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Die Brüder Grimm und ihre Zeit - Die Grimmwelt: Von Ärschlein bis Zettel

Die Grimmwelt: Von Ärschlein bis ZettelDie Brüder Grimm und ihre Zeit
Die Grimmwelt: Von Ärschlein bis Zettel

Wenn man die bisherigen Artikel liest, könnte der Eindruck auftauchen, die Grimms hätten ihren Lebens- und Denkmittelpunkt immer in Kassel und/oder Hessen gehabt. Natürlich stimmt das - und doch auch wieder nicht. Wie schon geschrieben, war die Liebe zwischen den Grimms und Kassel eine Art Hassliebe. Zum einen war sie die Heimatstadt der Familie nach 1805, die Mutter war hier geboren, gestorben und beigesetzt worden, die Geschwister lebten überwiegend hier.

Jacob Ludwig KarlWilhelm CarlWenn Jacob und Wilhelm über Kassel schrieben, war es häufig über die wertvolle, ergiebige Arbeit hier, die Idylle, teilweise auch Ländlichkeit, was von einigen Grimmforschern als Kritik an der politisch engstirnigen hessischen Regierung gesehen wird. Die Träume einer deutschen Revolution nach Napoleon hatten sich zerschlagen, und auch wenn Jacob Grimm als kurhessischer Legationssekretär beim Wiener Kongress 1814/15 anwesend war, konnte er mit seinem moderneren Ansatz in Wien keinen Erfolg haben. Zwar gab es Gleichgesinnte, mit denen er sich dann traf, aber die Ergebnisse des Wiener Kongresses zeigen ja, dass nicht viel verblieben ist, es ging weiter mit den Antireformbewegungen, nicht nur in Kassel.

Von Kassel nach Göttingen
Der Kurfürst Wilhelm I. kehrte 1813 in sein wiederhergestelltes Kurfürstentum zurück. Ein erster Druck der Grimm'schen Märchen war erschienen, sie lernten Dorothea Viehmann kennen, sammelten weiter ihre Märchen, unterbrochen von Auslandsreisen Jacobs (z.B. war Jacob 1813 bei den alliierten Truppen dabei, die auf Paris maschierten, und Wilhelms Krankheit, die diesen immer wieder einholte.

Die Familie bemühte sich um ein geregeltes Leben, die Mutter war 1808 verstorben und hatte die Söhne Lottes Fürsorge hinterlassen, 1814 erhält Wilhelm eine Stelle als kurfürstlicher Sekretär der Bibliothek in Kassel, Jacob ist unterwegs, die beiden stehen in engem Briefkontakt.

Wilhelm I. machte weniger als weiser Regent von sich reden, als eher durch seine absolutistische Regierungsweise, eine Vielzahl außerehelicher Beziehungen und jede Menge unehelicher Kinder, die er teilweise adeligen und/oder legitimieren ließ. Als er 1821 starb, machten sich viele Kasseler Hoffnungen auf politische Veränderungen.

Die Grimms arbeiteten in dieser Zeit an der zweiten Ausgabe der Deutschen Grammatik (Band 1 in Göttingen 1822 erschienen, Band 2 1826). Der stark überarbeitete erste Band der Märchen war 1819 neu aufgelegt worden.

Der Tod des Kurfürsten hatte für die Grimms stärkere Auswirkungen, als man zunächst vermute mochte. Sie hatten eine herausragende Stellung, einen Namen in der deutschen Gelehrtenwelt und dem Bürgertum - aber wenig Geld. Zwar waren sie 1819 zu Ehrendoktoren der Universität Marburg ernannt worden, aber in Kassel fehlten die Mäzene.

Wilhelmine Caroline, Ehefrau von Wilhelm I. von Hessen, Bild von 1818Noch vor dem Kurfürsten war seine Ehefrau gestorben, Kurfürstin Wilhelmine Karoline von Hessen, eine Prinzessin von Dänemark, eine Cousine von Wilhelm. Definitiv galt die Ehe der beiden bis zur ersten Geliebten des Kurfürsten als gut und beispielhaft. Wilhelmine wird als sehr intelligent und gutherzig beschrieben, sie förderte karitative und kulturelle Einrichtungen - unter anderem eben auch die Brüder Grimm. Es war mehr als eine rein "mäzenatische" Beziehung, sie kannten sich persönlich, immerhin war die Bekanntschaft durch die Tante der beiden Brüder zustande gekommen.

