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Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar - 3. Sulla und Marius im Süden

Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar3. Sulla und Marius im Süden

Künstler, die in die Politik gehen, haben nicht unbedingt den Ruf, sich zu gütigen Herrschern zu entwickeln. Das gilt für den einstigen Minnesänger und heilig- römischen Kaiser Heinrich VI. genauso, wie für den anderen Diktator, dem ein „Ei“ gefehlt haben soll. Doch als Sulla seinen dreißigsten Geburtstag hinter sich gebracht hatte, trat ein abrupter Wandel ein in seinem Leben. Zum einen starb seine Stiefmutter, zum anderen seine Konkubi-ne Nikopolis, und beide setzten ihn als Erben ein:


Lucius Cornelius Sulla Der Cornelier hatte auf einmal Geld! Im Herbst des Jahres 108 v. Chr. war er schon eifrig unterwegs, Wahlkampf zu machen und Geschenke zu verteilen. Tatsächlich gelang es ihm, sich immerhin zum Quästor wählen zu lassen.

Sein Vorgesetzter freilich war niemand anderes als Gaius Marius, ein grobschlächtiger Militär, der gerade mal einem Geschlecht von Rittern auf dem Lande entstammte (falls das nicht geschönt ist). Er hatte noch unter Scipio Aemilianus gedient, der Karthago vernichtet, und die Keltiberer und Lusitanier bezwungen hatte. So hatte er es auch mitbekommen (wie übrigens auch Iugurtha), daß diese lebende Legende im Jahre 133 v. Chr. vor Numantia die Armee neu organisierte, und dadurch erst die Stadt einnehmen konnte.

Marius brachte es im Jahre 119 v. Chr. zum Volkstribun, wobei er den etablierten Eliten das Leben schwer machte, und nach langem Ringen zum Prätor des Jahres 115 v. Chr. Außerdem heiratete er in die alte, aber bis dato eher unbedeutende Patrizierfamilie der Iulii ein, und es ist schon eine Ironie der Geschichte, daß es einmal sein eigener Neffe sein würde, ein gewisser Gaius Iulius Caesar, der ihn als Feldherr überflügeln sollte.

Seinerzeit war die Familie Caecilii Metelli dermaßen übermächtig, daß sie zwischen den Jahren 119 und 109 v. Chr. gleich fünf Konsuln stellte. Es war der Letzte von ihnen, Quintus Caecilius Metellus, der Marius als Legat nach Nordafrika schickte, um dort den lästigen Krieg gegen den Numiderkönig Iugurtha zu beenden. Marius aber erntete hier so viel Ruhm, daß er beschloß, sich für das Konsulat des Jahres 107 v. Chr. zu bewerben. Als homo novus hatte er dabei selbstredend mit Widerständen etablierter Aristokraten zu rechnen, aber ausgerechnet sein Vorgesetzter Quintus Caecilius Metellus war es, der ihn mit Zurücksetzungen und Schikanen kurz zu halten suchte. Er mußte sich seine Rückkehr nach Rom geradezu ertrotzen, um dort Wahlkampf machen zu können. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, die Erfolglosigkeit der ihm vorangegangenen Heerführer zu brandmarken – darunter natürlich auch Quintus Caecilius Metellus. Er verstand es, die Leute mitzureißen, so daß er einen Großteil des Volkes inklusive der Volkstribunen für sich gewann, und mit überwältigender Mehrheit sowohl das Konsulat, als auch das Kommando für die Truppen in Numidien erhielt. Zu jener Zeit war der militärische Oberbefehl zwingend mit dem höchsten Amt im Staate verknüpft: Entweder war man Konsul, oder ein ehemaliger Konsul (Prokonsul), der seine angefangene Arbeit zu Ende führte.

Damals gab es im römischen Senat zwei Parteien: die Popularen und die Optimaten. Vereinfacht gesagt, standen die Popularen für die „Herrschaft des Volkes“, und die Optimaten für die „Herrschaft der Besten“, also von Leuten, denen aufgrund ihrer privilegierten Geburt schon früh das Regieren und Verwalten beigebracht worden war. Ja, diese Kenntnisse galten wie die Gebetsformeln der höheren Priesterränge als „Geheimwissen“, das unter den Hochwohlgeborenen gelehrt wurde, während es hieß, daß Leute aus dem einfachen Volk „die Götter nicht hören“ könnten.

Man mag versucht sein, die Popularen dem linken und die Optimaten dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen, zumal Erstere reformfreudige und Letztere konservative Positionen bezogen. Aber so ganz lassen sich diese modernen Maßstäbe nicht anlegen, denn die Erstgenannten waren auch Populisten, und die Letztgenannten das sogenannte „Establishment“. Auch entstammten die Erstere in der Regel nicht dem Volk, trotz des Namens, sondern zumeist gleichfalls der Aristokratie, wenn auch oft dem weniger bedeutenden Ritterstand oder Landadel.

Während die Optimaten vor allem danach strebten, den Einfluß der eigenen Familien zu mehren, und ansonsten alles beim Alten zu lassen, sahen die Popularen die Gefahren, die sich aus den sozialen Veränderung nach Ende des zweiten Punischen Krieges ergeben hatten. Und wo die Aristokraten immer größere Städte hinter sich scharten, und meist ohne jede Befugnis Staatsland wie eigenen Besitz bewirtschafteten, wuchs die Zahl der Besitzlosen. Die Brüder Tiberius Sepronius und Gaius Gracchus hatten nacheinander als populare Volkstribune den Mißstand bekämpfen wollen, und sie waren beide eines gewaltsamen Todes gestorben.

