Mièville, China. Die Bas-Lag-Romane (1 und 2)
Die
Bas-Lag-Romane 1 und 2
China Miéville
erschienen 2002 und
2004 (deutsch), 2000 und 2002 (Originale)
558 / 448 / 426 / 477 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe
Perdido Street Station:
Alles kann passieren, alles passiert und schließlich muss gar noch
der Weber, ein zeitmanipulierendes Einzelwesen, eingreifen, um New Crobuzon
und seine Bewohner vor der unermesslichen Gefahr zu retten.....
The
Scar:
Die Armada ist ein riesiges Konglomerat aus zusammengeschweißten Schiffen aller Art, eine Stadt mit mehreren hunderttausend Einwohnern verschiedenster Rassen, Interessen, Träume und Sehnsüchten. Sie driftet seit Jahrhunderten über die Ozeane der Welt, regiert von einer Handvoll rivalisierender Stadtviertel-Herrscher und ein Gefängnis für alle, besonders die neu zugeführten Bewohner.
Doch Bellis hat Glück. Nunmehr Bibliothekarin, entdeckt
sie ein wichtiges Buch, natürlich auch just in der Sprache verfasst, in der sie
einzige Expertin ist, geht mit auf die Luftschiffexpedition zur abgelegenen
Südinsel, wo der Verfasser mehr oder weniger entführt wird und erlebt auch den
Sinn des ganzen: den großen Plan der "Liebenden" (den mächtigsten
unter den Stadtherrschern), ein gigantisches Tiefseewesen, einen "Avanen",
herbeizulocken und 4 Meilen unter Armada anzuschirren, auf dass es nicht nur
die Stadt beliebig und schnell, sondern auch genau zum (sonst unschiffbaren)
"Verborgenen Ozean" und "der Narbe" zieht, buchstäblich
einem Einschnitt in die Welt, noch aus der mythischen Zeit, als die
Geistermagier vom Universum herabstiegen. Das Ziel wird erreicht - und doch
auch nicht....
"THE SCAR" setzt unmittelbar an die Ereignisse aus "PERDIDO STREET STATION" an, ist jedoch auch als eigenständiger Roman zu lesen; wobei, vom Geschmack des Rezensenten her (der allerdings auch ein unrettbar-romantisch veranlagter Fan von Seefahrtsgeschichten ist...) der noch bessere beider Romane.
Aber mit beiden Originalbüchern (ausnahmsweise ist man mal nicht uneins
mit der neuerdeutschen Verlagsattitüde, dickleibige Bände in zwei oder mehr
Bänden zu bringen), das kann man bereits jetzt sagen, hat der britische Autor
mit dem leicht irritierenden Namen so etwas wie Klassiker geschaffen, die in
keiner Fantasy-Bibliothek fehlen sollten: von prickelnder Spannung, prall
gefüllt mit wunderbaren Beschreibungen, neuen Ideen und unerwarteten Wendungen;
und "groß" in jedem Sinn: von der größten Stadt an Land zur größten
Schwimmenden Stadt, mit dem größten Lebewesen zur größten Herausforderung auf
der (sehr großen...) Welt Bas-Lag (ein dritter Roman, THE IRON COUNCIL / Der
Eiserne Rat ist inzwischen ebenfalls auf deutsch erschienen
Da hält man sich eher
an die im Vorwort genannte Reverenz des Autors an M. John Harrison, ebenfalls
Brite, aus dessen "Viricinium"-Serie er sich einige Vorbilder
entnommen hat (etwa den "Maschinenstrand", wo eine Unzahl
geheimnisvoller Maschinen vor sich hin rotten und selbst der Sand noch aus
Eisenteilen und Schräubchen zusammengesetzt ist).
Trotzdem und gerade handelt es
sich hier um schiere, reinste Fantasy (wenn auch einer besonderen Art).
Aber weder der Leser noch der Bewohner dieser Welt empfindet die
Technik, wie heutzutage, als etwas Beherrschendes; sie ist einfach nur da, es
zählt nicht, warum, sondern allein, wie sie sich auswirkt. Man wendet sie an,
mit derselben Grundsätzlichkeit wie die Magie, beides miteinander verbunden und
erstaunend ob der wundersamen Wirkung beider (eine der beispielhaften Szenen
ist jene, als man mit einem Bathyscop 4 Meilen hinuntertaucht, um den
erkrankten Avanen zu erkunden und dann, um Licht zu haben, im Tiefseetauchboot
eine Laterne anzündet!).
All
diese unterschiedlichen Vorlagen verknüpft der Autror so geschickt miteinander,
dass der ganze Flickenteppich etwas Neues, Unerwartetes, Wundersames ergibt.
Und so wie auf Armada die blühenden Blumen durch die romantisch-elegisch
verrottenden Eisenplatten der Schiffe brechen (allein das als Beispiel für die
ungewöhnliche Bildersprache der Beschreibungen), so blühen überall kleine und
kleinste Handlungsteilchen auf, die zunächst nichts miteinander zu tun haben
scheinen, aber im Endeffekt das große, ganze Faszinierende ergeben.
Die einzige kleine Kritik, die man üben könnte (außer der etwas stärkeren am Verlag, dass auch hier mal wieder, wie so oft, eine Karte der Fantasywelt fehlt), wäre, dass die Handlungspersonen, bei allen Emotionen, die in ihnen drinstecken, diese nicht recht ausdrücken; sie wachsen dem Leser nicht so "ans Herz", wie das gemeinhin bei Büchern solch Lesevergnügens vorkommen mag, sind manchmal etwas "unterkühlt" (was bei der Überfülle an Handlung und Beschreibungen aber nicht schadet).
Vielleicht hat
das den Titelbildzeichner der deutschen Ausgabe zu den (hässlichen) Bildern von
Bellis Coldwine bewegt. Demgegenüber steht die kongeniale Übersetzung von Eva
Bauche-Eppers, die wirklich alles aufbietet, was die deutsche Sprache an
Ausdruckformen hergibt, manchmal leicht übertreibend ("Die Decks
krängten arbiträr"), die vielen Anglizismen (und damit die Atmosphäre
des "britischen" Buches) erhaltend (so bleiben eben
"Remade", cyborgähnliche, operativ oder magisch verformte Wesen, mit
dampfbetriebenen Rädern und anderem, als "die Remaden") oder daraus
auch manche neue Wortschöpfung (wie "leporellierend") schaffend - und
alles passt zusammen.
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