Henriette Zimmer, Zeichnung von Ludwig GrimmHenriette, eine Schwester der Mutter (eben jene Tante, die nach dem Tod des Vaters die Erziehung der beiden Jungen in Kassel in die Hände nahm), war erste Kammerfrau der Kurfürstin.

Als Wilhelmines Sohn, Wilhelm II. von Hessen-Kassel an die Regentschaft kam, wurden die Dinge nicht besser, sondern lediglich anders.

Die Grimms hatten nach dem Wechsel der Herrschaft in Hessen mit einer plötzlichen finanziellen Veränderung zu tun. Mit dem Wegfall der Förderung durch die Kurfürstin fehlte ihnen das Geld für den bisherige Wohnsitz in der Wilhelmshöher Straße, und mit Lotte zogen sie in eine schlechtere Wohnung. Vermutlich waren die finanziellen Probleme mit einer der Gründe für Lotte zu heiraten. Sie wollte sicherlich ihre Brüder von der Last der finanziellen Fürsorge für ihre Schwester befreien. Nach Lottes Weggang zogen die beiden Grimms (und teilweise ihrem Bruder) häufiger um und lebten das Leben von unverheirateten Gelehrten.

Wilhelm II., Kurfürst von Hessen-KasselWenn man über die Leistungen Wilhelm II. liest, taucht häufig "agierte wenig ruhmreich" auf. Er versuchte sich mehrfach im Militär, was ihm nur wenig erfolgreich gelang, er war seit 1797 verheiratet, machte aber vor allem von sich reden, dass er seine langjährige Mätresse Emilie Ortlöpp (mit der er seit 1812 zusammen war) bei seinem Einzug nach Kassel 1813 kurzerhand mitbrachte. Sein Verhalten seiner Frau gegenüber war wenig royal. Politisch sorgte er zwar für erste Reformen, blieb jedoch in deutlich konservativen Regierungsstrukturen.

Wilhelm II. war mit Auguste verheiratet, einer Tochter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II., ihrerseits aus einer zerrütteten aufgezwungenen Ehe stammend. Die Probleme des Paares waren mehr als nur Hofgetratsche. Es soll tätliche Auseinandersetzungen gegeben haben, und nachdem die Kurfürstin den Hof verlassen hatte und im Schloss Schönfeld bei Kassel (heute Kassel Wehlheiden) lebte, lebte Wilhelm II. mit seiner Geliebten und späteren zweiten Ehefrau zusammen, teilweise auf Wilhelmshöhe, teilweise in einem der Stadtpaläste in Kassel. Der Zwist des kurfürstlichen Paares wurde mehr oder weniger offen ausgetragen, bis die Kurfürstin 1826 das Land verließ.

Nach dem Tod seines Vaters hatten die politischen Zeichen auf Entspannung gestanden, und die Grimms hatten sich Hoffnungen auf eine positive Veränderung gemacht. Anders als Wilhelm I. war der neue Kurfürst nicht daran interessiert gewesen, eine absolutistische Regierung zu führen. Wilhelm II. hatte sich um Reformen bemüht, blieb jedoch ein konservativer Herrscher, dessen Reformen und Absichten sich gar nicht mit den Vorstellungen des Bürgertums deckten, die sich deutlich mehr versprochen hatten.

Die Konflikte zwischen der Kurfürstin - und ihrem Sohn Friedrich Wilhelm - spitzten sich nicht nur persönlich zu, es wurde auch politisch. Die beiden tauchten bei Hofe kaum noch auf, vielmehr kam es im Schönfelder Schloß zu einem Kreis aus oppositionellen Adeligen und Bürgern. Dieser sogenannte "Schönfelder Kreis" bestand aus Politikern, Künstlern, Angehörigen des Militärs ... unter anderem dem damaligen Oberbürgermeister von Kassel Karl Schomburg, Ludwig Hassenpflug (richtig, Lottes Mann, der später eine erstaunliche Wandlung zu einem führender revisionistischer Minister durchmachte) sogar dem damaligen Kammerherr des Kurfürsten - und eben den beiden Brüdern Grimm.

