Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar - 11. Sulla im Osten

Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar11. Sulla im Osten

Wenn es Sulla überhaupt von Anfang an mitbekommen hatte, daß er zum Staatsfeind erklärt worden war, so hatte er zunächst einmal andere Probleme.

Er sah sich vor die unlösbare Aufgabe gestellt, das bis auf die Aitoler und eine letzte Garnison in Makedonien verlorengegangene Griechenland zurückzuerobern. Dabei war die Staatskasse nach dem Bundesgenossenkrieg leer, und anders als Mithridates und die Griechen hatte er auch keine Kriegsflotte.


Lucius Cornelius Sulla Sogar der Nachschub blieb aus – Sulla war geradezu gezwungen, schnelle Siege zu liefern, wollte er nicht jämmerlich scheitern. Und dabei war er mal wieder so sehr auf den eigenen Ruhm fixiert, daß er die Unterstützung der Makedonier rüde zurückweisen ließ. Die wiederum hatten ihm den Weg bereits freigeräumt, daß die Städte Böotiens – Theben inklusive – nur zu bereit waren, sich Rom wieder anzuschließen. Aber im Norden waren ihm die Makedonier ohnehin lieber, denn von dort war der Hauptstoß der pontischen Armee zu erwarten, und der Cornelier brauchte jemanden, der ihm den Rücken freihielt.

Er wandte sich nach Süden, auf Athen zu. Das konnte er mit den wenigen Leuten, die ihm unterstanden, gerade mal umzingeln. Piräus versuchte er zu erstürmen, aber das mißlang ihm so gründlich, daß er es gleichfalls nur in die Zange nehmen konnte. Zu allem Überfluß gab es mehr Verteidiger als Angreifer, und ein Ausfall folgte auf den nächsten. Die pontische Flotte unter Mithridates‘ griechischem Oberbefehlshaber Archelaos hatte die Seehoheit, so daß auch das Aushungern durch Belagerung nicht so recht gelingen wollte – Sullas eigener Admiral Lucullus war unterdessen damit beschäftigt, in Ägypten, Syrien und Teilen der Ägäis genügend Schiffe für die römische Seite zusammenzubetteln.

Aber der Cornelier nahm die Idee Wallensteins vorweg, daß der Krieg den Krieg ernährt. Seine Truppen plünderten nicht nur das Land aus, sie holzten auch heilige Haine ab (für Belagerungsgerät) und machten selbst vor Tempeln nicht halt, gleich ob in Epidauros, Olympia oder Delphi. Sulla glaubte sich selbst im Bund mit der Aphrodite, so daß er die anderen Götter nicht zu fürchten bräuchte. Einen Paris aus Troia hat solch eine Einstellung der Sage nach schon mal das Leben gekostet, aber der Cornelier konnte mal wieder auf sein Glück vertrauen. Gerade hatte er aus Mangel an Kräften die Belagerung von Piräus aufgeben müssen, da traf eine Gesandtschaft aus Athen ein, um Verhandlungen aufzunehmen. Als die sich dabei auf Theseus und die Rolle ihrer Heimat in den Perserkriegen berief, wurde ihm erst so richtig klar, daß die Frucht nun bereit war, gepflückt zu werden. Er schickte die Legaten brüsk fort, mit der Bemerkung, er sei nicht hier, um Geschichte zu studieren. Noch in der darauffolgenden Nacht (nach Fündling; Christ zufolge in der Nacht zum 1. März 86 v. Chr.) eroberte er die Stadt. Jetzt, wo er seine Truppen nicht mehr auf zwei Orte gleichzeitig verteilen mußte, fiel auch Piräus bald. Bezeichnenderweise war zunächst von 200.000 griechischen Toten die Rede (während über die Zahl der römischen Toten die Decke des Schweigens gehüllt wurde), bis Sulla dann später seine eigene Milde den Feinden gegenüber herauskehrte.

