Coelho, Paulo - Die Hexe von Portobello

Die Hexe von PortobelloDIE HEXE VON PORTOBELLO
(A BRUXA DE PORTOBELLO)
von PAULO COELHO
Übersetzung aus dem Brasilianischen: MARALDE MEYER-MINNEMANN
302 Seiten – 19.90€ - Hardcover
ISBN 978-3-257-06600-5
Diogenes

„Die Liebe ist keine Gewohnheit, Verbindlichkeit oder Schuld. Sie ist nicht das, was uns Schlager lehren – die Liebe ist. Und das ist das Testament von Athena oder Sherine oder Hagia Sophia: Die Liebe ist. Man muss sie nicht definieren. Liebe und frage nichts weiter. Liebe einfach nur.“

Es sind die Worte einer Frau, die von den einen als Heilige verehrt, von den anderen als Hexe verschrien wurde. Sie ist an ihrer Mission beinahe zerbrochen, aber sie ist nicht gescheitert.

Schon als Kind hatte sie außersinnliche Wahrnehmungen, die sie zunächst nicht kontrollieren konnte. Erst mit dem Heranwachsen wurde sie sich der Tatsache bewusst, dass sie anders war, ein anderes Leben führen wollte und musste.

Athena, wie sie sich selbst nennt, ist das namenlose Kind einer rumänischen Zigeunerin, als Säugling zur Adoption freigegeben und von einem libanesischen Paar groß gezogen. In den Wirren des Krieges flüchtet die Familie nach London. Schon früh verlässt Sherine (dieser Name wurde ihr von den Adoptiveltern gegeben) das Elternhaus, heiratet und bringt ein Kind zur Welt. Sie glaubt, damit einer Mission zu folgen, die ihr eingegeben wurde. Die Scheidung folgt jedoch schnell und die allein erziehende Mutter gibt sich einer spirituellen Entwicklung hin. Durch ihr Erlernen ungewöhnlicher Methoden zur geistigen Erneuerung wird sie zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau. Hin und her gerissen vertieft sie ihren Glauben an die „Grosse Mutter“ und wird schließlich zu deren Sprachorgan auf Erden, was zur Folge hat, dass sie von einer immer größer werdenden Schar Menschen verehrt wird. Die Situation eskaliert, als ein Priester sie der Gotteslästerung bezichtigt und die Versammlungen der Hagia Sophia (wie Sherine sich als Inkarnation der „Großen Mutter“ nennt) empfindlich stört. Zudem versucht man, ihr gerichtlich das Sorgerecht für ihren Sohn zu entziehen. Athena zieht sich schließlich zurück und wird alsbald bestialisch ermordet. Doch das ist nicht das Ende...

Der Inhalt ist sehr verflacht wiedergegeben. Um diesem gerecht zu werden, bräuchte man mehrere Seiten. Die Geschichte und vor allem die Personen sind zu komplex.

Wir haben es hier zwar mit einem phantastischen Roman zu tun, aber es geht hier zentral nicht um Magie oder PSI-Phänomene. All das ist eher Mittel zum Zweck, um die Geschichte und vor allem die persönliche Entwicklung der Athena voran zu treiben.

Paulo CoelhoPaulo Coelho gehört wohl zu den besten Autoren zeitgenössischer Literatur und ein immer wiederkehrendes Thema in seinen Romanen ist die Suche nach dem Sinn des Lebens, die Beantwortung der Frage, warum der Mensch existiert. Auf dieser Suche befindet sich auch Athena, die immer wieder zweifelt, verschiedene, unkonventionelle Wege geht, um all die Fragen, die sie sich stellt, beantworten zu können. Irgendwann stellt sie fest, dass sie dazu auserkoren ist, das Wort der „Grossen Mutter“ zu verkünden, indem sie diese selbst durch sich sprechen lässt.

Coelho wählt dazu eine ungewöhnliche Erzählform und gibt dadurch der Geschichte eine bemerkenswerte Dichte und den hohen Anstrich, real zu sein. Er erklärt, dass er alles nur nach Tonbandaufzeichnungen der real beteiligten Personen niedergeschrieben hat. So kommen auch nur diese Personen zu Wort, die ihre Erlebnisse mit Athena, den Austausch der Gedanken mit ihr, schildern. Der Autor brachte diese Aussagen in eine kontinuierliche Reihenfolge.

Zunächst fällt es schwer, diesen Protokollen zu folgen, zumal man das Gefühl hat, dass es nur um eine Frau geht, die etwas anders als andere gelebt hat und zu früh verstorben ist. Aber hat man sich erst einmal darauf eingelassen und sich mit den Charakteren vertraut gemacht, die es erzählen, dann taucht man regelrecht in die Welt Athenas ein. Und obwohl es immer sehr ruhig zugeht, nimmt die Geschichte Fahrt auf, stürzt den Leser bald in eine Achterbahnfahrt der Gefühle.

Hierin liegt die wahre Stärke des Romans. Je länger man liest, je mehr entwickelt sich eine emotionale Dichte, die den Leser einfach nicht mehr los lässt. Dazu trägt auch die enorme sprachliche Gewandtheit des Autors bei (Ich habe das Gefühl, dass die Übersetzung sehr akribisch ist). Gerade Leser, die ein wenig den sprachlichen Einheitsbrei dramatischer Thriller hinter sich lassen wollen, finden hier ein wahres Paradies.

Mal anders gesagt. DIE HEXE VON PORTOBELLO ist ein Stück höherer Literatur. Kein Phantastischer Roman im eigentlichen Sinne, sondern ein emotional aufwühlendes Drama mit Phantastischen Aspekten. In jedem Fall (aus welchem Blickwinkel man es auch immer sieht) ein lesenswerter Roman, den ich zwingend empfehlen kann/muss.

Weitere Informationen zu PAULO COELHO:

Ausführliche Biografie in der Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Paulo_Coelho

Website des Autors in Deutsch
http://www.paulocoelho.com/alem/index.html

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