Sie hatten in dieser Situation die deutlich "besseren Karten". Das moralische Verhalten des Kurfürsten, sich offiziell zu seiner Geliebten zu bekennen und seiner Ehefrau - und Mutter seines Nachfolgers - die zustehende Ehrerbietung zu versagen, sorgte dafür, dass er sich bei Adel und Bürgerschaft unmöglich machte. Die einzelnen Parteien schlugen sich offen auf die jeweilige Seite. Die Stimmung in Kassel spitzte sich immer weiter zu, es kam zu einem anonymen Brief an Wilhelm mit einer Morddrohung, sollten nicht drei Forderungen erfüllt werden, darunter eine Verfassung und die Entfernung der Geliebten vom Hof.

Es ging weiter, bis die Kurfürstin - als die Schwächere in dem Spiel - 1826 das Land gemeinsam mit dem Sohn verließ und in die Niederlande zog. Wilhelm II. reagierte darauf natürlich, sperrte den beiden den Unterhalt ... und es ging weiter.

Zeichnung von Dorothea Grimm, geborene Wild1825 hatte Wilhelm Dorothea Wild geheiratet, eine Bekannte seit Jugendzeiten, die sich in die brüderliche Zweierschaft als Dritte einbrachte. Aus der Ehe gingen Kinder hervor, es scheint eine eher ruhige, unspektakuläre Ehe gewesen zu sein. Jacob blieb unverheiratet.

Als Mitglieder des Schönfelder Kreises scheinen sie sich bei Hofe unbeliebt gemacht zu haben (ziemlich wahrscheinlich sogar, da der Kurfürst sich sogar die Mühe machte, den Kreis durch Versetzungen und Drohungen zu sprengen), und als ein Nachfolger für den Ersten Bibliothekar gesucht wurde, ersuchten die beiden Brüder darum, ihnen den Posten des Ersten und des Zweite Bibliothekars zu übertragen. Kein Wunder, Wilhelm II. lehnte ab. Die Brüder Grimm schäumten zwar vor Wut, blieben jedoch zunächst in Kassel. Die finanzielle Situation spitzte sich immer weiter zu. Schließlich folgten sie denn doch dem Ruf nach Göttingen an die dortige Universität, ein Ansinnen, das schon seit Jahren an die beiden gerichtet worden war. Bisher hatten sie jedoch immer abgelehnt.

Irgendwann jedoch wurde das finanziell attraktive Angebot zu interessant, und die Aussichten, in der damals größten deutschen Universitätsbibliothek zu arbeiten und zu lehren, doch verlockender als der Verbleib in Kassel. Also kam es dazu, dass Jacob als der "Berufenere" ordentlicher Professor und Bibliothekar wurde, Wilhelm zunächst nur Bibliothekar, ab 1831 außerordentlicher, ab 1835 ordentlicher Professor.

Wilhelm II. soll, als er von dem Weggang der beiden erfuhr, gesagt haben: "Die Herren Grimms gehen weg! Großer Verlust! Sie haben nie etwas für mich getan."

In Göttingen und zurück nach Kassel
Die Zeit in Göttingen war nicht so produktiv, ruhig und erfolgreich, wie es sich die Grimms wohl erhofft haben werden. Wilhelm erkrankt erneut, bekommt eine Lungenentzündung, hustet Blut, ist weitgehend arbeitsunfähig, erst 1831 stabilisiert er sich. Auch seine Ehefrau und der Sohn Hermann sind krank.

Zeichnung von Ludwig Grimm, 1830, Jacob Grimm vor seinen Studenten in Göttingen Aber sehr lange dauerte ihr "Göttinger Zwischenspiel" ohnehin nicht. Die finanzielle Sicherheit tut sicherlich gut, sie sind jedoch deutlich stärker beruflich gefordert, und statt nur drei Stunden täglich für die Belange des Kurfürsten aufzuwenden, muss Jacob viele Stunden damit zubringen, ein neues Ordnungssystem für die Bibliothek aufzubauen, seine Vorlesungen vorzubereiten und zu dozieren. So bleibt den Brüdern jetzt wesentlich weniger Zeit dafür, sich ihren wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen. Es ist noch die Zeit vor dem Deutschen Wörterbuch, ihrem Alterswerk, und den Märchen, ihrem Jugendwerk. In diese "Zwischenphase" fallen Arbeiten/Veröffentlichungen wie der dritte Band der Deutschen Grammatik, ein Werk zu "Deutsche Mythologie", während Wilhelm Grimm intensiv an der Dichtung des Mittelalters arbeitet.

