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Go West! - 14. Juni 2014

Go WestEine Reise in den ›Wilden Westen‹
14. Juni 2014

Jedes Jahr führe ich zwei kleine Reisegruppen durch den Westen der USA.

Dazu lege ich in Facebook ein Reisetagebuch an, das auch im Zauberspiegel erscheinen soll. Es geht zu legendären Orten des Wilden Westen auf den Spuren von Cowboys, Indianern und eines spannenden Stücks Geschichte. - Folgt mir ...


Go WestTombstone
1877 machte der Erzsucher Edward L Shieffelin im Südosten Arizonas, mitten in einer von Schlangen und Apachen beherrschten Wüste, den Fund seines Lebens: Er entdeckte die reichste Silberader Arizonas. Zusammen mit seinem Bruder und dem Erzsachverständigen Dick Gird ließ er einen Claim eintragen, der den Namen „Tombstone“ erhielt – denn noch wenige Wochen zuvor hatten ihn Soldaten in Fort Huachuca verspottet, daß er in der Wüste nur seinen „Grabstein“ finden werde.

Tombstone ist partiell ein in der Zeit eingefrorener Platz. Hier ist das 19. Jh. lebendig. Die Stadt wäre vermutlich dem Schicksal vieler Boomtowns gefolgt, die nach dem Ende der großen Silberfunde sang- und klanglos verschwanden, hätte es nicht das Duell am O.K. Corral gegeben, den berühmtesten Revolverkampf der amerikanischen Pionierzeit.

1878 hatte hier der Silberabbau begonnen. Noch im selben Jahr verkauften die ersten Finder ihre Claims an große Minengesellschaften. Shieffelin war mit einem Schlag Millionär. Dann setzte in großem Stil der Silberabbau ein, und 1879 entstand die Stadt Tombstone, die binnen weniger Wochen zu einem wirtschaftlichen Zentrum Arizonas heranwuchs. Schon im Herbst 1879 gab es hier gut 1.000 Menschen. Wenige Monate später waren es schon 15.000.

Zum Bürgermeister wurde der ehemalige Indianeragent John Clum gewählt, der zugleich die größte Zeitung, den „Tombstone Epitaph“ herausgab. Er gehörte zu den Gründern der „Liga für Recht und Ordnung“, die in Tombstone bürgerliche Verhältnisse einführen wollte – sehr zum Mißbehagen der sogenannten „Rancher“ des Umlands, die tatsächlich von Viehdiebstählen und Grenzschmuggel lebten, und den Inhabern der Rotlicht-Etablissements, für deren Geschäft die chaotischen, wilden Verhältnisse in der Stadt günstiger waren.

Clum, die Minenbesitzer und die „Liga für Recht und Ordnung“ holten die Brüder Virgil, Morgan und Wyatt Earp nach Tombstone, die den Ruf hatten wilde Städte zähmen zu können.

Sie gerieten bald mit den Familien Clanton und McLaury aneinander, auf deren Ranches sich Straßenräuber und Grenzschmuggler sammelten.

In Europa werden die Auseinandersetzungen in Tombstone häufig als persönliche Feindschaft zwischen den Earps und den Clantons dargestellt. Derartige Konflikte in Boomgebieten im amerikanischen Westen hatten aber in der Regel einen weitaus komplexeren Hintergrund. Hier wurden selten persönliche Fehden ausgefochten, sondern es ging um wirtschaftliche und politische Macht. Es ging darum, Pflöcke einzuschlagen, um langfristig zu bestimmen, wer in einem so reichen Bezirk wie dem Apache County, dessen Verwaltungssitz Tombstone war, den Ton angeben durfte, Republikaner oder Demokraten. Es ging darum, Posten zu vergeben, Geld zu verdienen, die Weichen für die Entwicklung des Arizona-Territoriums zu stellen – Tombstone war sogar als Hauptstadt des künftigen Staates im Gespräch.

Die Earps waren Republikaner, genau wie die Mehrheit der bürgerlichen Geschäftsleute in der Stadt. Die Clantons wurden von den Demokraten unterstützt.

Der Konflikt um Macht und Einfluß in der aufstrebenden Silberstadt eskalierte am 26. Oktober 1881, als Deputy US Marshal Virgil Earp, der zugleich Polizeichef der Stadt war, versuchte, die Clantons und McLaurys zu verhaften, die gegen das Verbot des Waffentragens in Tombstone verstoßen hatten.

Er hatte seine Brüder und den befreundeten Doc Holiday zu Deputies ernannt. Am Eingang des O.K. Corral-Mietstalls in der Fremont Street kam es zu dem dramatischern Treffen. Die Clantons griffen zu den Waffen. In ca. 30 Sekunden fielen 30 Schüsse; danach waren Billy Clanton und Tom und Frank McLaury tot.

Eine folgende gerichtliche Untersuchung endete mit einem Freispruch erster Klasse für die Earps, denen bescheinigt wurde, sich völlig im Rahmen ihres Amtes als Gesetzesvertreter verhalten zu haben. Eine vor einigen Jahren noch einmal durchgeführte Überprüfung des Vorgangs und sämtlicher Protokolle durch Juristen der University of Arizona gelangte zu demselben Ergebnis.

Allerdings nahm die Fehde jetzt tatsächlich persönlichen Charakter an. Ike Clanton und seine Freunde wollten Rache. Morgan Earp wurde in einer Billardhalle durch ein Fenster hindurch ermordet. Virgil Earp wurde aus dem Hinterhalt zum Krüppel geschossen.

