwarz des aus dem Nil stammenden Lehmes weicht in der Keramik nun einem grauen Tonmergel. Man verziert die zum Teil stark stilisierten Erzeugnisse mit Tier-, Pflanzen-, Schiffs- oder Stangen- Motiven. Was die Steingefäße anbelangt, ist die Palette an Ausgangsmaterialien größer geworden. Manche Krug- Typen müssen aus dem palästinensischen Raum importiert worden sein. Für diese überregionalen Kontakte sprechen neben dem weiterhin verwendeten Obsidian auch die Funde von aus dem Sinai stammendem Lapislazuli. Auch in der Metallverarbeitung lassen sich endlich Fortschritte erkennen: kupferne Dolche, Meißel und Harpunen finden sich als Grabbeigaben. Erstmals ist die Bildhauerei in Stein nachgewiesen, und im Norden werden sowohl der falkenköpfige Horus, als auch die kuhköpfige Hathor erstmals auf diese Weise verewigt. Als Waffe bevorzugt man nun eine Keule in Birnenform. Derweil wohnt man in rechteckigen Bauten, die in mehrere Räume unterteilt sind. Dieser Form und diesem Grundriß passen sich auch die Totenhäuser an. Die Verstorbenen ruhen nun mit dem Kopf im Norden, das Gesicht nach Westen ausgerichtet.
Im Süden verschwindet die einheimische Töpfer- Tradition zugunsten der aus dem Norden stammenden. Auch die dort erstmals aufgetretene Birnen- Keule ersetzt die mit dem Kegelkopf.
Den späteren Quellen zufolge hat es im Gerzéen zwischen dem Nordstaat von Behedet (unter Horus) und dem Südstaat von Ombos (unter Seth) einen Kampf gegeben. Derzeit ist es die Lehrmeinung, daß die Niederlage Seths auch für eine Unterwerfung des Südens steht. Dies würde auch die Verschiebungen im Fundmaterial erklären. Für verschwindend kurze Zeit muß es einen ersten Gesamtstaat gegeben haben, der vermutlich von Heliopolis (nahe Kairo) aus regiert worden ist.
Besonders langlebig ist dieses politische Gebilde aber nicht gewesen. Der Süden machte sich im späten Gerzéen oder Sémaïnien erneut unabhängig, nun mit El Kab als Kapitale, über das die Geiergöttin Nechbet gebot. Umgekehrt machte man im Norden Buto zum Regierungssitz, das der Schlangengöttin Uadjet unterstand. Zum ersten Mal sind uns jetzt auch einige der Herrscher beider Reiche bekannt, denn auf dem an dieser Stelle leider stark beschädigten Palermo- Stein aus der V. Dynastie (um ca. 2500 v. Chr.) findet sich eine Reihe von Potentaten, die bis zu sieben Jahrhunderte vor die endgültige Vereinigung des Reiches zurückreichen. Die einen tragen die rote Krone Unterägyptens, die andere die weiße Krone Oberägyptens. Manche von ihnen tragen zwischenzeitlich auch beide. Insgesamt hat man sieben Pharaonen Unter-, und fünfzehn Pharaonen Oberägyptens identifizieren können.
Unterdessen verwischen die Grenzen zwischen den beiden Machtbereichen im archäologischen Spektrum immer mehr. Der Mensch selbst wird nun ein häufiges Motiv in der Kunst. In Hierakonpolis ist erstmals die Wandmalerei nachgewiesen, für die das Reich am Nil später so bekannt gewesen ist. Auch die wohl aus der Elfenbeinschnitzerei des Badarien entwickelte Reliefverzierung taucht erstmals auf. Man verziert die schiefernen Schminkpaletten.