In die Zeit in Göttingen fällt der Tod von Lotte, ihrer einzigen Schwester, Jacob war zeitweise Mitglied der staatlichen Prüfungskommission für Schulamtskandidaten in Göttingen, zeitweilig sogar Vorsitzender, und unternahm eine Studienreise nach Belgien und Frankreich.

1837, man feierte in Göttingen das 100-jährige Jubiläum der Georg-August-Universität Universität Göttingen, waren Jacob und Wilhelm dabei, kurz darauf bestieg in England Victoria den Thron und löste damit eine Kettenreaktion aus, die für die beiden Grimms deutliche Folgen haben würde.

Herzog Ernst August von Cumberland, ab 1837 König von Hannover Victoria war ja gar nicht als Königin vorgesehen (siehe auch den Artikel über Queen Victoria/Serie), da jedoch keine "geeigneten" Männer als Thronfolger vorhanden waren, wird sie Königin - in England machbar, in Hannover verboten. Dort sind Frauen nämlich von der Erfolge ausgeschlossen, da das königlich hannoversche Hausgesetz aussagt, dass nur bei einem vollständigen Aussterben der männlichen Linie Victoria auch den hannoverschen Thron hätte erben können. Da es aber genug männliche Nachkommen gab, war dies nicht der Fall. Entsprechend wurde ihr Onkel, Herzog Ernst August von Cumberland König von Hannover und trat 1837 die Regierung in Hannover an.

Zwar war Ernst August in Göttingen während des Studiums gewesen, hatten Jahre als Soldaten in der hannoverschen Armee verbracht, er hatte sich jedoch wenig Hoffnungen auf eine aktive Rolle in der Politik des Königreiches Hannover gemacht - bis sich andeutete, dass Victoria Queen werden würde, und damit die Frage der Regentschaft in Hannover beantwortet werden müsste.

Ernst August war alles andere als ein moderner Herrscher, er galt als erzkonservativ, war energisch gegen eine Lockerung der Repressalien gegen katholische Gläubige, und als er die Regentschaft in Hannover antrat, entlockten ihm eine vergleichsweise liberale Verfassung, die der König von England noch erlassen hatte, keine Freudenrufe. Nach kurzer Prüfung erließ Ernst August ein Edikt, das die seit 1833 bestehende Verfassung aufhob. Jedoch hatten alle Staatsdiener - und mit ihnen die Professoren der Universität in Göttingen - einen Eid geleistet. Um was es mehr ging, um ein Einsetzen für eine liberalmoderne Verfassung oder für den Einsatz um das eigene gegebene eidliche Wort - darüber kann man trefflich streiten. Für die Grimms und einige der Professoren ging es zu weit. Der Verfassungsbruch und die Missachtung des Verfassungseides der Staatsdiener sorgte für Proteste im ganzen Königreich, Jacob und Wilhelm Grimm gingen mit fünf anderen befreundeten Professoren besonders weit.

Göttinger SiebenDie sogenannten "Göttinger Sieben" setzten ein Schreiben auf, in dem sie dem König die Frage stellten: "Was würde Sr. Majestät dem König der Eid ihrer Treue und Huldigung bedeuten, wenn er von Männern ausginge, die eben erst ihre eidliche Versicherung freventlich verletzt hätten". Der Brief sollte nicht in erster Linie öffentlich in Umlauf gebracht werden, es war als ein Protestbrief gedacht. Entsprechend wurde es mit einigen eingeweihten Studenten diskutiert. Diese kopierten das SChreiben heimlich in einer Nacht- und Nebelaktion und verteilten etwa 200 Exemplare davon. Der Schaden war passiert. So erfuhr mit Ernst August gleichzeitig die Öffentlichkeit vom Aufstand der Universität gegen die Obrigkeit.Dem König bereitete das wenig Kopfzerbrechen. Er bewies, wie wenig ihn die Ansichten interessierte, indem er antwortete: König Ernst August – "Sie wissen ja, Professoren, Tänzerinnen und Huren kann man überall für Geld wiederhaben" und entließ alle sieben aus ihren Ämtern. Drei von ihnen, die als besonders "gefährlich" galten, wurden sogar unter Androhung von Gefängnis außer Landes verwiesen, unter ihnen Jacob Grimm. Man warf den dreien vor, nicht nur an dem Aufruf beteiligt gewesen zu sein, sondern die Verbreitung derselben betrieben zu haben. Sie hatten 72 Stunden Zeit, sich jenseits der Grenzen des Königreiches Hannover zu bewegen.

