Valeria Messala Barbata: Sie nannten sie »Messalina« - Schicksalsjahre einer Kaiserin
Valeria Messala Barbata - Sie nannten sie »Messalina«
2. Schicksalsjahre einer Kaiserin
2. Schicksalsjahre einer Kaiserin
Claudius war schon zu Beginn seiner Herrschaft ein vielbeschäftigter Mann, ging es doch darum, die Regierung des Imperiums nach den vier Chaos- Jahren unter Caligula wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte es, den Prätorianer- Offizier Cassius Chaireas und den Wachoffizier Julius Lupus hinrichten zu lassen. Beide waren an der Verschwörung gegen Caligula maßgeblich beteiligt gewesen, und so hätte man meinen können, der Princeps wäre ihnen zu Dank verpflichtet gewesen. Aber Ersterer – die treibende Kraft hinter dem Attentat überhaupt – propagierte weiterhin republikanische Ideale bis hin zur Forderung nach Claudius‘ Kopf, und Letzterer hatte Caligulas Frau und Tochter (ein Kleinkind) auf roheste Art getötet. Auch ließ der neue Kaiser das Palastpersonal durch Militärs ersetzen, und war in der Öffentlichkeit nurmehr mit Leibwache zu sehen.
Weitere Maßnahmen der ersten Tage waren es, die Staatsfinanzen und die Versorgung Roms nicht vor die Hunde gehen zu lassen, und mehrere der schlimmsten Anordnungen seines Vorgängers zurückzunehmen (und Opfer zu entschädigen). Nebenher ließ er auch noch Spiele veranstalten, um sich das Wohlwollen des Volkes zu sichern. Erst ganze dreißig Tage nach seiner Ernennung schaute er mal bei einer Versammlung des Senats vorbei.
Der sollte ihm nie wirklich gewogen sein.
Messalina dürfte keinen Anteil gehabt haben an dem Regierungswechsel: Zwanzig Tage danach brachte sie ihr zweites Kind zur Welt. Der Junge wurde im Gedenken an einen populären Onkel „Germanicus“ genannt, bald aber in „Britannicus“ umbenannt, um eines erfolgreichen Feldzugs jenseits des Ärmelkanals zu gedenken.
Spätestens hier dürfte ihr zum ersten Mal bewußt geworden sein, daß ein mit der Neuordnung des Imperiums befaßtes Staatsoberhaupt wohl oder übel gezwungen war, die Gemahlin zu vernachlässigen. Selbst dann, wenn sie im Wochenbett lag und den Beistand eines liebenden Gatten wahrlich nötig hatte! Hinzu kam, daß in dieser Zeit auch ein Großteil der Künstler, Gladiatoren und Huren aus dem Palast gejagt wurde, die Caligula hierher geholt hatte (auch aus Gründen der neuen Sparsamkeit). Einer der wenigen, die bleiben durften, war der Mime Mnester. Dieser genoß nicht nur große Achtung als wahrer Meister seiner Zunft, er war sogar prominent genug, daß er Claudius‘ Vorgänger in aller Öffentlichkeit hatte abküssen dürfen.
Nach Cassius Dio hatte die junge Messalina eine einzige Freundin, die mit dem Senator Caecinia Petus verheiratete Arria – Ganz im Kontrast zu ihr war diese Frau züchtig und orientiert an den althergebrachten Sitten. Als ihr Mann erkrankte und ihr Sohn starb, erzählte sie ihrem Gatten nichts davon, um seine Genesung nicht zu gefährden.
Dafür dürfte die junge Kaiserin einem Ansturm von „Freunden“ und Verwandten ausgesetzt gewesen sein, die ihr wenig Interesse entgegen gebracht hatten, als sie noch die Gattin eines machtlosen „Schwachsinnigen“ gewesen war. Dazu gehörte auch ihre Mutter Domitia Lepida, die inzwischen mit dem ehemaligen Konsul Lucius Cornelius Silla verheiratet war (Nicht zu verwechseln mit Lucius Cornelius Sulla Felix, dem ich den vorhergehenden Aufsatz gewidmet habe). Das Verhältnis zu ihrer Tochter soll nicht das Beste gewesen sein, auch wegen ihrer Anmaßung und ihres Ehrgeizes.
Möglicherweise sah Messalina auch in der Rückkehr der Schwestern Agrippina (der Jüngeren) und Julia Livilla eine Abwechslung, die von ihrem Bruder Caligula in die Verbannung geschickt worden waren. Schließlich waren sie beide nur wenig älter als die Kaiserin. Letztere kehrte zu ihrem Angetrauten zurück, aber Erstere war Witwe – und Mutter eines Sohnes namens Nero, dessen Erziehung man in den drei Jahren ihrer Abwesenheit einem Tänzer und einem Barbier anvertraut hatte. Aufgrund der Erbgesetze Caligulas stand sie mittellos da, während das Vermögen des Ehemanns und Vaters in den Besitz des Kaisers übergegangen war. Die Bittgesuche an ihren Onkel Claudius, der die Wiederherstellung des Imperiums mit akribischer Sparsamkeit betrieb, halfen ihr da nur ausreichend.