Die Dauer der im Norden Meadien genannte Epoche schließlich ist nicht ganz geklärt: Sie mag ganze 250, ober aber auch nur 50 Jahre gedauert haben. Sie bezeichnet den Sieg des Südens über den Norden, wo das Formenspektrum der Keramik- Verzierungen mehr und mehr verarmt. Dafür wird der Triumph im oberägyptischen Hierakonpolis = Nechen durch mehrere Darstellungen auf Schminkpaletten und Birnenkeulen dokumentiert. Auf einer der letztgenannten wird ein Skorpionkönig (= Menes???) als Sieger über die als Kiebitze und Bögen dargestellten Gegner dargestellt. Er trägt die Krone Oberägyptens und beschäftigt sich mit einem Gründungsritus. Das Bruchstück einer weiteren Keule zeigt ihn auch mit der Krone Unterägyptens.
Aus der selben Zeit stammt auch eine Schminktafel, auf welcher der bereits historische Pharao Narmer (= Menes?) auf der einen Seite die Krone Ober-, und auf der anderen die Unterägyptens trägt. Die letztgenannte Abbildung zeigt ihn auf dem Schlachtfeld, mit enthaupteten Feinden zu seinen Füßen.
Hier aber haben wir schon das historische Ägypten erreicht. Wichtig aber ist für uns die rote Krone Unterägyptens. Traditionell wird sie nämlich mit Neith verbunden, der Stadtgöttin von Saïs. Kurz vor der Unterwerfung hat sich hier die Kapitale des Nordens befunden. Die Stadt, in der Solon das Wissen um Atlantis erhalten haben sollte, verfügt also tatsächlich über ein relativ hohes Alter. Zumindest gab es sie schon vor Einsetzen der ersten Dynastie Gesamt- Ägyptens. Freilich hat zunächst das weiter im Norden gelegene Buto dominiert (und davor Behedet), so daß der Ort erst im Verlauf des Gerzéen, oder gar des Meadien wichtig geworden sein kann. Möglicherweise ist er um diese Zeit erst erbaut worden.
Aber selbst, wenn wir ein ziemlich großzügiges 3400 v. Chr. als Gründungsjahr der Siedlung annehmen, so ist für diese Zeit vielleicht schon mit den Anfängen der Hieroglyphen- Schrift, aber sicher nicht mit echten Chroniken zu rechnen. Das heißt, man muß noch ein paar Jahrhunderte warten, bis man auf Aufzeichnungen stößt, die sich geschichtlich verwerten lassen. So werden die Reiche von Ombos und Behedet erst in späterer Zeit erwähnt, wie auch die Herrscher vor der ersten Dynastie. Nun mag man argumentieren, sie wären ja schließlich doch festgehalten worden, und bis dahin hätte die mündliche Überlieferung perfekt funktioniert. Aber dann wiederum wissen wir nichts über die Verhältnisse vor Ombos und Behedet: Hier war das Vergessen schneller als die Dokumentation gewesen. Und in noch späteren Epochen kennt man gar keine menschlichen Pharaonen vor Menes/ Narmer mehr, und postuliert stattdessen eine mystische Vorzeit, in der die Götter selbst geherrscht hätten (z. B. Horus von Behedet über das Nordreich und Seth von Ombos über das Südreich). Angesichts dieser Verhältnisse ist nicht mit einigermaßen glaubwürdigen Notizen zum Aufstieg und Fall eines Inselreiches zu rechnen. Schon gar nicht mit zeitgenössischen.
Es sieht also ganz so aus, als wäre um 9600 v. Chr. niemand da gewesen, um den Untergang eines Eilands namens Atlantis zu protokollieren.
Was das Landesinnere anbelangt, so war die Sahara noch lange Zeit eine Wüste, in Folge der mit den Eiszeiten verbundenen Trockenphasen, welche jeweils die Regenwaldzone um einen kleinen Bereich am Äquator hatten schrumpfen lassen. Erst gegen 8500 v. Chr. fand ein Klimawechsel statt, der das Ödland in eine fruchtbare Savanne verwandelte, und damit auch mesolithische Nomaden anzog. So kennt man aus dem Bereich mehrere Kulturen, von denen einige ungefähr im sechsten vorchristlichen Jahrtausend zum Ackerbau übergingen. Ihre Höhlenmalereien können sich durchaus einem Vergleich mit denen des eiszeitlichen Spanien und Frankreich stellen. Als Nation von Seefahrern jedoch kommt aus verständlichen Gründen keine von ihnen in Betracht. Zwar war dieses Gebiet damals noch reich an Seen, aber Meeresbuchten gab es so tief im Landesinnern nicht mehr.
