Butcher, Jim: Academ's Fury - Book Two of the Codex Alera
Academ's Fury
Doch zurück zu »Academ's Fury«. Zwei Jahre sind, wie gesagt, vergangen, seit es Tavi und seinen Freunden gelungen ist, den Angriff feindlicher Marathorden auf Alera zu stoppen und den Sturz des Ersten Lords zu verhindern. Tavi studiert mittlerweile auf der Akademie in Alera Imperial, der Hauptstadt des Reichs. Seine Lehrjahre gestalten sich jedoch als bedeutend unangenehmer, als er es sich ausgemalt hat. Die Tatsache, dass er keine Elementare beherrschen kann, macht ihn zum Zielobjekt vieler Sticheleien und Anfeindungen. Und auch sein Dienst als Page des Ersten Lords erweist sich als Herausforderung spätestens zu dem Zeitpunkt, als Gaius vor Erschöpfung zusammenbricht und Tavi damit betraut wird, dafür zu sorgen, dass niemand von der Schwäche des Herrschers erfährt.
Doch auch anderswo gestaltet sich das Leben als schwierig. Bernard, Tavis Onkel und neuer Fürst von Calderon, sieht sich mit einer tödlichen Gefahr konfrontiert. Die Vord, ein Volk mental begabter Ungeheuer, haben ihr Nest im Wachwald verlassen und sich aufgemacht, die Welt der Menschen zu unterwerfen. Ihr erstes Ziel ist Calderon. Verzweifelt nehmen Bernard und seine Legionares den Kampf gegen die Bestien auf, doch es scheint, als wäre dies ein aussichtsloses Unterfangen.
Isana, Tavis Tante, fällt unterdessen beinahe einem Mordanschlag zum Opfer. Ohne es zu wollen, ist sie als einzige Frau, die jemals den Status einer Werhöferin innehatte zu einer Schachfigur im Kampf um die Vorherrschaft in Alera geworden.
Ein Königreich am Abgrund, monströse Feinde von allen Seiten, Intrigen, wohin man nur blickt und mittendrin befindet sich einmal mehr Tavi, der erneut das Schicksal Aleras in den Händen hält ...
Mehr Action, stärkere Feinde, noch mehr Ungeheuer der zweite Teil des »Codex Alera« kommt deutlich bombastischer daher als sein Vorgänger. Und das will bei dem Tempo und der Fülle an Kampfsequenzen aus Band Eins etwas heißen ...
Dass Butcher nochmals kräftig an der Actionschraube dreht, hat durchaus so seine Schattenseiten. Etwa die, dass sich beim Lesen des Romans recht bald Ermüdungserscheinungen zeigen. Die Feinde werden immer unmenschlicher, die Gefechte blutiger, die Gegenspieler zahlreicher irgendwann hat man den Punkt erreicht, an dem es einem eigentlich genug ist. Etwas mehr Zurückhaltung seitens Butchers wäre nicht verkehrt gewesen. Allen voran das Übermaß an blutigen und verlustreichen Auseinandersetzungen nimmt alsbald Überhand. Das schadet der Dramatik der einzelnen Szenen gehörig, da sich zeitweise eher ein Gefühl des Nicht schon wieder ... einstellt als ein Gefühl atemloser Spannung.
Schade ist auch, dass die Story von »Academ's Fury« deutlich unter dem Schneller! Höher! Weiter!-Ansatz leidet. Von der Originalität des ersten Teils ist nicht allzu viel geblieben. Viele der Storyelemente wirken lediglich wie aufgebauschte Wiederholungen von Handlungsbausteinen aus »Die Elementare von Calderon«. Der stereotype und finstere Charakter des Werhöfers Kord wird durch den nicht minder stereotypen und finsteren Charakter des Kalarus Brencis Minoris ersetzt, der Tavi das Leben schwer macht. Bernard muss erneut gegen einen Feld ins Feind ziehen, der seine Anhängerschaft auf brutalste Art und Weise dezimiert. Und so weiter, und so fort ... Zudem ist der Handlungsmix nicht immer hundertprozentig ausgegoren. Allen voran die (wenigen) Szenen, die sich mit Tavis Unterricht auseinandersetzen, wirken reichlich deplatziert und tragen weder zum Fortgang der Handlung noch zum Aufbau einer wie auch immer gearteten Atmosphäre bei.
