Vergessene Größe - Wenn ein Wasserschloss ein Tafelgut ist
Wenn ein Wasserschloss ein Tafelgut ist
Ein kleiner Abstecher in die Geschichte des Gutes - jenseits von König Thomas - findet sich hier.
Überall findet man sehr ähnliche Informationen zur Geschichte Wülmersens. Beim Lesen hatte ich gehofft viel Spannendes zu finden und daraus einen Artikel für unsere Rubrik "Vergessene Größe" zu machen. Es ergaben sich nicht viele Daten und noch weniger wirkliche Geschichten. Dennoch hier ein Abschnitt über Wülmersen, selbst auf die Gefahr hin, dass sich irgendwann die vielen Internetquellen alle gegenseitig zitieren.
Als ich 2001 nach Nordhessen kam, hörte ich immer vom "Wasserschloss" und man erzählte mir, dass es sich um ein altes Selbiges handeln würde, das nur zum Gut umgebaut worden wäre.
In der Tat könnte man beim Blick auf die Ruine des Herrenhauses und seines Gewölbes erst einmal annehmen, dass dies stimmen würde. Doch letzten Endes hat sich das "Wasserschloss" als ein sogenanntes "Tafelgut" erwiesen, das zwar in seiner feudalen Bedeutung mächtig verlor, dennoch eine wichtige Aufgabe in der Region wahrnahm.
Tafelgut: Güter, welche dem Landesherrn zur Bestreitung der Tafel und des ganzen Hofstaats von dem Lande ausgesetzt sind, oder auch solche Güter, welche dem Landesherrn eigenthümlich angehören, mit der Krone, wenn es ein Kaiser oder König ist, verbunden sind, und daher auch Kronengüter genannt werden, Franz. Domaines, Kammergüter. Die Domainen liefern dem Regenten auch die Schatullengelder oder Privatgelder zu seinen besondern Ausgaben. - Oeconomischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz
Wülmersen liegt unglaublich malerisch im Diemeltal - die Diemel ist ein Zufluss zur Weser und hat einen langen Weg hinter sich, wenn sie sich am Gut vorbeiwindet und wenige Kilometer weiter nördlich in Bad Karlshafen in die Weser aufgeht.
Immer wieder sieht man in der nebeligen Frühe Fischer mit ihren Ruten am Ufer stehen, und ein Freund von uns hat uns bereits ein paar Mal die schmackhafte Ausbeute serviert, die er dort eingebracht hat.
Seine Lage in einer vergleichsweise weiten, fruchtbaren, gut zu erreichenden und gut zu bearbeitenden Landschaft zwischen Bad Karlshafen und Hofgeismar/Kassel hat Wülmersen interessant gemacht. Generell wird im Landkreis Kassel eher Ackerbau als Viehzucht betrieben - es ist eben eine eher ländlich geprägte Region.
Verwaltungsmäßig gehört Wülmersen zur Stadt Trendelburg. Die Stellen entland der Diemel und von dort aus hinein in die Seitentäler und leichten Höhen waren schon seit der Jungsteinzeit eine beliebte Siedlungsregion. Die Eger, ein sächsischer Stamm, hat in vorchristlicher Zeit offenbar dort gesiedelt.
Ende des achten Jahrhunderts war die Trendelburger Region noch nicht hessisch sondern befand sich im Besitz der Warburger Grafschaft (heute ist Warburg Teil von Nordrhein-Westfalen und gehört zu Ostwestfalen). Im Laufe der Zeit gelangte Wülmersen in den Besitz des Bistum s Paderborn, das zu einer der mächtigsten klerikalen Macht des deutschen Gebietes gehörte: Dem Fürstbistum Mainz, dessen Einflussbereich sich unter anderem auch über den Spessart erstreckte.
Der Bischof von Paderborn am 17. September 1108 war ein gewisser Rethar. Dieser verschenkte Wülmersen (damals als Wilmeressen erstmals urkundlich genannt) an das Kloster Helmarshausen, das nur wenige Kilometer entfernt am Fuße des nächsten Hügelrückens lag, über den man heute auf der Landstraße von Wülmersen nach Bad Karlshafen gelangt.
Heute im Stadtbereich von Bad Karlshafen liegend, war Helmarshausen zu seiner Glanzzeit eine der wichtigsten kirchlichen (und damit kulturellen und sozialen) Einrichtungen der Region mit einem Einfluss, der weit darüber hinaus reichte. Das Kloster stellte eine führende Quelle für Handschriften und Goldschmiedearbeiten dar. Bis nach Skandinavien reichte die Wirkung, die in Helmarshausen erstellte Werke entfalteten. Berühmtes Beispiel für die Kunstfertigkeit und exzellente Arbeit des Kloster ist das Evangeliar von Heinrich den Löwen. Im Jahre 1983 wurde es als Kriegsbeute wieder entdeckt und ist heute eine der wichtigen Preziosen des Domschatzes von Quedlinburg.
Ab da diente das Gut Wülmersen als oben bereits genanntes Tafelgut und trug zur Versorgung der Benediktinereinrichtungen in Helmarshausen bei.
Danach kam es als Lehen in den Besitz der Ritter von Stockhausen, einem alten regionalen Adelsgeschlecht, das auf der Bramburg seinen Sitz hatte. Luftlinie gerade mal knappe 20 Km, war Wülmersen durch den dichten Reinhardswald doch von dem Standort der Burg im Wesertal aus viel weiter entfernt. Hier zeigt sich dann auch die etwas irritierende Lage Wülmersens. Politisch, wirtschaftlich und räumlich ein Teil Nordhessens, liegt dieser "letzte hessische Zipfel" gut 20 Kilometer weiter nördlich liegt als das niedersächsische Göttingen.
Eine Urkunde beschreibt Wülmersen 1778 als
ein Hof, am rechten Ufer der Diemel (...) eine kleine Stunde unterhalb Trendelburg, eine halbe von Helmarshausen, gehört denen von Stockhausen.
Der Niedergang des Hofgutes begann im 20. Jahrhundert und war nicht mehr aufzuhalten. Ab 1960 war die Anlage unbewohnt, herrenlos und verfiel zusehends.
Es ist der Initivative des Landkreises Kassel und eines Vereins zu verdanken, dass es Wülmersen in der heutigen Form überhaupt noch gibt. Die Sandstein- und Fachwerkgebäude hatten sehr gelitten.
Aus dem 12. Jahrhundert stammen die ältesten Teile der Anlage, so zum Beispiel das als Ruine sehr malerische Herrenhaus oder das Brauhaus. Nach dem 30jährigen Krieg wurden an der Südseite des Gutes Wassergräben angelegt, die man heute noch erahnen kann. Inzwischen zugeschüttet sind sie der Grund für die in der Bevölkerung populären Bezeichnung "Wasserschloss".
So feiert - anhand der erstgenannten Urkunde aus dem Jahr 1108 - Wülmersen in diesem Jahr seinen 900. Geburtstag mit einer großen Reihe von Veranstaltungen.
Quellen:
www.rotkaeppchenland.de
www.wuelmersencon.de
www.wasserschloss-wuelmersen.de
http://kassellexikon.hna.de
www.trendelburg.de
wikipedia
Imagebroschüren Landkreis Kassel, Wasserschloss Wülmersen
Jahrbücher Landkreis Kassel
Wer selbst in Wülmersen hausen will, erfährt hier mehr:
Landmuseum Wasserschloss Wülmersen, Dorothea Fellinger, 34388 Trendelburg,
Tel. 05675-7210348, E-Mail: d.fellinger(at)wasserschloss-wuelmersen.de