Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Die ersten Deutschen in Amerika

AuswanderungDie ersten Deutschen in Amerika
 
In der Anfangszeit der Auswanderung gab es keine Speisekarten, keine großen Abendbankette oder Kapitänsempfänge. Aus gutem Grund. Zu Beginn der Überquerung des Atlantik waren gab es keine Passagierschiffe. Mitreisende waren die Ausnahme, und wenn, kümmerte man sich nicht sonderlich um sie.

Wer die ersten Deutschen waren, die amerikanischen Boden betraten ist ebenso interessant wie überflüssig - und im Grunde überhaupt nicht zu beantworten.

Man geht in der Regel davon aus, dass mit der Gründung der Stadt "Germantown" 1683 der Grundstein für den Beginn der deutsche Auswanderung in größerem Stil begann. Seit 1854 ein Teil von Philadelphia, war Germantown damals der Mittelpunkt der "Pennsylvanian Dutch", wie man die deutschen Siedler dort nannte.

Franz Daniel Pastorius, ein aus dem katholisch-unterfränkischen Sommerhausen stammender Jurist, hatte in seiner Frankfurter Zeit eine Gruppe radikal-pietistischer Christen kennen gelernt. Diese Gruppe verfolgte eine sogar noch heute moderne Haltung gegenüber verfasster Kirche und der Abkehr von Kirchengebäuden. Im damaligen Deutschland war es Pastorius und seiner Gruppe unmöglich, seine ihre Ideen öffentlich in die Tat umzusetzen. Im Auftrag der Leitung des Kreises, dem er sich zugehörig fühlte, begann Pastorius die Überfahrt für eine erste Gruppe deutscher Einwanderer zu organisieren. 

auswandererschiffGemeinsam mit William Penn, einem englische Quäker - ebenfalls eine als Sekte betrachtete Glaubensgruppe - bereitete er die Ankunft vor und erwartete eine Gruppe von Frankfurter Auswanderern. Statt der angekündigten hessischen Pietisten kam eine Gruppe von Methodisten- und Shakerfamilien aus dem Krefelder Raum an.  Pastorius verfolgte dennoch den ursprünglichen Plan und begleitete die Ansiedlung der Gruppe auf der Landfläche des späteren Germantown.
 
Auch  wenn dies die erste "anerkannt-deutsche" Siedlung war kann man davon ausgehen, dass diese Siedler nicht die ersten Deutschen waren. Aus der Frühzeit der Auswanderung sind häufig keine  Aufzeichnungen vorhanden, bereits vorher waren Handels- oder Forschungsschiffe angelandet, von denen unter anderem die Siedlungsversuche in Jamestown ausgingen, und nachgewiesen sind hier überall anwesende deutsche Forscher oder Siedler.
 
Bekannt ist aus 1577 ein Jonas Schütz aus Annaberg, Erzgebirge,  oder - ebenfalls ein Bergbauexperte und aus dem Erzgebirge - ein "Master Daniel the Saxon", der in der Forscher- und Siedlergruppe  um Sir Humphrey Gilbert nach Neufundland kam. Man rätselt, ob er damals im Auftrag der Queen nach Mineralien suchte.
 

Queen Elizabeth formally established the German-run Society of the Mines Royal in 1564; this was the first company to produce copper in England.  Daniel Höchstetter Jr. of Augsburg, Joachim Gans of Prague, Hans Wautter, Nicholas Swabber and other members of this Society took part in the first English settlement in what is today the United States.

 

Jamestown G. Grassl, ein echter Experte in der Forschung um Jamestown und die ersten Deutschen beschreibt, wie die ersten Deutschen vermutlich nach Amerika kamen. Im Auftrag der Queen war eine Gesellschaft für das Minenwesen gegründet worden. Aufgrund der großen Expertise der Deutschen in diesem Bereich war die Leitung der Gesellschaft in deutscher Hand. Die oben genannten Ingenieure, Bergbauexperten und Forscher waren nachgewiesen an Bord der ersten Expeditionsschiffe1.