In Ägypten selbst setzte das Neolithikum um etwa 5000 v. Chr. ein (Funde am Fayum- See). Die Spuren des vorangegangenen Mesolithikums sind bislang noch zu dürftig für eine genauere Klassifizierung. Im fünften vorchristlichen Jahrtausend dürfte die langsam voranschreitende Trockenheit mehr und mehr Nomaden an den Nil getrieben haben, auch wenn die Sahara selbst erst zwischen 3450 und 2800 v. Chr. wieder vollends zur Wüste geworden ist.
Die älteste bekannte Siedlung der Region wurde am früheren Ufer der Senke des Fayum- Sees im Westen Mittelägyptens ausgehoben. Man stellt sie in die Kulturstufe Fayum A gegen 4450 v. Chr. ± 180 Jahre. Nur wenig jünger ist die Merimde- Beni- Salame- Kultur im westlichen Delta. Für beide gilt, daß man inzwischen schon damit begonnen hatte, erste Staudämme und Wehre zu errichten, um die geringe Fläche, die natürlich vom Nil bewässert wird, künstlich zu vergrößern. Jagd und Fischfang bereicherten immer noch den Speiseplan, aber die Landwirtschaft war inzwischen dominant geworden. Glasierte Sicheln aus Feuerstein sind ebenso bekannt, wie erste Silos, in denen noch Körner von Weizen, Buchweizen, Gerste und Flachs nachgewiesen werden konnten. Bei einem solchen Silo handelte es sich zu dieser Zeit allerdings noch um einen geflochtenen Korb mit Lehmüberzug, den man in die Erde eingelassen hatte. Auch die runden bis ovalen Hütten, die sich bisweilen zu Dörfern gruppierten, waren oftmals ein kleines Stück im Boden versenkt. Die Verstorbenen setzte man inmitten der Siedlung bei, wohl um sie weiterhin am Leben der Gemeinschaft teilhaben zu lassen. Der Nachweis erster Grabbeigaben (Getreidekörner in Kopfhöhe der Bestatteten) läßt vermuten, daß man jetzt schon von einem Dasein nach dem Tod ausgegangen ist.
Ansonsten benutzte man Spinnwirtel und eine noch recht grobe Keramik, verarbeitete Leder, und hielt sich Rinder, Ziegen, Schafe, Schweine und natürlich Hunde.
Das mittlere Neolithikum ist verhältnismäßig arm an Fundstätten, da hier der Nil eine Periode hoher Suspensionsfracht durchgemacht hat, die mögliche Siedlungsgebiete weithin unter Schlamm begraben hat.
Für das jüngere Neolithikum kennt man eine Reihe von Fundorten aus Oberägypten. Namengebend ist die Stätte Deir Tasa, so daß man diese Stufe Tasien nennt. Ihr entspricht die Kultur von El Omari- Heluan, die wiederum weit im Norden das Delta- Gebiet umfaßt. Sie gehören bereits in die Zeit um 3300 v. Chr. ± 230 Jahre. Im Sudan, wo Blauer und Schwarzer Nil zusammenfließen, hat man die Kultur von Shaheinab aufgestellt (ca. 3490 v. Chr. ± 380 Jahre).
Kennzeichnend sind (vor allem im Norden) Lanzenspitzen aus Feuerstein in Form von Lorbeerblättern. Die El Omari- Heluan- Kultur beginnt auch mit dem für die spätere Pharaonenzeit wichtigen Schliff von Steingefäßen. Auch sind hier die Häuser mehr zu Dörfern strukturiert, während man weiter im Süden eher in Weilern lebt. Dafür ist man dort in der Töpferei fortschrittlicher, und stellt sowohl schwarze Behältnisse mit weißen Einlagen her, als auch rote mit schwarzem Rand.
