Go West! - 9. Juni 2015
Noch eine Reise in den ›Wilden Westen‹
9. Juni 2015
Auf dem Programm heute stand eine waschechte Geisterstadt, und zwar eine der besterhaltensten und eindrucksvollsten in den USA.
Ich habe auf meinen Reisen in den letzten 35 Jahren wohl an die 100 Ghost Towns besucht. Deren Charakteristika und Bedeutung habe ich in meinem Buch „GEISTERSTÄDTE IM AMERIKANISCHEN WESTEN“ – irgendwann in diesem Jahr auch als eBook erhältlich – exakt beschrieben.
Garnet steht auf meiner persönlichen Favoritenliste ziemlich weit oben – neben Bannack und Bodie. Schon die Anfahrt nach Garnet ist ein Erlebnis für sich. Eine über mehr als 6 Meilen unbefestigte, rumpelige Serpentinenstrecke in die Garnet-Mountains, teilweise so schmal, daß man Angst hat, von vorn könnte ein entgegenkommendes Fahrzeug den Weg versperren. (Es handelt sich um die alte Postkutschen- und Frachtwagenroute.) Schwindelerregende Ausblicke, steile Biegungen. Man fragt sich, wie es Menschen gelingen konnte, in dieser Gegend Bodenschätze zu finden und auf die Idee zu kommen, eine Siedlung zu gründen.
Irgendwann erreicht man einen Waldparkplatz und geht die letzten Meter zu Fuß. Dann öffnet sich eine Schlucht – und auf deren Grund liegt die kleine, verlassene Stadt, bzw. das, was von ihr übriggeblieben ist.
Es beginnt ein steiler Abstieg, und man bewegt sich vorbei an halbverfallenen Hütten, die an die Bilder alter Westernfilme gemahnen.
Wohl schon in den 1870er Jahren, als die ersten Goldsucher das Gebirge durchstreiften, entstand eine erste Siedlung. 1895 bildete sich der Ort „Mitchell“, benannt nach einem Mann, der eine Erzmühle am Eingang der „First Chance Gulch“ errichtete. Schon zwei Jahre später allerdings wurde das Nest in „Garnet“ umgetauft - benannt nach den Halbedelsteinen, die es reichlich in dieser Gegend gab – Garnet = Granat. Gold- und Silberadern wurden entdeckt, später auch Kupfer.
Ein Boom begann. Schon 1898 lebten 1.000 Menschen in Garnet. Es gab vier Ladengeschäfte, vier Hotels, drei Mietställe, zwei Friseure, 13 Saloons, eine Versammlungshalle und eine Schule mit 41 Schülern.
Die Bilder (260 und 261) zeigen den Überblick über das alte Stadtzentrum und einen Teil der Mainstreet.
Noch heute sieht man, daß planlos und wild gebaut wurde. Die noch bestehenden Hütten verstreuen sich ohne erkennbare Ordnung über die Berghänge, meist in der Nähe der mehr als 20 Minen, die täglich Erz förderten. Bis etwa 1917 hatten die Minen von Garnet Gold für ca. 950.000 Dollar gefördert – eine ansehnliche Summe in jenen Tagen, aber zu dieser Zeit war die Bevölkerung auf 150 geschrumpft, und die meisten Minen warfen keinen Gewinn mehr ab.
Als sich der Goldpreis 1934 auf 35 $ pro Unze verdoppelte, kam noch einmal Leben in den kleinen Ort, aber zu Beginn der 1940er Jahre wurde Garnet zur Geisterstadt. Nur der Besitzer des großen Generalstores und ein Hotel hielten aus und hofften auf bessere Zeiten.
Ende der 1940er Jahre gaben auch die letzten Bewohner die Hoffnung auf. 1947 war der Besitzer des Stores gestorben. Seine Erben schenkten den Landbesitz dem Staat Montana, der sich den Resten der kleinen Stadt annahm, die durch ihre einmalige geschützte Lage ein Bild von den wilden Goldrauschtagen liefert, das regelrecht „eingefroren in der Zeit“ ist, wie man in den USA zu sagen pflegt.
Wer das einfache Leben liebt, kann sich für einige Tage in ein paar der alten Goldgräberhütten einmieten – kaltes Wasser aus einer rostigen Pumpe und Plumpsklosett eingeschlossen; aber die Atmosphäre ist unübertrefflich.
Von hier aus fuhren wir in die nächste große Stadt Missoula, um die Nacht zu verbringen.
Das erste Foto (262) zeigt einen der einst 13 Saloons. im Obergeschoß lebte die Familie des Inhabers. (Bild 263)
Auf dem Weg nach Garnet wurde uns ein besonderes Erlebnis beschert: Eine ganze Familie Bighorn-Schafe schien am Wegesrand auf uns zu warten und ließ sich geduldig fotografieren, bevor sie den Weg in die Berge antrat.
Auf dem Weg nach Garnet wurde uns ein besonderes Erlebnis beschert: Eine ganze Familie Bighorn-Schafe schien am Wegesrand auf uns zu warten und ließ sich geduldig fotografieren, bevor sie den Weg in die Berge antrat. (Bild 264)