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Krieg um Troja - 1. Einleitung: Big In Ilion

Krieg um Troja1. Einleitung:
Big In Ilion
 
a) Die Achtziger in der Ära der Schlampenkultur
Unlängst geriet ich in den Genuß, mir eine Sendung mit Liedern aus meiner Jugend anzusehen, die natürlich so ähnlich hieß wie: „Die besten Achtziger“. Ja, Sie werden es erraten haben, es war ein auf Beste-Sendezeit-Länge ausgewalzter Reklamespot für eine Doppel-CD gleichen Namens.

Eine reine Abfolge der dazugehörigen Videos freilich (oder gar der Lieder ohne optische Begleitung) hätte eine Ausstrahlung um 20.15 Uhr kaum gerechtfertigt.

Also wurden die Clips zugunsten einer Art planlosen Show mit D oder E Promis auf Ausschnitte reduziert, die auch noch von weiteren (eingeblendeten) D und E Promis kommentiert wurden. Bei diesen handelte es sich aber nicht um Fachleute oder Zeitzeugen, sondern um besonders „hippe“ Starlets, die wohl mit Blick auf ein besonders junges Publikum gecastet worden sind. Eventuell haben sich gut bezahlte Werbestrategen ausgerechnet, daß mehr Jugendliche Musik ihrer Eltern downloaden, als Papa und Mama CD‘s kaufen. Ja, vor lauter Beruf, Alltag, Familie und Anpassung erwerben die vielleicht gar keine Tonträger mehr!

Dementsprechend waren die Kommentatoren allesamt zu jung, um die Ära bewußt miterlebt zu haben. Ihre Senfzugaben beschränkten sich auf persönliche Kindheitserinnerungen, modische Oberflächlichkeiten oder ebenso peinliches Mitschunkeln. Eine besonders repräsentative Ikone der Reklame konformen Schlampenkultur (Ich nehme an, es war diejenige, die sich ihre Fingernägel hatte lackieren sollen) wußte zu Alphaville nichts weiter zu sagen, als daß der Sänger ein besonders bäuerliches Gesicht und Pickel hätte. Und das in einem dezent angewiderten Tonfall, als wäre es ein Unding, daß man solche Leute überhaupt vor eine Kamera läßt! Nichts über die Botschaft, nicht darüber, daß es die Band praktisch aus dem Nichts an die Spitze der Charts geschafft hat, nichts über ihren Erfolg in Großbritannien… Wichtig war nur, daß hier kein Model am Mikrophon gestanden hat.

Also lernte man in dieser Sendung mehr darüber, wie man heutzutage als Künstler zu sein und auszusehen hat, als darüber, was die Musiker damals hatten ausdrücken und bewirken wollen.

b) Dieter Hertel, Joachim Latacz und Erich van Däniken

Dies ist freilich der Medienbetrieb, und da mag so manch einer der Überzeugung sein, in der hehren Wissenschaft wäre alles anders. Hier würde man zeitlose Erkenntnisse zusammentragen, an denen sich künftige Generationen bedenkenlos orientieren könnten. Aber Pustekuchen gibt es eben nicht nur an Geburtstagen!

Besonders auffällig wird dies, wenn man sich die Auseinandersetzungen um Troja zur Brust nimmt, die gerade in diesem Jahrzehnt geführt worden sind. Die eine Seite behauptet felsenfest, ihr Weg sei der rechte, während die andere das genaue Gegenteil propagiert. Nur, welcher Heino ist der wahre, und welcher der echte? Am Schluß hat man über das Thema selbst kaum mehr erfahren, als daß vor 3200 Jahren Leute in der Nordwest Türkei in irgendwas gewohnt haben, das Ruinen hinterlassen hat. Ob es eine Stadt war oder ein „Piratennest“, ein Handelszentrum oder ein Provinzkaff, vom wem es bewohnt war und wie es hieß  – All das behaupten die Koryphäen mit Sicherheit zu wissen, und widersprechen einander doch vehement. Da ist mal der eine ein „Däniken der Archäologie“, da sind mal bei der „kleinen Gruppe“ des anderen Argumente „vergeudet“, und es ist von „persönlichen und inneruniversitären Querelen“ die Rede. Über Forscherfehden und wissenschaftliche Deutungsmonopole der Gegenwart ist man als Leser also letzten Endes ganz gut im Bilde… nur, eigentlich hatte man doch etwas über die Vergangenheit erfahren wollen!

In dieser – und den folgenden Wochen – werde ich versuchen, das herauszufiltern, was einigermaßen unstrittig ist. Auch werde ich mir Mühe geben, etwas sparsam umzugehen mit archaischen Namen, sprachwissenschaftlichen Finessen und sonstigen Fachtermini, einfach der Verständlichkeit halber. Dem, der gerne näher ins Detail gehen möchte, ist vielleicht mit der Literaturliste im Anhang geholfen.

Auch ist es ausdrücklich nicht das Ziel, den akademischen Konventionen folgend eine Anzahl bestimmter Funde, Befunde oder Dokumente zu untersuchen, um am Schluß die Resultate zu interpretieren und Hypothesen aufzustellen. Im Rahmen dieses Aufsatzes versuche ich, genau umgekehrt vorzugehen, und die Kernaussage an den Anfang zu stellen: Gab es den Trojanischen Krieg? Erst in Bezug auf diese Fragestellung werde ich archäologische, geschichtliche und sprachwissenschaftliche Erkenntnisse heranziehen, und so manches mir irrelevant Erscheinendes unter den Tisch fallen lassen. Streng genommen ist dieses Vorgehen nicht wissenschaftlich, aber diesen Vorwurf kann man auch solchen Kapazitäten wie Joachim Latacz und Dieter Hertel machen. Kapazitäten, die uns in den letzten drei Jahrzehnten ein völlig neues Bild von der Stadt Homers beschert haben!

Die Übersicht über die serie "Krieg um Troja"
1. Einleitung: Big in Ilion
2. Das Grundproblem: Dichter, Architekten und Steuereintreiber
3. "Timeo Danaos, ut donas ferentur!“ – Homers Ilias und andere Sagen um den Troja (09.03.2009, 0:00 Uhr)
4. Viele Trümmer und wenig Krieg – Was von Troja wirklich geblieben ist (16.03.2009, 0:00 Uhr)
5. Troja – Piratennest oder verdoppelte Stadt? (23.03.2009, 0:00 Uhr)
6. König Homer und der mannigfaltige Priamos: Personennamen in Mythos und Geschichte (30.03.2009, 0:00 Uhr)
7. Daten und Fakten (06.04.2009, 0:00 Uhr)
8. Der Seevölkersturm: War Agamemnon beschnitten?  (13.04.2009, 0:00 Uhr)
9. Fazit (20.04.2009, 0:00 Uhr)

Kommentare  

#1 Larandil 2009-02-23 09:30
Der Latinuminhaber meint: "Timeo Danaos et dona ferentes!" sollte es heißen. So steht es wenigstens bei Vergils Aeneas.

Die spaßigste Theorie über den Trojanischen Krieg habe ich vor ein paar Jahren auf dem Umweg über einen Roman von Clive Cussler kennengelernt - demzufolge hätte Troja in Cornwall gelegen, und der Krieg drehte sich um den Zugang zu den Zinnbergwerken.

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