Unterdessen jedoch war Makedonien an Mithridates gefallen, und von den wenigen Schiffen, die Lucullus hatte zusammenkratzen können, fiel ein Großteil Piraten zum Opfer. Sulla sah sich gezwungen, den frisch eingenommenen Hafen dem Erdboden gleichzumachen, damit er nicht dem Gegner in die Hände fallen konnte. Denn schon standen die Pontier im Süden Thessaliens, und wer aus Piräus entkommen war (angeblich 120.000 Leute – Warum hatten sie die Festung bei einer solchen Manpower denn nur aufgegeben?), gesellte sich zu ihnen. Hastig eilte er mit seinen Legionären nach Norden, aber er war bereits zu spät, um noch als erster bei den Thermopylen einzutreffen. Dafür stieß er auf jemanden, den er bisher noch gar nicht auf den Plan gehabt hatte: Cinna hatte selbst eine Vorhut nach Griechenland entsandt, die aber nicht auf Sulla, sondern auf Mithridates gestoßen war. Was davon noch übrig war, schloß sich nur zu bereitwillig den Einheiten des Corneliers an.

Trotzdem konnte der die Ebene Böotiens nicht halten, wo die Reiter und Sichelwagen des Gegners im Vorteil waren. Doch in dem mit Felsen durchsetzten Landstrich bei Chaironeia gelang ihm in der Defensive ein Überraschungsangriff, und die feindlichen Streitwagen rasten in Wälder aus angespitzten Pfählen. Am Schluß schlug er die Invasoren zurück – Bei angeblich nur fünfzehn eigenen Verlusten!

Im Sommer des Jahres 86 v. Chr. trafen die beiden Legionen ein, deren Vorhut zu Sulla übergelaufen war, und ihre Aufgabe war es, den „Volksfeind“ zu verdrängen. Zu allem Überfluß waren die pontischen Truppen mit frischen Kräften verstärkt worden, und nahmen Böotien nun quasi im Handstreich ein. Der Cornelier suchte noch, das Gelände durch gezogene Gräben etwas unwegsamer für die feindliche Kavallerie zu machen, da wurden seine Einheiten überrumpelt und wandten sich zur Flucht. Mit ebenso unglaublichem Glücksvertrauen, wie Lungenvolumen schnappte er sich ein Feldzeichen, rannte dem Gegner entgegen und brüllte: „Ihr aber, wenn euch jemand fragt, wo ihr euren Imperator im Stich gelassen habt, denkt daran, zu sagen: bei Orchomenos, wo er kämpfte!“

Feldzeichen zu beschützen, gehörte freilich zu dem, was zum Drill jedes Legionärs gehörte. Wer schon weglaufen wollte, kam noch einmal seinem Befehlshaber zur Hilfe, und tatsächlich wurden die Pontier abgewehrt. Ja, bei einem Einbruch in deren Lager lösten die Römer nun selbst eine Massenpanik aus, und viele, die Reißaus nahmen, holte sich der Sumpf. Also gelang es dem Cornelier mit einer unglaublichen Fortune, das griechische Festland noch einmal unter seine Kontrolle zu bekommen.

Unterdessen hatte es Cinnas Senatsheer, das Sulla eigentlich verdrängen sollte, an den Hellespont verschlagen, wo der Konsul und Oberkommandant Lucius Valerius Flaccus dann auch noch von seinem Ratgeber Flavius Fimbria geköpft und ersetzt wurde. Mithridates, der gerade damit beschäftigt war, Abtrünnige mit Strafexpeditionen zu maßregeln, wurde völlig auf dem falschen Fuß erwischt, als diese auf anderthalb Legionen zusammengeschmolzene Truppe auf einmal nach Kleinasien übersetzte. Sie war gar dermaßen erfolgreich, daß der pontische Herrscher aus Pergamon fliehen mußte, und zwar in die Inselfestung Pitane, wo er vor der reinen Landstreitmacht sicher war.

