Go West! - 12. Juni 2015
Noch eine Reise in den ›Wilden Westen‹
12. Juni 2015
Schon die Fahrt nach Fort Benton ist wie eine Tour in eine andere Welt. Stundenlang geht es durch baum- und strauchloses Plainsgebiet, einstmals von riesigen Bisonherden durchzogen. Die Besiedelung ist schwach. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie hier früher die Kolonnen der Blackfoot mit Pferden und Travois zum Missouri gezogen sind, um ihre erbeuteten Pelze an die Händler der American Fur Company zu verkaufen.
Wenn man in die Mainstreet direkt am Ufer des Missouri einbiegt, erblickt man den großen Strom genauso, wie ihn schon Lewis & Clark gesehen haben. (Bilder 295 und 296)
Fort Benton war 1846 für den Handel mit den Blackfoot erbaut worden, nachdem es zuvor schon andere Handelsstationen in dieser Gegend gegeben hatte, deren Position den Indianern allerdings missfallen hatte. Fort Bentons Lage erwies sich als ideal.
Pelzhandelsposten in den 1830er bis 1850er Jahren waren eine Welt für sich. Ein Zentrum des global arbeitenden Pelzhandels, in dem sich Kulturen und Ethnien bündelten. Schotten, Engländer, Franzosen, Spanier, Deutsche, Osteuropäer und weitere Nationalitäten arbeiteten hier mit Dutzenden von Indianervölkern. Man hörte alle möglichen Sprachen, meist Englisch, Französisch und Indianersprachen, oder aber das „Bungee“, die Sprache des Pelzhandels, die gut 100 Wörter umfasste und ein Mischmasch zwischen verschiedenen Sprachen darstellte; von Zeichensprache nicht zu reden.
Der Biberpelz war nicht nur Ware, sondern Währung. Er hatte einen exakten Wert, den weiße und rote Händler genau kannten. (Bilder 297-299)
Durch das wuchtige Tor des Handelspostens gingen alle prominenten Blackfoot-Häuptlinge, wie etwa Crowfoot. Im weiten Umkreis auf der Prärie standen die Tipis der Indianer, während die Dampfpfeifen der „Feuerkanus“ auf dem großen Strom ihre schrillen Signale aussendeten.
Fort Bentons Gründung war möglich geworden durch die Konstruktion von extrem flachgängigen Schaufelraddampfern, den sogenannten „Mountain Boats“, die selbst vollbeladen kaum mehr als 80 cm Tiefgang erreichten und somit den flachen Missouri heraufstampfen konnten. Fort Benton war die letzte Station für diese Schiffe und wurde binnen weniger Jahre zum größten Binnenhafen der USA. Hier kreuzten sich mehrere Überlandwege. Wenn die Frachtschiffe mit ihren Waren von St. Louis eintrafen, wurden Wagentrecks in die Goldfelder Montanas oder nach Kanada beladen. Zurück fuhren die Schiffe mit der wertvollen Pelzfracht.
Fort Benton war die „Wiege Montanas“, wie man heute sagt, die erste Ansiedlung dieses Gebiets, das den heutigen Bundesstaat bildet. Ein frühes Wirtschaftszentrum, dessen Bedeutung erst verfiel, als die Besiedelung dichter wurde und die Eisenbahn Montana erreichte. 1865 hatte die American Fur Company den Posten an die Armee verkauft. Zu diesem Zeitpunkt hatten andere Wirtschaftsgüter den Biberpelz als Handelsware abgelöst.
Die Fotos zeigen einen Red River Karren der Metis, das I. G. Baker-Haus des letzten Bourgeois von Fort Benton, und das Kielboot "Mandan", das gängige Wasserfahrzeug auf dem Missouri. (Bilder 300-302)
Man hat heute den Eindruck, das Fort Benton in einen Dornröschenschlaf gefallen ist, aber das täuscht. Die einsame, ruhige, friedliche Lage zieht Menschen an, die genau diese Atmosphäre suchen. Menschen mit viel Geld, die im Umland der Gemeinde große Ranches gekauft und sich Refugien geschaffen haben.
Am Rande der Stadt liegt zudem das Missouri Interpretive Center, in dessen Museum sich die Winchester von keinem geringeren als Chief Joseph befindet. Dieses Gewehr überreichte Joseph an General Miles, als er mit den Worten „Ich werde nie wieder kämpfen“ für sein Volk, die Nez Perce, kapitulierte. Ferner steht hier eine Berghaubitze (Mountain Howitzer), die am Bear Paw Battlefield im letzten Kampf der Nez Perce im Einsatz war.
In der Nähe fand der letzte Nez-Perce-Kampf statt, bevor das Bear-Paw-Gebiet erreicht wurde, der sogenannte "Cow-Island-Zwischenfall". Daran erinnert ein kleines Denkmal. (Bilder 303-307)
Geschichte ist in Fort Benton mit Händen zu greifen. Meine Reisenden sollten diesen Ort in besonderer Erinnerung behalten, daher hatte ich Zimmer im historischen „Grand Union“ Hotel von 1882 gebucht, einem der ältesten noch existierenden Hotels der Pionierzeit im amerikanischen Westen.
In diesem Haus taucht man in die Glanzzeit von Fort Benton und in das frühe Montana ein. Ein Erlebnis der besonderen Art. (Bilder 308 und 309)
Zuletzt sei noch darauf verwiesen, daß die Region von Fort Benton Lagerplatz der Lewis & Clark Expedition war. Daher steht hier heute das vielleicht schönste Denkmal der beiden Entdecker und der Shoshone-Indianerin Sacajawea mit ihrem Sohn Pompey. Geschaffen wurde diese wunderbare Skulpture von dem unvergessenen Bildhauer Bob Scriver. (Bilder 310 und 311)