Inzwischen haben sich die Bestattungsriten fortentwickelt. Man kennt (zuerst im Tasien) echte Nekropolen am Wüstenrand. Die Toten werden in liegender Hockerstellung beigesetzt, wie es zur selben Zeit auch in weiten Teilen Europas der Brauch ist. In der El Omari- Heluan- Kultur liegen sie dabei auf der linken Seite, mit dem Kopf nach Süden und dem Gesicht nach Westen. Die ovalen Gräber sind oft mit Fell oder einer Matte ausgekleidet, und mit einer Reihe von Beigaben ausgestattet, die auch einem Lebenden nützlich gewesen wären.
Alles in allem scheint es im neolithischen Ägypten bereits einen kulturellen Austausch gegeben zu haben, der nahelegt, daß der Nil auch jetzt schon als wichtigste Verkehrsader fungiert hat.
Das endneolithische (= chalkolithische) oder prädynastische Ägypten läßt weiterhin eine Trennung in eine ober- (zuerst das Badarien, dann das Amratien = Negade I und schließlich das Gerzéen = Negade II) und eine unterägyptische (nacheinander das Fayum B, das Gerzéen und das Meadien) Kultur erkennen. Sehr lang dauern sie allesamt nicht, und sind bis etwa 3000 v. Chr. abgeschlossen. Badarien und Fayum B sind im Grunde genommen nur Varianten ihrer Vorgängerkulturen, zu der man lediglich das Hämmern von Kupfer addieren muß. Die Metallschmelze ist noch unbekannt, und bei den Werkzeugen des Alltags dominiert weiter der Feuerstein. Immerhin sind jetzt aber auch diverse Luxusgegenstände nachgewiesen, so Holzbetten, Flechtmatten und Lederkissen. Kämme und Parfümlöffel werden mit Tiermotiven verziert, und Schminkpaletten erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Auch experimentiert man mit Emailleglasur (vor allem bei Schmuckperlen) und der Verflüssigung von Stein, erreicht aber noch nicht die nötigen Temperaturen, um an Stelle von Fayence echtes Glas zu erzeugen. Weibliche Statuetten aus Ton oder Elfenbein haben vermutlich eine ähnliche kultische Bedeutung gehabt, wie schon anderthalb Jahrtausende zuvor im Nahen Osten und an der Donau. Geringe Fortschritte lassen sich auch bei den Bestattungssitten ausmachen, wo eine Art Holzsarg ohne Boden und Deckel dazu dient, die Toten von den Erdwänden des Grabes abzugrenzen. Vielleicht wollte man so verhindern, daß der einstürzende Grubenrand den Verstorbenen zu früh verschüttet, während die Bestattungsriten noch nicht abgeschlossen sind.
Das Amratien oder Negade I ist nur aus Oberägypten bekannt; im Norden bestehen für diese vielleicht einhundert Jahre währende Periode Fundlücken. Man fängt ganz allmählich an, die Keramik mit geometrischen oder naturalistischen Mustern zu verzieren, entweder gemalt, oder geritzt. Die Erzeugnisse sind teilweise in Tiergestalt gefertigt, und in einem Fall sind einem Becher sogar Menschenfüße modelliert worden. Der Feuerstein dominiert weiterhin gegenüber dem Kupfer, aber man verwendet auch Obsidian, der aus dem Mittelmeerraum importiert worden sein muß. Auch die Steingefäße aus dem Delta- Gebiet finden nun ihren Weg nach Süden. Der Überseehandel ist also schon bekannt. Für weitreichende Kontakte sprechen auch die Figürchen von bärtigen Männern mit Vorderlatz, die ihre Parallelen im libyschen Raum haben. Als Waffe dominiert die Keule mit einem Kopf in Form eines Kegelstumpfes. Gegen Ende dieser Kulturstufe gerät sie außer Gebrauch, doch bleibt sie den nachfolgenden Generationen als Hieroglyphen- Zeichen erhalten. Dies legt den Verdacht nahe, daß die ersten Schriftzeichen bereits während des Amratien entstanden sind.
