Hohlbein, Wolfgang: Infinity - Der Turm
Infinity Der Turm
Von Wolfgang Hohlbein
Von Wolfgang Hohlbein
Endlich habe ich den Roman vollendet, den ich schon immer schreiben wollte.
Mit diesen Worten wird Wolfgang Hohlbein auf der Innenseite des Schutzumschlags zitiert. Eine interessante, aber auch ein wenig verwirrende Aussage. Einerseits merkt man dem Buch stark an, dass es der Gedankenwelt des deutschen Bestsellerautors entsprungen ist. Hohlbeinkenner werden viele der abgehandelten Motive und auftauchenden Figuren wiedererkennen, sind sie doch in ähnlicher Gestalt bereits in vielen früheren Werken des Autors insbesondere »Enwor« und »Der Thron der Libelle«, aber auch »Das Herz des Waldes« und »Die Saga von Garth und Torian« aufgetaucht. Dass all diese Motive nun in einem einzigen Werk gebündelt werden, macht die Aussage Hohlbeins durchaus nachvollziehbar.(Um gewisse Bedenken gleich von Beginn an zu zerstreuen: Dass Hohlbein auf geläufige Motive zurückgreift, meint nicht, dass er schlicht und ergreifend Altbekanntes aufwärmt. Er nutzt zwar vertraute, ihm genehme Anhaltspunkte, stellt diese jedoch in veränderte Kontexte und bietet dem Leser so eine angenehme Mischung aus Wiedererkennen und der Freude am Erleben von etwas Neuem, Unbekannten.)
Andererseits: Wenn »Der Turm« das Buch ist, das der Autor schon immer schreiben wollte wieso hat er seine übrigen Bücher dann bisher so vollkommen anders verfasst??? Denn obwohl »Der Turm« in einer Vielzahl von Aspekten (etwa bzgl. des ausgesprochen langsamen Erzähltempos) den sonstigen Romanen Hohlbeins gleicht (bis hin zum schon angesprochenen Entlehnen von Figuren), so unterscheidet er sich dennoch phänomenal von allem, was bislang unter dem Namen Wolfgang Hohlbein erschienen ist.
Etwa hinsichtlich der Charakterisierung der Protagonisten. Wo Hohlbein in den letzten Jahren insbesondere bei Frauencharakteren auf sehr eintönige Stereotype zurückgegriffen hat, gibt er sich diesmal weitaus innovativer und wartet mit einem ausdifferenzierten Figurenensemble voll vielschichtiger, unterschiedlicher Personen auf.
Auffälligster Unterschied zu seinem sonstigen Werk ist allerdings die Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird. Die üblichen Hohlbein-Romane sind stets aus der Sicht eines einzigen Charakters geschildert. Nicht so »Der Turm«. Hier wechselt Hohlbein immer wieder den Blickwinkel, berichtet das Geschehen aus der Perspektive vieler verschiedener Figuren und ermöglicht dem Leser so einen umfassenden Einblick in die Welt von »Infinity«. Das Ergebnis des Ganzen ist der abwechslungsreichste und spannendste Hohlbein seit langem.
Hat das Buch auch seine Schattenseiten? Durchaus. So wirkt die Geschichte stellenweise aufgrund des behäbigen Erzähltempos arg in die Länge gezogen, und dass im Grunde keine Figur so recht weiß, was genau sie nun eigentlich will und warum sie so handelt, wie sie handelt (ein Problem, das ich schon bei »Die Tochter der Midgardschlange« moniert habe), ist mitunter ziemlich verwirrend, da man sich zeitweilig zu fragen beginnt, was genau denn nun eigentlich der Plot der Geschichte ist.
Die interessanten Protagonisten, eine Vielzahl origineller Handlungselemente, die ausgesprochen stimmige Atmosphäre und nicht zuletzt das atemberaubende Finale entschädigen aber für alle gelegentlichen Unannehmlichkeiten. Kein Zweifel: »Der Turm« ist trotz Plot-Armut eines der packendsten Werke, die Hohlbein jemals geschrieben hat.
Mein Fazit daher: Freunden düsterer Endzeitszenarios sollten sich den Auftakt der »Infinity«-Saga keinesfalls entgehen lassen. Ein beeindruckendes Buch, das man nach Beendigung der Lektüre nur widerwillig zur Seite legt und dessen Fortsetzung gar nicht schnell genug erscheinen kann.
Daten zum Buch
: 978-3-492-70223-2
: 2011