Jetzt war ein Popular Konsul. Gaius Marius hatte aufgrund seiner einfachen Herkunft all die Finessen römischer Politik und Intrigenspielchen nie erlernt. Das ausgerechnet „so einer“ die Numider bezwingen (und dann auch noch Republik vor den Kimbern und Teutonen retten) sollte, paßte so manchem Optimaten nicht ins Weltbild.

Als seinen engsten Gehilfen bestimmte das Los nun ausgerechnet Sulla, einen dekadenten Schnösel aus einem noblen, wenn auch unwichtig gewordenem Haus. Der Cornelier hatte das Amt des Quästors inne, und so ruinös sein bisheriger Lebenswandel auch gewesen sein mochte, er hatte immerhin noch die Mittel, sich Pferd, Waffen und einen Knappen zu leisten. Auf diese Weise konnte er zumindest mit Angehörigen des Ritterstandes mithalten. Für repräsentativen Luxus freilich hat es nicht gereicht.

Einem Quästor fiel die Verwaltung der Truppenkasse zu, doch in der Regel war das Amt auch mit einem untergeordneten Kommando verbunden. Der Cornelier erhielt das über die Reiterei, nach Sallust (fide Fündling) „als blutiger Neuling und ohne Kampferfahrung“. Nun waren die Römer bekannt für ihre Fußsoldaten; die Reiterei stellten eher die italischen Bundesgenossen. Sulla bewies hier großes Organisationstalent, in ihren Reihen (vor allem bei den Samniten) eine Kavallerie auszuheben, die es mit den numidischen Pferdekriegern aufnehmen konnte. Er führte sie nach Afrika, wo sein Vorgesetzter schon auf ihn wartete.

Der Cornelier verstand es, sich durch seine Umgänglichkeit und Tüchtigkeit, durch sein Charisma und seiner Lockerheit als Bohemien beliebt zu machen. Sowohl bei seinem Konsul, als auch bei den einfachen Legionären, unter denen neben den traditionellen Bürgersoldaten auch erstmals mittellose Freiwillige waren, die ihren Sold auf Staatskosten erhielten. Nach Sallust (fide Christ) soll er immer wieder den persönlichen Kontakt zu seinen Untergebenen gesucht haben, um sich ihrer Loyalität auf teilweise schon privater Ebene zu versichern. Aber er bewährte sich auch als Offizier, und er hatte Anteil daran, daß zwei gegnerische Angriffe auf das Winterlager nicht zum Fiasko ausarteten.

Der Krieg zog sich in die Länge; Marius war nurmehr als Prokonsul unterwegs, und Sulla als Proquästor. Iugurtha jedoch war nicht zu fassen, und wohin er auch immer entschlüpfte, gelang es ihm, neue Stämme gegen die Invasoren aus Europa aufzustacheln. Also verfiel man darauf, seine Verbündeten unter Druck zu setzen. Es gelang dem Feldherrn und seinen Beratern im Jahre 105, den Schwiegervater des Flüchtigen, König Bocchus von Mauretanien, soweit zu bedrängen, daß er die Entsendung von zwei Unterhändlern erbat, um in Friedensverhandlungen einzutreten. Geschickt wurden der Legat A. Manlius und eben Sulla. Letzterer tat sich durch sein diplomatisches Geschick hervor, daß er das Vertrauen des Monarchen gewann. Ja, Bocchus forderte ihn sogar an, als ein zweites Mal konferiert werden sollte.

Also brach Sulla mit einer schnellen Eskorte auf, und auf halber Strecke gesellte sich der mauretanische Prinz Volux als Geleitschutz hinzu. Doch sie waren noch unterwegs, da kreuzte unvermittelt Iugurthas neue Streitmacht auf, und der Gesandte mußte befürchten, in eine Falle gelockt worden zu sein. Der Thronanwärter beteuerte jedoch, ihn nicht verraten zu haben, und bot ihm an, durch sein Lager zu reiten, um sich zu vergewissern, daß ihm niemand ein Haar krümmen würde. Sulla tat es todesmutig und mit Vertrauen auf sein Glück – Er dürfte damit noch weiter in der Achtung der Afrikaner gestiegen sein.

Am Ziel angekommen, fanden sie einen schwankenden Bocchus vor, der sich nicht sicher war, wen er denn nun verraten wollte. Letzten Endes waren es Sullas Überredungskünste, verbunden mit dem Versprechen großer Landgewinne auf Kosten Numidiens, die ihn dazu bewogen, seinen „ahnungs- und waffenlosen“ (Christ) Eidam zu überrumpeln, und nach Erschlagen des Geleitschutzes in Ketten auszuliefern.

Damit war der Krieg beendet, und Rom hatte gewonnen. Marius war zwar der Oberbefehlshaber gewesen, aber Sulla war es, dem man den Feind ausgehändigt hatte – Wieder war das Glück auf seiner Seite gewesen! Und er verstand es auch, sich dementsprechend zu inszenieren. Seinen Zeitgenossen muß er wie Gustav Gans vorgekommen sein, gegen den ein Marius, der alles nur unter Mühen errungen hatte, wie ein Donald Duck gewirkt haben muß! Ein neidischer Donald Duck…

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