Ohnehin haben wir inzwischen eine Ära erreicht, die in den Quellen späterer Epochen behandelt wird. Ihnen zufolge soll im Übergangsbereich Amratien/ Gerzéen ein unterägyptisches Reich existiert haben, dessen Hauptstadt Ombos = Nubet sich in der Nähe der Fundstätte Negade befunden haben muß. Der hier herrschende Gott ist Seth gewesen. Ihm gegenüber stand ein Nordreich mit der Hauptstadt Behedet und dem Falkengott Horus.
Das Gerzéen oder Negade II läßt wieder deutlich zwei Zentren erkennen, eines in Ober- und eines in Unterägypten. Das Schwergewicht liegt diesmal im Norden, im Bereich Memphis und Fayum- Senke. Das manchmal mit Weiß verzierte Rot und Schwarz des aus dem Nil stammenden Lehmes weicht in der Keramik nun einem grauen Tonmergel. Man verziert die zum Teil stark stilisierten Erzeugnisse mit Tier-, Pflanzen-, Schiffs- oder Stangen- Motiven. Was die Steingefäße anbelangt, ist die Palette an Ausgangsmaterialien größer geworden. Manche Krug- Typen müssen aus dem palästinensischen Raum importiert worden sein. Für diese überregionalen Kontakte sprechen neben dem weiterhin verwendeten Obsidian auch die Funde von aus dem Sinai stammendem Lapislazuli. Auch in der Metallverarbeitung lassen sich endlich Fortschritte erkennen: kupferne Dolche, Meißel und Harpunen finden sich als Grabbeigaben. Erstmals ist die Bildhauerei in Stein nachgewiesen, und im Norden werden sowohl der falkenköpfige Horus, als auch die kuhköpfige Hathor erstmals auf diese Weise verewigt. Als Waffe bevorzugt man nun eine Keule in Birnenform. Derweil wohnt man in rechteckigen Bauten, die in mehrere Räume unterteilt sind. Dieser Form und diesem Grundriß passen sich auch die Totenhäuser an. Die Verstorbenen ruhen nun mit dem Kopf im Norden, das Gesicht nach Westen ausgerichtet.
Im Süden verschwindet die einheimische Töpfer- Tradition zugunsten der aus dem Norden stammenden. Auch die dort erstmals aufgetretene Birnen- Keule ersetzt die mit dem Kegelkopf.
Den späteren Quellen zufolge hat es im Gerzéen zwischen dem Nordstaat von Behedet (unter Horus) und dem Südstaat von Ombos (unter Seth) einen Kampf gegeben. Derzeit ist es die Lehrmeinung, daß die Niederlage Seths auch für eine Unterwerfung des Südens steht. Dies würde auch die Verschiebungen im Fundmaterial erklären. Für verschwindend kurze Zeit muß es einen ersten Gesamtstaat gegeben haben, der vermutlich von Heliopolis (nahe Kairo) aus regiert worden ist.
Besonders langlebig ist dieses politische Gebilde aber nicht gewesen. Der Süden machte sich im späten Gerzéen oder Sémaïnien erneut unabhängig, nun mit El Kab als Kapitale, über das die Geiergöttin Nechbet gebot. Umgekehrt machte man im Norden Buto zum Regierungssitz, das der Schlangengöttin Uadjet unterstand. Zum ersten Mal sind uns jetzt auch einige der Herrscher beider Reiche bekannt, denn auf dem an dieser Stelle leider stark beschädigten Palermo- Stein aus der V. Dynastie (um ca. 2500 v. Chr.) findet sich eine Reihe von Potentaten, die bis zu sieben Jahrhunderte vor die endgültige Vereinigung des Reiches zurückreichen. Die einen tragen die rote Krone Unterägyptens, die andere die weiße Krone Oberägyptens. Manche von ihnen tragen zwischenzeitlich auch beide. Insgesamt hat man sieben Pharaonen Unter-, und fünfzehn Pharaonen Oberägyptens identifizieren können.