Ist »Academ's Fury« also ein vollkommener Reinfall? Mitnichten! Das Buch mag seine Schwächen haben, und zwar nicht zu knapp. Dennoch sollte man dem Roman eine Chance geben, kann er doch ebenfalls eine ganze Menge guter Seiten vorweisen.
Um bei der Handlung zu bleiben: So unstimmig manche Szene wirkt, so brillant sind andere Passagen. Insbesondere der Handlungsbogen um Tavi bietet immer wieder Momente, die für Begeisterung sorgen, und in der Storyline um Isana beweist Butcher, dass er auch jenseits von Kampf- und Schlachtszenen spannende Fantasy schreiben kann.
Besonders schön finde ich die Verschiebung der Einteilung bestimmter Charaktere in Gute und Böse. Eine ganze Reihe von Figuren, die im ersten Teil noch zu den Feinden der Protagonisten gehört haben, lassen sich nun nicht mehr so einfach in eine Schublade packen. Gut und Böse, das macht Butcher deutlich, sind eben immer eine Sache der Perspektive, und es gibt immer Feinde, die noch eine Stufe schlimmer und schrecklicher sind als jene, die man bislang als Feinde angesehen hat.
Apropos Feinde. Hier sind insbesondere zwei Völker zu nennen: die Vord und die Canim. Die Erstgenannten spielten bereits im Vorgängerbuch eine zentrale Rolle, erweisen sich in »Academ's Fury« aber als deutlich gefährlicher, als man zunächst angenommen hat. Leider setzt Butcher bei ihrer Darstellung zu sehr auf die Idee des übermächtigen, schier unbesiegbaren Feindes, weshalb der Leser sie zwar als Bedrohung erkennt, sie in qualitativer Hinsicht allerdings nicht wirklich würdigen kann. Unbezwingbare, insektenartige Monstern gibt es in der phantastischen Literatur einfach zu viele (wenn auch für gewöhnlich eher im Bereich der SF).
Wesentlich interessanter wirken hingegen die Canim. Das Volk der werwolfähnlichen Bestien weist deutlich komplexere und dadurch interessantere Strukturen auf als das der Vord. Von daher kann man nur hoffen, dass die Canim in Teil drei eine größere Rolle spielen als in »Academ's Fury«.
Ein Wort noch zur Gestaltung der Protagonisten. Der ein oder andere Gegenspieler mag zwar reichlich einfach geraten sein, doch für die eigentlichen Hauptcharaktere gilt dies glücklicherweise nicht. Butcher hat sich Mühe gegeben, lebendige und vielseitige Figuren zu zeichnen und sie realistische Entwicklungen durchmachen zu lassen. Dieses Unterfangen ist ihm vollauf gelungen.
»Academ's Fury« ist mit Sicherheit kein Meilenstein des Fantasygenres. Hierfür ist die Story zu einfach, und der Fokus liegt zu sehr auf der Idee, die Geschichte immer noch größer und dramatischer erscheinen zu lassen. Wer aber auf der Suche ist nach actionreicher, kurzweiliger Unterhaltung, der liegt hier goldrichtig. Dank Butchers eingängigem Schreibstil und dem rasanten Voranschreiten der Handlung hat man keine Mühe, sich trotz der erwähnten Schwächen auf das Buch einzulassen. Fans von Markus Heitz seien der Roman sowie die Reihe als Ganzes daher wärmstens empfohlen.
Ach ja, eines noch: Wer sich aufgrund des Settings in einer Schule nun auf eine Art »Harry Potter« oder »Der Name des Windes« freut, der sei gewarnt: Mit diesen Werken hat Butchers Epos so gut wie nichts gemein!