Grimm begab sich nach Hessen, zurück nach Kassel. An der Grenze des Königreiches Hannover und Hessen-Kassel - der Weser bei Witzenhausen - wurden die Verbannten wohl von ihren Studenten Abends mit Fackeln und Rufen empfangen, es wagte sich jedoch niemand, sich öffentlich für die Männer einzusetzen. In Hannover und den anderen deutschen Staaten war die Stimmung nachnapoelonisch antiliberal.

Jacob wurde die Rückkehr nach Kassel erlaubt, wenn er auch ohne Geld und Einkommen war, die beiden ebenfalls verwiesenen Kollegen erhielten keine Genehmigung dazu, sich in Hessen-Kassel aufzuhalten. Ende 1838 kehrte Wilhelm Grimm zurück nach Kassel. Er brachte natürlich seine Frau mit, und die drei Kinder - ebenfalls ohne Geld und Einkommen.

Beide Grimms waren inzwischen über 50 Jahre alt, ohne Anstellung und ohne nennenswertes Vermögen, mit dem sie sich über Wasser halten könnten. Der hannoversche König sorgte durch immer wieder dafür, dass die Grimms an diversen Universitäten nicht in Lohn und Brot kommen konnten. Da erreichte sie ein Angebot der Verleger Karl August Reimer und Salomon Hirzel.  Man lud sie dazu ein, die „unfreiwillige musze auszufüllen und ein neues, groszes wörterbuch der deutschen sprache abzufassen“. Dies war der Startschuss des Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm, neben den Märchen das zweite Großwerk der beiden Brüder. Für die beiden war es zu zunächst genau dies: Eine Möglichkeit, die ihnen zur Verfügung stehende Zeit sinnvoll einzusetzen, bisherige Kenntnisse und Erkenntnisse nutzbringend zu verwenden, und dringend notwendige Einkünfte zu generieren.

Sie begannen mit dieser Arbeit 1838, sie planten das Werk sorgfältig im Voraus - kaum vorstellbar - und schufen so eines der bedeutendsten historischen Wörterbücher im europäischen Raum.

Von Kassel nach Berlin - und ihre letzte Station
Es dauerte bis 1841, bis die beiden Brüder einen Ruf aus Berlin erhielten. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen "lud sie ein", als ordentliche Mitglieder der Berliner Akademie zu arbeiten, ein Alterssitz, wie auch den beiden Grimms klar gewesen sein wird. Wieder einmal waren es die guten Kontakte der Grimms in die gebildete Welt ihrer Zeit, die ihnen hier halfen.

Luwig Grimm schuf 1809 die Radierung von Bettina von ArnimBettina Brentano, eine Schwester von Clemens Brentano und verheiratet mit Achim von Arnim hatte den preußischen König immer wieder bestürmt, für die Versorgung der beiden wichtig(st)en Sprachforscher ihrer Zeit zu sorgen. Zu diesem Zeitpunkt war Bettina von Arnim bereits seit zehn Jahren Witwe, und durch die Autonomie, die ihr der Stand einer wohlhabenden Witwe (zwar war von Arnim kein erfolgreicher Autor, die Familie Brentano war jedoch sehr wohlhabend) mit fünfzig Jahren bietet, unterhielt sie in Berlin einen beliebten Salon, versammelte um sich Intellektuelle und politische Kritiker. Unter dem damaligen König Friedrich Wilhelm IV., der einen Kurs zwischen Wiederetablierung alter politischer Strukturen und vorsichtiger Bewahrung des Status Quo navigierte, war es durchaus machbar, solange man sich nicht zu laut und zu kritisch äußerte. Bettina von Arnim sollte dies im Laufe der Zeit tun.

Ein Rechtfertigungsschreiben zu dem "Skandal" um die Göttinger Sieben, mit dem sich Jacob Grimm nach seiner Entlassung und Vertreibung 1838 äußern wollte, wurde übrigens durch die hessische Zensur verhindert ...

DDie Grimmwelt: Von Ärschlein bis Zettelie Grimmwelt: Von Ärschlein bis Zettel
Stadt Kassel (Herausgeber),
Annemarie Hürlimann (Redakteur),
Nicola Lepp (Redakteur) 

Taschenbuch: 264 Seiten

Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3944874234
ISBN-13: 978-3944874234
Preis: 29,90€
Sieveking Verlag (1. August 2015)

 

Ende Teil 4

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