Erst ab dem 19. Jahrhundert, als Auswanderung längst eine Massenbewegung geworden war, forderte man die Schiffseigner dazu auf, Listen zu führen, die Namen zu verzeichnen. Hinzu kamen mehr und mehr Regelungen, die natürlich nicht in erster Linie der historischen Nchvollziehbarkeit dienten. Die aus der Anfangszeit der Auswanderung bekannten Unterlagen stammen zumeist aus historischen Aufzeichnungen aus den Siedlungsorten, Tagebuchaufzeichnungen oder dort im Laufe der Zeit entstehenden Verwaltungsunterlagen. Da es in Amerika keine Meldepflicht gab (und gibt), sind Landbesitzunterlagen, Erbangelegenheit und die vielgenannten Zensusunterlagen genutzte Quellen.

Expeditionsleiter John SmithBerichte von Siedlern, Verantwortlichen oder den Expeditionsleitern (in diesem Fall Cap. John Smith) helfen heute dabei, die Geschichte jener Stadt Jamestown zu rekonstruieren. Eigentlich als "englische" Siedlung gegründet, gab es auch Deutsche vor Ort.

Für den Mai 1607 wird ein Dr. Johannes Fleischer aus Breslau als der einzige nicht-englische Siedler genannt, der im Mai 1607 in Amerika ankam - und in Jamestown lebte. Er war Arzt und Botaniker.  Er gehörte zu den 104 Männer, die an Bord von drei Schiffen in Virginia ankamen. Die Siedlung Jamestown (nach dem engl. King James) wurde die erste feste englische Siedlung in Nordamerika.

In einem Bericht über Jamestown werden zwei (evtl hessische) Glasmacher erwähnt, die 1608 im Oktober ankamen. Vermutlich waren sie in der zweiten Siedlergruppe. Dies ist für mich aufgrund meiner hessischen Glasmacher-vorfahren sehr interessant. Sie erreichten Jamestown an Bord der beiden Schiffe Mary und Margaret, die am 1. Oktober 1608 in Jamestown landeten.

JBau der ersten Häuser in Jamestownohn Smith, der Expeditionsleiter, schrieb, dass auf den Schiffen acht "Dutch men and Poles" waren. Ziel war die Herstellung von Gütern, die dann wieder zurück nach England transportiert werden sollten, um so eine Refinanzierung für die Siedlungskosten zu erreichen. Die geplante Produktion umfasste Teer und Pech, Pottasche ... und eben auch Glas. Warum gerade Glas zu so einem frühen Zeitpunkt der Entwicklung interessant war, kann man nur vermuten. In England wurde Holz mehr und mehr zur Mangelware, zu diesem Zeitpunkt stellte Holz allerdings den einzigen Brennstoff dar, mit dem man die für den Schmelzvorgang notwendige Hitze erzielen konnte. Der Verbrauch an Holz für den Betrieb einer einzigen Glashütte war unermesslich. Gleichzeitig stieg der Bedarf an Glas (begonnen mit Fensterglas und Flaschen bis hin zu Luxusartikeln) stetig an. Wenn es also gelang mit den vor Ort verfügbaren Prodiktionsgrundstoffen Glas zu produzieren, rechnete sich selbst die Herstellung in den fernen neuen Welten.

Stadtwappen Großalmerode mit GlashafenSie haben dort die ersten Versuche  der Glasproduktion gemacht, offenbar so erfolgreich, dass das Glas, das man nach England verschiffte, das Gefallen der Gesellschaft fand. Aufgrund weiterer Anweisungen gründeten sie 1609 eine erste Glashütte.

In der Ausgrabungsstätte der Glashütte fand man hessische Glashafen zur Schmelze des Glases (siehe das Wappen der Stadt Großalmerode, das drei typische hessische Glashafen zeigt).

Wie lange diese Hütte bestand ist unklar. Allerdings scheint es, dass die beiden "Dutch", genannt als Hüttenmeister und Lehrling, bereits im ersten Hungerwinter 1609/10 starben, denn sie werden danach nicht mehr in Jamestown erwähnt (weitere Details zur Gründung der ersten Glasproduktion in Amerika gibt es auf meiner privaten Seite).

