Toxic Lullaby
Was soll man von einer hessischen Independent-Produktion erwarten, für die gerade einmal ein Budget von ca. 10.000 Euro zur Verfügung stand? Diese Frage erhält noch viel mehr Gewicht, wenn man bisher als einziges Werk des Regisseurs Ralf Kemper den deutschen Trash-Klassiker "Überfall der Mörderrucksäcke" gesehen hat, der zwar durch seinen extrem naiven und fast schon diletantischen Charme zu überzeugen wusste, aber ganz ehrlich gesagt nur für echte Trash-Liebhaber geignet ist, da er keinerlei echte Klasse beinhaltet. Nicht sehr viel, könnte man jetzt meinen und erliegt da schon dem ersten Trugschluss, entpuppt sich "Toxic Lullaby" doch ziemlich überraschend als wirklich gelungener Genre-Beitrag, der zudem noch eine sehr interessante und gut gelungene Mixtur beinhaltet. Nicht umsonst hat der Film doch im Sommer beim "New York International Film Festival" den Award für den besten internationalen Horrorfilm gewonnen, ein Umstand, der den Film umso mehr aufwertet wenn man bedenkt, das auch eine Schauspiel-Größe wie Forest Whitaker der Jury angehört hat, dessen Meinung wohl nicht so ganz unwichtig erscheint.
Trotz dieser Information war ich zu Beginn noch sehr skeptisch, da mir immer diese ominösen Mörderrucksäcke im Kopf rumgespukt haben. Von Beginn an also vollkommen auf Trash eingestellt, musste ich ziemlich schnell feststellen, das sich mir hier eine äusserst gelungene Mischung aus apokalyptischer Endzeit-Story- und Horrorfilm offenbarte, die diese bezeichnung auch durchaus verdient. Kemper hat es hier mit dem Einsatz von extrem spartanischen Mitteln bewerkstelligt, das sich innerhalb kürzester Zeit eine wirklich ansehnliche Endzeit-Atmosphäre entfalten kann, die so manchem amerikanischen B-Movie zu Ruhm und Ehre gereichen würde. Natürlich muss man das immer unter dem Gesichtspunkt einer absoluten Low Budget Produktion sehen, doch dafür wird der Zuschauer nun wirklich ganz vortrefflich bedient. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die ausgewählten Schauplätze und man bekommt eindrucksvoll unter Beweis gestellt, das es manchmal gar nicht mehr braucht als verlassene Landschaften, einen einsamen Wald, ein paar abbruchreife Häuser und einen stillgelegten U-Bahn Tunnel, um eine absolut überzeugende und trostlose Grundstimmung zu erschaffen.
Besonders imponiert hat mir wie schon kurz erwähnt die sehr gute Kombination aus Endzeit-und Horrorfilm, denn sind hier auch zombieähnliche Wesen mit am Start, die unter der Bezeichnung "Schläfer" immer wieder in den Vordergrund treten, aber im Endeffekt die gleichen Merkmale aufweisen wie die berühmten Untoten. Sind doch auch sie auf der Jagd nach den wenigen noch lebenden Menschen, um ihr warmes Fleisch zu essen. Auch Bisse dieser Kreaturen haben die gleiche Wirkung, denn verwandelt sich die gebissene Person doch auch nach kurzer Zeit in einen "Schläfer". So kann man also getrost davon ausgehen, das "Toxic Lullaby" auch im Bezug auf Action und Härte so Einiges zu bieten hat und wer diese Hoffnung hegt, wird auch keinesfalls enttäuscht. Hält man sich in den ersten gut 30 Minuten mit der Action und den SFX noch einigermaßen vornehm zurück, so geht es danach doch ziemlich beachtlich zur Sache, so das auch insbesondere die Freunde der etwas härteren Gangart voll auf ihre Kosten kommen. Das Erstaunliche für mich persönlich war aber gar nicht einmal der vorhandene Härtegrad, sondern vielmehr die Qualität der Splatter-und Gore Einlagen, denn diese sind für eine Produktion dieser Art wirklich gut gelungen. Spätestens hier merkt man ganz eindeutig, das zwischen Kemper's Mörderrucksäcken und der vorliegenden Produktion im Bezug auf die Qualität wahre Welten liegen, denn "Toxic Lullaby" hinterlässt streckenweise einen recht professionellen Eindruck beim Betrachter, denn man wird einfach das Gefühl nicht los, das es sich hier auch durchaus um einen ausländischen B-Movie handeln könnte.
Zu diesem guten Eindruck trägt auch die Darsteller-Riege bei, die nicht wie so oft bei deutschen Independent-Filmen hauptsächlich durch vollkommen künstlich auftretende Mimik oder absolut hölzerne Dialoge auffällt, sondern absolut solides Schauspiel darbietet, das sich jederzeit sehen lassen kann. Ich habe bis jetzt nicht gerade wenige Filme dieser Art aus deutschen Landen gesehen und der größte Kritikpunkt war für mich fast immer der darstellerische Bereich, doch in dieser Beziehung konnte mich dieses Werk auch absolut überzeugen. So gibt es im Prinzip kaum etwas an diesem Film zu bemängeln, zudem Ralf Kemper es auch noch ausgezeichnet verstanden hat, den Zuschauer durch die ersten Minuten der Geschichte in eine bestimmte Richtung zu steuern, die sich kurz vor dem Ende als geschicktes Täuschungsmanöver herausstellt, auf das man schon fast zwangsläufig durch den Story-Aufbau hereinfallen musste. Stellt sich das Geschehen doch am Ende ganz anders dar, als wie man es die gesamte Laufzeit über angenommen hat. Und so ist dann auch letztendlich das gewählte Ende das einzig Passende und unterstreicht noch einmal zusätzlich die äusserst düstere und triste Grundstimmung, die den Ereignissen die gasamte Zeit über beigewohnt hat.
Zum Ende sollte man noch erwähnen, das die DVD in erstklassiger Bild-und Tonqualität erscheint, so das man auch im technischen Bereich keinerlei Grund zur Beanstandung findet. Ausserdem ist die düstere Geschichte auch noch mit einem sehr passenden Score untermalt, was das gewonnene Gesamtbild noch einmal zusätzlich aufwertet. Man kann also ohne Übertreibung von einer absolut gelungenem Film sprechen, der meiner Meinung nach nicht nur für Freunde des Independent Films eine Empfehlung wert ist, auch Leute, die sich ansonsten nicht allzu viel aus Low Budget Werken machen sollten mal einen Blick riskieren, denn es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, das sie positiv überrascht werden.
Fazit: Man kann Ralf Kemper wohl ohne Übertreibung bescheinigen, das er mit "Toxic Lullaby" einen absolut sehenswerten Genre-Beitrag abgeliefert hat, dem man sein geringes Budget phasenweise gar nicht einmal ansieht. Mich persönlich hat der Film jedenfalls richtiggehend begeistert, denn so gute und unterhaltsame Kost hatte ich beim besten Willen nicht erwartet. Umso schöner erscheint es deshalb auch, wenn sich die schlimmsten befürchtungen überhauot nicht erfüllen und man stattdessen einen richtig guten Film geboten bekommt, in dem eine packende und actionreiche Geschichte mit den bescheidendsten Mitteln erstklassig in Szene gesetzt wurde. Leute, die diese Art von Film zu schätzen wissen, kommen keinesfalls an "Toxic Lullaby" vorbei und werden ganz sicher ihre helle Freude an dieser deutschen Produktion haben.