Er konnte nicht wissen, daß sich Sullas Faktotum Lucullus in der Zwischenzeit mit seiner ägyptischen Flotte die Inseln der Ägäis vornahm. Mithridates entkam ihm nur deshalb, weil Lucullus sich auf Geheiß des Corneliers weigerte, mit Fimbria zu kooperieren. Trotzdem mußte der Monarch von Pontos ein weiteres Mal flüchten, diesmal nach Lesbos. Allmählich wurde es eng für ihn…

Aber er wäre niemals König geworden, wenn er sich nicht auch auf die Politik verstanden hätte.

Gerade hatte Fimbria Illion niedergebrannt, weil es sich an Sulla gewandt hatte, und nicht an ihn. Gerade hatte er versucht, Lucullus abzuwerben, und dafür Beleidigungen geerntet. Die Zwietracht im römischen Lager war nicht zu übersehen, und spätestens jetzt, wo Ehefrau und Kinder zu ihm ins Feldlager flüchteten, wußte der Cornelier, daß man daheim seine Freunde und Anhänger ermorden ließ.

Also schickte Mithridates seinen griechischen Heerführer Archelaos vor, mit Sulla zu verhandeln, er möge mit pontischer Unterstützung Rom zurückerobern. Stattdessen konterte der Cornelier „mit böser Hilfsbereitschaft“,Archelaos möge sich stattdessen mit römischer Hilfe gegen Mithridates wenden. Als der sich erboste, kein Verräter zu sein, wies Sulla ihn zurecht, daß er ihm nach seinem Angebot keinen Vortrag über Verrat halten solle. Auf diese Weise wurden die Verhältnisse geklärt, und schließlich einigte man sich darauf, die Verhältnisse vor dem Jahr 88 wiederherzustellen. Rom sollte die Provinz Asia zurückerhalten, plus der Landschaft Paphlagonien, und durfte in Bithynien und Kappadokien Könige eigener Wahl einsetzen. Außerdem hatte Archelaos alle Garnisonen auszuliefern. Dazu sollten noch 70 Kriegsschiffe und 2000 Talente von Mithridates kommen, um einen weiteren Ausgriff nach Europa in der Zukunft auszuschließen. Archelaos stimmte zu, und im wesentlichen auch Mithridates, der allerdings Paphlagonien und seine Schiffe behalten wollte. Außerdem meinte Letzterer, daß der Friede mit Fimbria billiger zu haben gewesen wäre.

Als Sulla dies zu Ohren kam, brach sich seine cholerische Seite Bahn, und er zeterte, Mithridates hätte ihm zu Füßen zu fallen, daß er ihm noch die rechte Hand ließe. Auch hier drängt sich wieder einmal der Vergleich mit einem späteren Politiker auf, dem man ebenfalls einen einzigen Hoden im Sack nachsagt. Freilich ist nicht überliefert, ob der Cornelier auch in Teppiche gebissen hat.

Auf jeden Fall aber drohte er, in Asien selbst einzufallen. Da paßte es ganz gut, daß ihn eine Strafexpedition nach Thrakien verschlug, nicht weit vom Hellespont entfernt (Ob bei dieser Gelegenheit ein gewisser Spartacus versklavt wurde, ist nicht überliefert). Auf der asiatischen Seite der Meerenge kam es zum Treffen zwischen Sulla und Mithridates persönlich. Auch hier gab es wieder einen diplomatischen Schwanzvergleich, wer zwischen beiden der Mächtigere war, bis Letzterer schließlich klein beigab. Und siehe da, schon wurde er von dem Cornelier umarmt und geküßt, und galt auf einmal als Freund und Verbündeter des römischen Volkes.

Nur einer noch störte das Bild: Flavius Fimbria! Doch als Sulla seinen anderthalb Legionen entgegen zog, verweigerten die eigenen Soldaten dem Mörder des Flaccus den Treueschwur. Er nahm sich das Leben und erhielt ein ordentliches Begräbnis. Der Cornelier bezog sich auf die aufgepflanzten Häupter in Rom, als er es gestattete, und zwar mit dem selbstgefälligen Kommentar, er wolle sich nicht benehmen wie Marius und Cinna.

Nur wenig später sollte ihn sein Geschwätz von gestern nicht mehr scheren…

Zur Einleitung - Zur Übersicht

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.