Während im Laufe der Zeit aus allen deutschsprachigen Regionen Auswanderer in amerikanischen Häfen ankamen, waren es in der Anfangszeit vor allem Einwanderer aus Baden und Württemberg, Hessen und aus der Pfalz. Vor allem Baden und Württemberg galten als eines der Armenhäuser (siehe auch die Abwanderung gen Osten vor allem im Zusammenhang mit Katharina der Großen), Hessen (vor allem Oberhessen - siehe auch die Geschichte um den Headless Hessian, den Bistümern Köln, Osnabrück, Münster und Mainz.
 
Pennsylvania entwickelte sich zu einem bevorzugten Gebiet der deutschen Einwanderer, man spricht heute von einem "German Belt" an Staaten, in dem eine besonders hohe Dichte an deutschstämmigen Amerikanern lebt. Dieser umfasst Wisconsin, die beiden Dakota, Nebraska, Iowa und Minnesota.

Wie unterschiedlich sich die Einwanderungsphasen in den verschiedenen amerikanischen Regionen (darunter auch Südamerika) entwickelte, zeigen folgende Beispiele: In Guatemala begann die deutsche Einwanderung erst 1828 mit Carl Rudolf Friedrich Klee, in Chile begann um die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Vielfach nicht ganz wahrgenommen wird die Tatsache, dass beileibe nicht die englischen/irischen Einwanderer die stärkste Gruppe der Einwanderung dastellt, sondern die Deutschen bis ins 20. Jahrhundert hinein die zahlenmäßig größte Gruppe waren.
 
Quellen:
http://www.germansociety-md.com
http://www.ushistory.org
E-Mailverkehr mit G.Grassl
 
Abbildungen Jamestown:
David Scott - A School History of the United States. Harper & Brothers, 1883.
 
 
02. Oktober 2010:
Ergänzende Anmerkung(en) zu dem Abschnitt über die Hintergründe für die Gründungsidee von Germantown:

Pietismus ist vermutlich die bekanntere Bewegung. In Wilhelm Meisters Lehrjahre (Band 6) schreibt Goethe etwas darüber. Da beschäftigt er sich mit den pietistischen (Glaubens-) Ansätzen von zwei bekannten Bewegungen: Herrnhuter und Zinzendorf.

Der Pietismus entstand aus einer Unzufriedenheit gläubiger Christen innerhalb der evangelischen Kirche. Sie hatten das Gefühl einer fehlenden Frömmigkeit in ihren Kirchen. Für sie wurde der christliche Glauben erst dann wahrhaft, wenn er sich im alltäglichen Leben zeigte - christliche Lebensführung, die den Glauben im Handeln sehen lässt. So kam es beispielsweise zur Gründung von Hausbibelkreisen, in denen sich die Gläubigen außerhalb der Kirchen zum Lesen der Bibel, beten und singen trafen. Man kann eigentlich nicht von "dem" Pietismus sprechen, da es unterschiedliche Ausprägungen gibt - sozial und diakonisch ausgerichtet, missionarisch orientiert, eher auf das eigene Glaubensheil bezogen.

Radikal-Pietistisch darf damit nicht verwechselt werden - auch wenn das zunächst einmal naheliegend ist. Der Radikale Pietismus entstand im 17. Jahrhundert innerhalb der pietistischen Bewegung. Während die Pietisten ihren Weg innerhalb der Kirche suchten, waren die Radikalen davon überzeugt, dass man seinen Glauben nicht innerhalb der Kirche leben könne. Sie hielten die Kirche für reformunfähig. Dies beinhaltete den Boykott von Gottesdiensten, Abendmahl, Kindstaufe und Konfirmation. Warum diese Boykotte? Abendmahl beispielsweise weil ihrer Ansicht nach das Abendmahl nur in der Gemeinschaft "wahrer" Gläubiger genommen werden dürfe - und dies sahen sie in der Kirchengemeinde nicht gegeben. Gottedienste waren ihnen zu formell, auf die Organisation Kirche bezogen, ein Ritual mehr als Glaubensfeier. Kindstaufe da dies in der christlichen Urgemeinde nicht vorgesehen war und Taufe im Grunde immer eine GLAUBENStaufe darstellen sollte. Viele dieser Ansichten teilen auch einzelne Gruppen innerhalb des Pietismus.