Die beiden Heimkehrerinnen wohnten nicht im Palast, weilten dort aber recht oft als Gäste (Schließlich waren sie die Nichten des Kaisers). Messalina jedoch, die zum Zeitpunkt ihrer Verbannung noch mit Puppen gespielt hatte, mieden sie eher. Sie besuchten ihren Onkel teilweise sogar direkt im Schlafgemach. Schon die Beziehung zu ihrem Bruder Caligula soll – wie die ihrer Schwester Drusilla auch – intimer gewesen sein, als es nach familiären Maßstäben schicklich gewesen wäre.
Sie halfen ihrer Stieftante Messalina also nicht dabei, die Einsamkeit zu zerstreuen. Deren neue Stellung brachte es jedoch mit sich, daß auch auf sie ab und an repräsentative Pflichten zukamen. So nahm sie einen Ehrenplatz ein bei einer Militärparade, als der Princeps seinen Stammhalter emporhob und der Liebe und des Schutzes des Heeres empfahl – Eine Gunstbezeugung, die zuvor nur Augustus seiner geliebten Livia gewährt hatte.
Ihren ersten wirklich öffentlichen Auftritt als Gemahlin des Kaisers hatte Messalina im Rahmen eines traditionellen Banketts (Zu dieser Zeit durften die Frauen mit am Tisch sitzen; in der Ära der Republik war ihr Platz noch zu den Füßen ihrer Männer gewesen). Agrippina war aufgrund ihrer Armut nicht eingeladen worden – eventuell war das mit ein Grund dafür, warum sie sich wenig später reich verheiratete, und zwar mit dem betagten Gaius Crispus Passienus (einstmals ein stellvertretender Konsul, der im Jahre 44 auch Konsul werden sollte).
Das Jahr 41 war erfüllt mit Aktivitäten, die familiär und politisch zugleich waren. Die gerade mal ein Jahr alte Antonia wurde Lucius Iunius Silanus Torquatus zur Frau versprochen (einem Urenkel des Kaisers Augustus), und Messalinas Mutter Domitia ließ sich zunächst von Lucius Cornelius Silla scheiden, und ehelichte kurz darauf Appius Silanus (ein Ex- Senator und Legat im Terragonischen Spanien).
Zu dieser Zeit war Messalina auch damit befaßt, die Hochzeit ihrer Stieftochter Antonia mit einem Pompeius Magnus zu organisieren (Wohlgemerkt, es ist nicht der Pompeius Magnus, der in meinem Aufsatz über Sulla schon einmal eine Rolle gespielt hat. Der hat bekanntlich schon in der Auseinandersetzung mit Julius Cäsar den Tod gefunden). Entsprechend der kaiserlichen Sparpolitik wurde die Vermählung als „einfaches Familienfest“ gefeiert.
Selbst der fünfzigste Geburtstag des Claudius wurde nicht groß zelebriert, sondern vielmehr in die mehrtägigen Spiele zur Erinnerung an die Einweihung des Marstempels integriert.
Einen skurrilen Zwischenfall gab es in Ostia, wo der Kaiser immer wieder den Bau eines größeren Hafens beaufsichtigte, welcher die Versorgung Roms mit Getreide sicherstellen sollte. Dort wandte sich ein Sklave an Messalina und behauptete, man wäre über ihren Gatten hergefallen und hätte ihn abgeschlachtet. Schon rebellierte das einfache Volk gegen das Heer, das nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Kaiser zu schützen, und drohte, den Senat zu stürmen. Erst die Reden der höchsten staatlichen Würdenträger wußten die Bedenken der Meute zu zerstreuen, bevor dann Claudius selbst wieder auf der Bildfläche erschien. Diese Episode spiegelt nicht nur seine Beliebtheit bei der großen Masse wider, sondern auch, daß man von einer Feindschaft des Senats gegen ihn ausging, dem man sogar einen Mord zutraute.
Bislang findet sich noch nichts in den Quellen, das erahnen läßt, welcher Ruf Messalina einmal anhaften soll: Sie ist eben einfach nur das Anhängsel, das von ihrem Angetrauten zu wenig Aufmerksamkeit erhält. Dieses ändert sich in ihrem siebzehnten Lebensjahr, und betroffen ist ihr Schwiegervater Appius Silanus.