Unterdessen verwischen die Grenzen zwischen den beiden Machtbereichen im archäologischen Spektrum immer mehr. Der Mensch selbst wird nun ein häufiges Motiv in der Kunst. In Hierakonpolis ist erstmals die Wandmalerei nachgewiesen, für die das Reich am Nil später so bekannt gewesen ist. Auch die wohl aus der Elfenbeinschnitzerei des Badarien entwickelte Reliefverzierung taucht erstmals auf. Man verziert die schiefernen Schminkpaletten.
Die Dauer der im Norden Meadien genannte Epoche schließlich ist nicht ganz geklärt: Sie mag ganze 250, ober aber auch nur 50 Jahre gedauert haben. Sie bezeichnet den Sieg des Südens über den Norden, wo das Formenspektrum der Keramik- Verzierungen mehr und mehr verarmt. Dafür wird der Triumph im oberägyptischen Hierakonpolis = Nechen durch mehrere Darstellungen auf Schminkpaletten und Birnenkeulen dokumentiert. Auf einer der letztgenannten wird ein Skorpionkönig (= Menes???) als Sieger über die als Kiebitze und Bögen dargestellten Gegner dargestellt. Er trägt die Krone Oberägyptens und beschäftigt sich mit einem Gründungsritus. Das Bruchstück einer weiteren Keule zeigt ihn auch mit der Krone Unterägyptens.
Aus der selben Zeit stammt auch eine Schminktafel, auf welcher der bereits historische Pharao Narmer (= Menes?) auf der einen Seite die Krone Ober-, und auf der anderen die Unterägyptens trägt. Die letztgenannte Abbildung zeigt ihn auf dem Schlachtfeld, mit enthaupteten Feinden zu seinen Füßen.
Hier aber haben wir schon das historische Ägypten erreicht. Wichtig aber ist für uns die rote Krone Unterägyptens. Traditionell wird sie nämlich mit Neith verbunden, der Stadtgöttin von Saïs. Kurz vor der Unterwerfung hat sich hier die Kapitale des Nordens befunden. Die Stadt, in der Solon das Wissen um Atlantis erhalten haben sollte, verfügt also tatsächlich über ein relativ hohes Alter. Zumindest gab es sie schon vor Einsetzen der ersten Dynastie Gesamt- Ägyptens. Freilich hat zunächst das weiter im Norden gelegene Buto dominiert (und davor Behedet), so daß der Ort erst im Verlauf des Gerzéen, oder gar des Meadien wichtig geworden sein kann. Möglicherweise ist er um diese Zeit erst erbaut worden.
Aber selbst, wenn wir ein ziemlich großzügiges 3400 v. Chr. als Gründungsjahr der Siedlung annehmen, so ist für diese Zeit vielleicht schon mit den Anfängen der Hieroglyphen- Schrift, aber sicher nicht mit echten Chroniken zu rechnen. Das heißt, man muß noch ein paar Jahrhunderte warten, bis man auf Aufzeichnungen stößt, die sich geschichtlich verwerten lassen. So werden die Reiche von Ombos und Behedet erst in späterer Zeit erwähnt, wie auch die Herrscher vor der ersten Dynastie. Nun mag man argumentieren, sie wären ja schließlich doch festgehalten worden, und bis dahin hätte die mündliche Überlieferung perfekt funktioniert. Aber dann wiederum wissen wir nichts über die Verhältnisse vor Ombos und Behedet: Hier war das Vergessen schneller als die Dokumentation gewesen. Und in noch späteren Epochen kennt man gar keine menschlichen Pharaonen vor Menes/ Narmer mehr, und postuliert stattdessen eine mystische Vorzeit, in der die Götter selbst geherrscht hätten (z. B. Horus von Behedet über das Nordreich und Seth von Ombos über das Südreich). Angesichts dieser Verhältnisse ist nicht mit einigermaßen glaubwürdigen Notizen zum Aufstieg und Fall eines Inselreiches zu rechnen. Schon gar nicht mit zeitgenössischen.
Es sieht also ganz so aus, als wäre um 9600 v. Chr. niemand da gewesen, um den Untergang eines Eilands namens Atlantis zu protokollieren.