Schwindt, Peter - Morland 1, Die Rückkehr der Eskatay
Ganz wie auf dem Cover angekündigt, ist dieses Hörspiel aus dem Hause headroom tatsächlich "grandios inszeniert".
Was mir nach einigen gehörten Tracks gleich zu Anfang ganz besonders gefiel ist die Art und Weise wie der Hörer (wie ich vermute auch der Leser des Romans) in die Geschichte eingeführt wird. In vielen kleinen Einzelepisoden lernen wir die verschiedenen Hauptfiguren und deren (Vor)Leben kennen, kein Kapitel geht verschwommen ins Nächste über, und so ist es ein Leichtes der Geschichte zu folgen.
Morland - Die Rückkehr der Eskatay beginnt 10 Jahre vor dem eigentlichen Geschehen mit der Geschichte des Bergmanns Juri, der als einziger seines Dorfes den Angriff eines Wolfrudels überlebt. Während er vor einem Wintersturm in einem abgelegenen Stollen Zuflucht findet, macht er eine Entdeckung die für den weiteren Verlauf der noch folgenden Ereignisse nicht unwichtig ist.
10 Jahre später lernen wir Tess, York, Hakon und Hagen Lennart kennen. Die Geschichten der vier Hauptfiguren beginnen getrennt voneinander, die einzelnen Handlungsstränge werden aber nach und nach miteinander zu einem gemeinsamen Abenteuer verwoben.
Tess ist 13 und wächst im berüchtigten Waisenhaus Nr 9 auf. Die Zustände dort sind fürchterlich, die Kinder werden als billige Arbeitskräfte missbraucht, und schlecht behandelt. Als Tess' Freund Egino zufällig ein Flugblatt der "Armee der Morgenröte" - einer Untergrundorganisation die sich gegen die Regierung Morlands und deren wirtschaftlich schlechter Führung auflehnt - in die Finger bekommt, schlägt dieser vor auch innerhalb des Heims einen Streik anzuzetteln. Tess ist zuerst nicht begeistert schliesst sich aber dann doch an. Die Folgen sind katastophal: Die Kinder werden von den Aufsehern mit Holzknüppeln verprügelt und eingesperrt. Als Tess zur Befragung abgeholt werden soll entwickelt sie zu ihrem eigenen Erstaunen ganz plötzlich gewaltige Kräfte; sie kann sich befreien, mehrere Aufseher niederschlagen und mit einem einzigen Satz über die Mauern der Anstalt fliehen. Sie ist glücklich endlich frei zu sein, doch ist es ihr ein Rätsel woher sie plötzlich solche Kräfte entwickelt konnte.
York Urban ist der Sohn eines Oberen Richters, und 15 Jahre alt. Seinen Elternhaus, in dem er wie in einem goldenen Käfig gehalten wird, hat er noch nie verlassen. Er bekommt Privatunterricht, hat allerdings keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Als eines Tages sein Vater verfrüht von der Arbeit nach Hause kommt und ihm einen Schlüssel zu einem Schließfach übergibt - für den Fall dass ihm etwas passieren möge - versteht York die Welt nicht mehr. Sein Vater bittet ihn sich in einem geheimen Raum hinter der Bibliothek zu verstecken, um so den folgenden Gespräch zwischen dem Richter und dem eintreffenden Minister folgen zu können. Tatsächlich muss der Junge nun untätig mit ansehen wie sein vater ermordet wird - zu seinem Entsetzen ist auch Egmont, der treue Assistent des Vaters darin verwickelt. Er versteckt sich, da bereits nach ihm gesucht wird, im Wandschrank seines Vaters, landet aber auf unerklärliche Weise plötzlich in seinem eigenem. Er muss sich teleportiert haben...
Hagen Lennart ist ein durchschnittlicher Polizist mit großen Talenten. Deswegen auch wird er überraschenderweise direkt vom Regierungsführer zum Chefinspektor ernannt und mit der Lösung dreier angeblicher Selbstmorde betraut. Nichts ahnend mit wem er sich eingelassen hat, nimmt Lennart die Ermittlungen auf und trifft dabei eher zufällig auf den jungen Hakon, der ihm im weiteren Gang der Geschichte die Augen über seine Arbeitgeber öffnet.
