Morgan, Richard: Glühender Stahl
»Glühender Stahl« erzählt die düstere Geschichte einer Welt, die vor wenigen Jahren einen verheerenden Krieg erlebt hat und deren Bewohner nun, noch ehe sie sich vollständig von den Kampfhandlungen erholt haben, mit einer möglicherweise noch weitaus schlimmeren Bedrohung konfrontiert werden. Eine uralte Rasse, die vor vielen Jahrhunderten aus den Reichen der Menschen vertrieben wurde, schickt sich an, ihre einstigen Lande mit Feuer und Schwert wieder zurückzuerobern.
Im Mittelpunkt der
Geschichte stehen drei Krieger, die im vorherigen Krieg gegen die
Geschuppten zu Helden wurden, sich in den darauffolgenden Jahren aber
ziemlich gehen ließen und aus den Augen verloren. Der schwule
Schwertkrieger Ringil verdient seinen Lebensunterhalt in einem
abgelegenen Dorf, wo er gegen Geld alte Kriegsgeschichten zum Besten
gibt und mehr und mehr außer Form gerät. Erst als ihn seine Mutter
bittet, seine Cousine aus den Fängen von Sklavenhändlern zu
befreien, findet Ringil langsam sein altes Selbst zurück. Womit er
allerdings nicht rechnet, ist die Größe des Wespennests, in das er
während seiner Rettungsmission hineinsticht.
Der Barbar Egar aus den nördlichen Landen ist zum Anführer seines Klans aufgestiegen, was weder seinen Brüdern noch dem claneigenen Schamanen besonders gut gefällt. Schon bald hat Egar aber ganz andere Probleme als menschliche Eifersüchteleien, wird er doch in einen im wahrsten Sinne des Wortes göttlichen Krieg hineingezogen.
Die Kriegerin Archeth soll im Auftrag ihres ungeliebten Königs einen rätselhaften Überfall auf ein Küstendorf untersuchen. Als sie dort ankommt, findet sie ein Schlachtfeld vor und die ersten Anzeichen für die Rückkehr von Wesen, die sie selbst nur noch aus dunklen Legenden kennt.
Ein neues Zeitalter kündet sich an. Die Zeit der Menschen scheint beendet. Ein Ende, das mit Blut und Leid einhergeht ...
Kalt, derb und vulgär. Das sind die drei Adjektive, die »Glühender Stahl« wohl am treffendsten beschreiben. Morgans Fantasyroman strotzt nur so vor zynischen, teils recht barbarisch wirkenden Protagonisten, heruntergekommenen Schauplätzen und allzu ausgiebigen und detaillierten Beschreibungen von Gewalt- und insbesondere Sexszenen.
Was man dem Roman in jedem Falle zugute halten muss, sind die formidable Erzählweise Morgans sowie die originellen Handlungsbögen, aus denen sich der Plot zusammensetzt. Richard Morgan fährt wie eine Axt durch sämtliche Klischees der Fantasy, wird Bestsellerautor Joe Abercrombie auf der Coverrückseite zitiert. Recht hat er. »Glühender Stahl« erzählt eine in jeglicher Hinsicht ungewöhnliche Story. Angefangen von der simplen Tatsache, dass der Held des Romans das Mädchen am Ende nicht bekommen wird, weil er eben schwul ist, bis hin zur Darstellung der Schurken, die alles andere als die in jeder Hinsicht überlegenen und durchtriebenen Bösewichte sind, die man aus sonstigen Fantasyromanen kennt, umschifft das Buch großräumig die üblichen Stereotype. Statt sich mit Altbekanntem aufzuhalten, schildert Morgan eine ganz eigene, originelle Geschichte, die auch versierten Fantasylesern reichlich Neues zu bieten hat.
Die Lesefreude wird leider durch die allzu vulgäre Darstellung der Handlung getrübt. Morgan ergötzt sich geradezu daran, seine Erzählung in jeglicher Hinsicht derb und dreckig wirken zu lassen. Die auftauchenden Personen sind samt und sonders zynische oder grobe Charaktere, die verschiedenen Setting allesamt auf die ein oder andere Weise verkommen. Die häufig auftretenden Sexszenen schildert Morgan in beinahe epischer Breite und in aller Ausführlichkeit, sodass sie besser in einem Porno aufgehoben wären als in einem Fantasyroman.
Kurzum: »Glühender Stahl« übertreibt es in Sachen Derbheit gewaltig. Das macht es unmöglich, für die handelnden Personen mehr als mildes Interesse aufzubringen, und äußerst schwer, die Handlung, so gut sie auch geschrieben sein mag, wirklich zu genießen, scheint sie doch kaum mehr als ein Alibi zu sein für die Aneinanderreihung von Szenen, in denen Figuren ihren niedersten Instinkten freien Lauf lassen.
»Glühender Stahl« ist ein Roman, den man nur dann mögen wird, wenn man Fan des Low Fantasy-Genres ist. Wer Romane wie die Werke von Stephan Bellem zu schätzen weiß, der sollte ruhig mal einen Blick in Morgans Fantasydebüt werfen. Die originellen Storylines sind durchaus dazu angetan, einem einige interessante Lesestunden zu bescheren auch wenn es die Derbheit der Erzählung nicht leicht macht, die Lektüre tatsächlich voll und ganz auszukosten. Vorfreude auf die Fortsetzung kommt von daher nicht wirklich auf, keine Ahnung, ob ich die sie wirklich lesen muss ...