Wyatt Earp begann, zum Deputy US Marshal ernannt, seinerseits einen Rachefeldzug, an dessen Ende zahlreiche dubiose Elemente des Tombstone-Krieges tot waren. Danach verließen er und Doc Holliday Arizona.

Die Fehde kostete den amtierenden Gouverneur des Territoriums, den einstigen Erforscher des Oregon Trails, John Fremont, das Amt, und zeitweise schien es, als würde der amerikanische Präsident Hayes eingreifen und Truppen schicken..

Mit dem Tod der Hauptunruhestifter trat jedoch Ruhe ein. Wenige Jahre später brach Wasser in die Minen von Tombstone ein und beendete den Silberboom. Die Stadt sank fast zur Ghosttown ab. 1929 verlor Tombstone den Rang als County-Hauptstadt. Im selben Jahr hoben einige Einwohner ein nostalgisches Festival aus der Taufe, die „Helldorado-Tage“, mit denen die wilde Zeit Tombstones wiederbelebt wurde. Schon damals gab es Menschen, die den „Wilden Westen“ als romantisch-abenteuerliches Spektakel sahen. Tombstone erlebte von diesem Tag an seinen Aufstieg als Touristenhochburg. Es entstand der Spruch von der Stadt, die zu zäh zum Sterben ist, „The Town too tough to die“. Er hat noch immer seine Berechtigung.

Tombstone lebt von seiner Vergangenheit. Der Gunfight, der den Ruhm der Stadt begründete, wird heute mehrmals täglich aufgeführt..Die Stadt pflegt das dramatische Erbe. Autofahren ist im historischen Kern verboten. Nach und nach verschwindet der frühere Asphalt der Allen Street, und man geht auf hölzernen Stepwalks. Die meisten Bürger treten in der Kleidung der 1880er Jahre auf. In Tombstone, so scheint es, ist die Zeit stehengeblieben.

Die Bilder zeigen Straßenszenen aus Tombstone, Szenen des Gunfights und den Crystal Palace, über dem Virgil Earp zeitweise sein Büro hatte. (Bilder 1-7 der Galerie)

Vor den „Cribs“ (Bild 8), den Prostituiertenhütten, die früher ein eigenes Viertel im Rotlichtdistrikt bildeten, von denen noch eine in Tombstone steht, herrschte an den Lohnzahltagen in den Minen Hochbetrieb. Dann standen die Minenarbeiter Schlange. Die Hütten bestanden aus einem Raum mit einem großen Bett und zwei Türen. Wenn ein Kunde durch die Hintertür verschwand, trat der nächste von vorn ein. Mit Glück, wurde das Bettlaken gewechselt.

Viele der Frauen, die hier arbeiteten, endeten im Elend, krank, alkohol- und rauschgiftsüchtig. Das Leben in einer Stadt wie Tombstone hatte nichts mit Romantik zu tun.

Absolut sehenswert das BIRD CAGE THEATER (Bild 9), ein Variete-Bordell, in dem prominente Schauspieler auftraten - aber an der Decke hingen die "Vogelkäfige", in denen sich die Edelprostituierten zur Schau stellten. Und im Keller fand das längste Pokerspiel der amerikanischen Geschichte statt; 8 Jahre, Tag und Nacht. Mindesteinsatz 1000 Dollar (etwa das 30igfache nach unserer Bewertung). Wyatt Earp spielte regelmäßig hier. Vor dem Bird Cage wurde Marshal White von Curly Bill erschossen, der unmittelbar danach von Wyatt Earp festgenommen wurde.

Man trifft die „Brüder Earp“ überall in der Stadt auf ihren Rundgängen, natürlich auch am OK Corral. Wyatt Earp, der 1929 in Kalifornien starb, wurde inzwischen ein Denkmal gesetzt – es steht vor dem Haus, daß er damals gemietet hatte. (Bilder 10 -12)

In dem auf den Bildern 13 und 14 der Galerie zu sehenden  Haus praktizierte der Anwalt, der die Earps im Prozeß verteidigte; er war einer der prominentesten Juristen des Territoriums.

Das Grab von Ed Shieffelin (Bild 15 der Galerie), dem Gründer von Tombstone, liegt weit draußen in der Wüste auf dem alten Claim, wo er die reichste Silberader entdeckte. Er starb mit 49 Jahren.

Eine der entscheidensten Figuren in Tombstone war John Clum, Bürgermeister, Postmaster und Herausgeber des "Tombstone Epitaph" (Bild 16 der Galerie), der heute noch existierenden, ältesten Zeitung Arizonas. Clum hatte ein beeindruckendes Leben. Als Indianeragent von San Carlos gründete er die erste Apachenpolizei, führte die Grundlagen der Selbstverwaltung ein und warf die Armee aus der Reservation weil er der Meinung war, daß die Apachen sich selbst verwalten konnten.

Das Grab der Toten vom OK Coral (Bild 17) ist sicher eines der meistbesuchten Gräber in den USA.


Anmerkung der Redaktion: Dietmar Kuegler hat die Geschichte der Earps und der Clantons auch literarisch verarbeitet. Vor kurzem erschien der nach dieser Reisestation benannte Roman Tombstone in einer Neuauflage mit historischem Anhang bei Blitz.

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