Hakon betreibt gemeinsam mit seiner Familie einen Wanderzirkus, und ist dort als Zauberkünstler tätig. Als der Zirkus in einem kleinen Dorf Halt macht, weil seine Schwester Nadja schwer krank ist, werden sie von den Dorfbewohner sofort freundlich aufgenommen. Sogar ein Arzt wird geschickt, der Nadja erstaunlicherweise sofort heilen kann. Während der abendlichen Vorstellung, bei der auch der Arzt Mersbeck anwesend ist, kommt es zu heftigen Tumulten als einer der Dorfbewohner Hakons "Gedankenlesetrick" als Lug und Trug bezeichnet. Hakon ist wütend und will den Bewohnern das Gegenteil beweisen: Er liest, unter interessierter Beobachtung von Mersbeck, die Gedanken eines Besuchers und löst so unabsichtlich große Streitereien im Zelt aus. Letztlich wird die Familie aus dem Dorf gejagd und es bleibt ihnen nichts anders als in die nächst größere Stadt zu ziehen. Mersberg benachrichtigt derweil den Staatsagenten Swann über den jungen Telephaten, der sofort glaubt einen der "Eskatay" gefunden zu haben - magisch begabte Menschen, die durch eine seltsame Blume infiziert wurden.
Doch Hakon ist kein Eskatay, sondern ein Gist, ein Mensch mit natürlich angeborener, magischer Begabung - genauso wie Tess und York, die alle noch nichts von ihrer Herkunft und den damit verbundenen Gefahren wissen. Erst allmählich wird ihnen durch verschiedene Personen klar, wer und was sie sind, und letztlich machen sich alle gemeinsam auf den Weg um das Schlimmste zu verhindern, denn der Krieg in Morland hat bereits begonnen.
Die Rückkehr der Eskatay ist keine klassische Fantasygeschichte, wie man sie zu Hauf kennt. Vielmehr liegt Morland in einer anderen, sich von unserer unterscheidenden Realität. Beim Hören entstand mehrfach das Gefühl einer vertrauten aber doch fremden Welt, von der ich nicht einmal ausmachen kann
zu welcher Zeit sie spielen könnte. Die Szenerie zeigt ein fortschrittliches, modernes Land mit gasbetriebenen Automobilen und Luftschiffen, Fabriken, und dem Leben der Menschen das dem unserem sehr ähnelt. Andererseits herrschen dort chaotische, fast mittelalterliche Zustände, wenn man bedenkt wie zb die Waisen in den Heimen ausgenutzt und behandelt werden - während widerrum die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes in Zeiten der realen Weltwirtschaftskrise wieder an das echte Leben erinnert. Alleine diese Mischung aus Fiktion und Realität macht dieses Hörspiel sehr faszinierend; taucht man in die Geschichte ein hat man teilweise gar nicht das Gefühl etwas Erdachtes zu erleben.
Untermalt werden die Abenteuer von Tess, York, Hakon und Lennart von situationsbedingt angepasster Musik, die auf den Hörer weder ablenkend noch störend wirkt. Auch die teilweise eindrucksvollen Geräuscheffekte wurden hervorragend in die enstprechenden Szenen einfügt und verleihen den Geschehnissen umso mehr Ausdruck und Bedeutung.
Die teilweise hochkarätige Besetzung tut ihr Übriges. Mit bekannten Namen wie Ulrich Noethen (Erzähler), Bastian Pastewka (Egmont) oder Matthias Koeberlin (Hakon) kann man eigentlich gar nichts falsch machen, besonders überzeugt haben mich allerdings Celine Vogt und Benjamin Degen in den Rollen von Tess und York. Die beiden hauchen ihren Charakteren echtes Leben ein und sind meiner persönlichen Meinung nach großartig für diese Rollen besetzt. Benjamin Degen spricht teilweise etwas überspannt, zu aufgesetzt, aber irgendwie passt dieser etwas snobistische Unterton zu York, der ja (vermeintlich) aus reichen, gehobenen Verhältnissen stammt.
Die Coverillustrationen von Christopher Gibbs sind schlicht aber beeindruckend anzusehen. Sie zeigen eine goldenen Industriestadt vor wolkenverhangenem Himmel und einem gewaltigen Bergmassiv.
Alles in Allem bietet das knapp mit 4 Stunden bemessene Hörspiel alles an Spannung und Unterhaltung was man für den Preis von 19.90 Euro erwarten kann, und ich persönlich hoffe dass auf Die Rückkehr der Eskatay, Teil 1 von Peter Schwindts Morland-Trilogie, alsbald auch die Forsetzung "Die Blume des Bösen" als Hörspiel erscheint.
Fazit: Effektvolle, spannende und vor allem unterhaltsame 4 Stunden, die von mir eine absolute Kaufempfehlung erhalten.