... Gaby Wurster über Jules Verne und die Arbeit einer Übersetzerin
... über Jules Verne und die Arbeit einer Übersetzerin
Mit dem Piper-Verlag verbinden mich mittlerweile über zehn Jahre Zusammenarbeit. Ich nehme an, dass mich das Fantasy-Lektorat angefragt hat, weil ich in der Vergangenheit auch seitenstarke Titel innerhalb eines gegebenen Zeitfensters zur Zufriedenheit der Lektoren bewältigt habe.
Ich hatte von 1989 bis 1994 einen Kleinverlag für griechische Literatur und habe auch selbst übersetzt. Angebot und Nachfrage in dieser Sprachnische sind jedoch sehr begrenzt, also muss man sich als hauptberuflicher Übersetzer ein wenig nach dem Markt richten und sich auf seine anderen Zweitsprachen besinnen, das sind bei mir Englisch, Französisch, Italienisch und Portugiesisch.
Auch aus dem Griechischen habe ich relativ bekannte Autoren übersetzt. Kostoula Mitropoulou etwa oder Demosthenes Kourtovik. Ich hatte die Chance und das Glück, die Autoren persönlich kennenlernen und mit ihnen zusammen an der Übersetzung arbeiten zu können.
Das ging mit Jules Verne nun nicht, insofern war die Verantwortung selbstverständlich größer, zumal der Anspruch der Herausgeber der Originalfassung auch ein anderer war als bei den Fassungen von Michel Verne. Aber ganz ungeachtet dessen, gehe ich mit derselben Achtung an ein Werk von Monsieur X oder Missis Y und trage für die Übersetzung nicht weniger Sorge. Übersetzen ist für mich ein Entweder-Oder. Wenn ich es mache, dann mache ich es richtig und ohne Ansehen der Person.
Als Vorbereitung habe ich die Vorlage gelesen und die nötige Recherche betrieben. Die Fassung von Michel Verne habe ich nicht gelesen, denn, wie gesagt, es ist ein ganz anderes Buch, und ,,jener Jules Verne, für den der Sohn zeichnet, interessiert mich nicht so sehr wie der sozialkritische, düstere, leidenschaftliche Autor, der er am Ende seines Lebens war.
Außerdem würde ich sagen, die Bilanz ist am Ende eines Buches wohl immer ausgeglichen. Die eine oder andere Formulierung ist eben in der Ausgangssprache präziser, prägnanter oder pointierter, dafür kann man wiederum im Deutschen einen anderen Sachverhalt besser auf den Punkt bringen.
Bislang musste ich eine Übersetzung aus inhaltlichen oder idiolektalen Gründen noch nicht ablehnen. Zum Glück habe ich wohl ausreichend Einfühlungsvermögen, um mich sprachlich in einen Text einzufinden.
Das ist ein weites Feld. Ohne Übersetzer gäbe es keine Weltliteratur; kein Homer, kein Shakespeare, kein Verne wäre je außerhalb seiner Sprachgrenzen bekannt geworden. Dass die Übersetzer daher mit jedem Recht der Welt um mehr Anerkennung kämpfen, die sich in der Namensnennung auf dem Cover und schließlich auch im Honorar ausdrücken soll, kann man in den Medien immer wieder verfolgen. Es wurden ja auch schon einige kleinere Fortschritte erzielt. Doch abgesehen davon, beiße ich nicht ständig in die Schreibtischkante, nur weil ich erst auf Seite 3 erwähnt werde.
Wenn ein Leser die Originalsprache beherrscht, gibt es wenig Grund, eine Übersetzung zu lesen, es sei denn, sie ist besser. Auch das kommt vor. Aber bevor interessierte Leser, die über begrenzte Fremdsprachenkenntnisse verfügen, gar nicht lesen, sollten sie doch besser eine Übersetzung zur Hand nehmen. Oder?
Ich denke, ich habe es mit meinen Autoren immer gut getroffen. Von den französischen Autoren macht mir im Moment Claude Izner mit seinen Fin-de-Siècle-Paris-Krimis sehr viel Freude. Apropos Krimis: Die philosophischen Kriminalgeschichten von Fernando Pessoa würden mich wirklich sehr reizen. Und ich bin weiterhin gespannt: Vielleicht tauchen in der Zukunft ja neue ,,Traumautoren auf ...
www.gaby-wurster.de www.gabriele-von-ehrenfeldt.de
Zumindest macht es mir genauso viel Freude. Natürlich ist es in jeder Hinsicht, eine ganz andere, sehr viel freiere, kreativere Arbeit, und das eigene Buch ist rundum erfüllender, ob es nun ein kleiner Krimi sei oder eine Anthologie.