Im radikal-pietistischen Frömmigkeitskreis gibt es ebenfalls unterschiedliche Ausprägungen, die sich im Laufe der Zeit dann teilweise mehr oder weniger weit von der biblisch-christlichen Basis weg bewegten. Es gab Betonungen einer eher mystischen Richtung, mit Visionen, einer Betonung der persönlichen Glaubenserfahrung als einzig geltender Richtschnur etc.

Als Penn, der Führer der Quäker, zu einer Veranstaltung in Frankfurt war und auf einer Versammlung predigte, kam es zu einem engeren Kontakt zwischen den beiden Gruppen, die in dem Plan gipfelten, eine Gruppe deutscher Auswanderer aus der Radikal-Pietistischen Frankfurter Versammlung zu bilden und Germantown als einen neuen Anfang für die Gläubigen zu gründen.

Kommentare  

#1 Torshavn 2010-09-30 07:53
Ein guter, wenn auch, für Deine Verhältnisse, kurzer Artikel. Das führt manchmal zu Verknappungen, die Wissen vorraussetzen oder Nachschlagen bedeuten. Wie zum Beispiel:

Zitat:
eine Gruppe radikal-pietistischer Christen kennen gelernt. Diese Gruppe verfolgte eine sogar noch heute moderne Haltung gegenüber verfasster Kirche und der Abkehr von Kirchengebäuden
Würdest Du zu der Haltung noch ein bißchen detailiertere Informationen geben. Eventuell einen Link.
Vielen Dank.
#2 Bettina.v.A. 2010-10-03 00:41
Hi Thomas,

ist die "Kürze" im Vergleich zu meinen sonstigen Artikeln ein Lob? Dann gerne :-). Um dich hinsichtlich der Frage der radikal-pietistischen Gruppe zufrieden zu stellen, habe ich einen erklärenden Abschnitt hierzu angefügt.

Zu den ersten Deutschen (vor allem die Bergingenieure etc), fand ich zu wenig wirklich fundeierte Information, um das intensiv weiter verfolgen zu wollen. Glasmacher interessieren mich ja aus persönlichen Gründen sehr, ich habe ja geschrieben, dass ich Mails mit Hr. Grassl ausgetauscht habe. Darüber im Zauberspiegel zu schreiben, fand ich weniger interessant, auf meiner Ahnenforscherseite wird demnächst mehr darüber zu finden sein. Ich kann dir Bescheid sagen, wenn dem so ist.
Allerdings will ich noch was über die Glasmacher als einem interessanten Berufsstand schreiben.

So, nun zum radikalen Pietismus.
#3 Torshavn 2010-10-03 12:48
Vielen Dank Bettina für die Ausführungen. Für mich ist die geschilderte Situation nun viel klarer.
Die Glasmacher- Hintergründe würden mich auch sehr interessieren.
Ich gebe zu, ich habe eine Schwäche für Geschichte. Und über Deinen Schwerpunkt weiß ich so gut wie nichts. Deshalb "fresse" ich Deine Artikel regelrecht.
Ja jetzt hast Du mich. Natürlich ist die Kürze auch ein Lob. Aber hier fehlten mir halt einfach Infos. Bisher war mir das bei Deinen Artikeln noch nie passiert.
Hast Du eigentlich vor, auch ein Buch zum Thema Auswanderung zu schreiben (außer dem Kochbuch)?
Ich freue mich schon auf die weiteren Artikel, denn die "Wurzeln" der heutigen USA haben mich schon immer interessiert.
#4 Bettina.v.A. 2010-10-03 16:27
Hi Tom, ich freue mich immer wieder über Interessen am Detail :-).
Glasmacher kommt, es ist interessant, gibt jede Menge offener Fragen und gerade die Glasmacher sind aufgrund ihrer beruflichen Eigenart geschichtlich nicht irrelevant.
Nein, bisher habe ich nicht vor, ein Buch zu schreiben. Ich glaube, es gibt genug Bücher über Auswanderung, meines wäre lediglich eine andere Form von Zusammenfassung aus verschiedenen aktuellen und historischen Quellen. Das ist meiner Ansicht nach nicht unbedingt notwendig.
Ich freue mich SEHR, wenn du meine Artikel "frisst" ... das ist ein schönes Kompliment.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.