... Peter Fricke über deutsche Sprache, triviale Stoffe und Zitate großer Leute
: Die deutsche Sprache kann man als aufregend schön empfinden, denn sie ist in ihrer Vielfalt und ihrer Genauigkeit einmalig. Beispielsweise hat die französische Sprache für die Bewegung viel weniger Begriffe zur Verfügung, aber sie wird von den Franzosen geliebt und es gibt in der Comedie Francaise, nach Monologen von Darstellern, Applaus, alleine für die excellente Handhabung und Aussprache der theatralischen Texte in ihrer Sprache. Davon sind wir in Deutschland weit entfernt. Hier wird die Sprache als kompliziert empfunden und der Englischen der Vorzug gegeben, die im oberflächlichen Gebrauch gewiss leichter ist, aber im differenzierten sprachlichen Ausdruck a u c h kompliziert und vielgestaltig. Wir wollen doch nicht vergessen, dass deutsch als Weltsprache an einer Stimme gescheitert ist, - also so gering war der Abstand, der uns englisch als Weltsprache geschenkt hat. Das den Menschen in Erinnerung gerufen, die es so schick finden, denglisch zu sprechen, oder auch, bei jeder möglichen Gelegenheit, englisch.
Wenn die Sprache eines Landes verkommt, verkommt seine Kultur, sagte der Dichter Pasternak und die Sprachverschlampung und Verluderung ist ja nun in aller Breite sichtbar. Dazu tragen die Medien bei und die Tatsache, dass alles an Unsinn nachgeplappert wird. Nehmen wir das immer und ewig gebrauchte massiv für alles und jedes, oder Beispiele aus der Fußballwelt, weil das als populär gilt, oder proletarische Ausdrücke wie bescheuert das ist nicht mein Bier der soll mich am A. lecken.
Der Sprachausverkauf wird deutlich, wenn für die einstürzende Türme, wie auch für ein runter gefallenes Stück Käse, das Wort Scheiße richtig scheint, oder auch der Ausdruck Wahnsinn für den FC Bayern, wie auch für jede Form von Katastrophe.
So auch genial genannt wird, seine Großmutter zufällig zu treffen und damit für- Einstein - kein Begriff mehr verfügbar zu haben.
Ein Drehort ist eine Location, die es erlaubt, suboptimiert zu arbeiten. Ich wundere mich dass so etwas wie very lecker Spargel in Deutschland möglich ist als Tafelwerbung.
Das lässt sich endlos fortsetzen, soll aber nur Blitzlichter auf die Handhabung werfen. Das Land entscheidet sich freiwillig für den geringsten Wortschatz und ich habe bei Media-Markt gefragt, ob sie denn auch an Menschen verkaufen, die einen Nebensatz bilden können und nicht angebrüllt werden wollen (siehe Media-Werbung).
In Paris sehe ich, dass ich in Frankreich bin, denn ich sehe eine Strasse mit ausschließlich französischen Aufschriften und Neon-Werbung in der Landessprache, also eben Coiffeur für Hairdresser.
Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Seine differenzierte Sprache, auf der Basis von Reflexion.
: Ja, Hörspiele und eben auch Hörbücher sind deshalb so gut, weil sie die Bilder, die Vorgänge, in den Menschen erzeugen, also nicht komplett mit Bild und Ton befriedigen. Ich habe es so formuliert: Wenn Gedanken allein aus der Sprache Kontur erhalten, wenn Charaktere sichtbar werden, ohne dass man sie sieht, ist die Kunst der Interpretation erreicht. Das genau hat seine Wirkung auf den Hörenden. Da das Fernsehen seinen Kulturauftrag nicht erfüllt, ist die Beliebtheit der Hörbücher kein Wunder. Es sind dann immer noch Minoritäten, die kaufen, aber sie bekommen ihr Recht. Auch ist es für Autofahrer inspirierend in der Eintönigkeit der Autobahnfahrten.
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: Nachtzug nach Lissabon" hat mir sehr gefallen und ich konnte mit der Hauptfigur und der Geschichte etwas anfangen, also imaginieren.
In aller Kompliziertheit der Figurenanlage, mit der philosophischen Komponente, ist die Geschichte nachvollziehbar und unterhaltsam.
Ich mag, schätze Literatur mit Breite, Tiefe und komplexen Zusammenhängen, wenn ich das so ausdrücken darf. Ich bin froh darüber gefordert zu werden.
: Den Boom an trivialen Stoffen und schnellen Umsetzungen sehe ich an den ökonomischen Gegebenheiten, denn solche Produktionen kosten Geld und sie müssen Geld zurück führen. Wie auch im TV macht man Geld mit der Masse siehe Einschaltquote und mit der Kenntnis der Tatsache, dass Allen das Denken erlaubt ist, vielen aber erspart bleibt.
Übrigens Kinderhörspiele wie Pippi Langstrumpf finde ich nie trivial und Das Gespenst von Canterville ist von O. Wilde.
: Natürlich arbeite ich weiter wie mein gesamtes bewusstes Leben mit der Sprache. Es ist ja auch mit viel Freude verbunden und ich hatte das Glück des Hörbuchpreises 2008 an mich und war, als Interpret, auch an dem deutschen Hörbuchpreis 2009 und gerade 2010 mit Alexander Kluges Chronik der Gefühle beteiligt.
: Gerade allerdings war ich General Ludendorff in einem TV-Film des Bayr. Rundfunks. Sie haben recht, ich war und bin sicher der einzige Schauspieler, der sich Ende 1989 aus einer privilegierten Situation der TV-Beschäftigung, sozusagen aus freien Stücken, zurückgezogen hat.
Es gab damals 150 Serien und ich wollte keine der Serien anführen, weil ich nicht durch eine dieser Serien, als Apotheker, Arzt, Förster, oder was auch immer, laufen wollte. Der Beruf, oder Job (mit dem Begriff des Jobbers hat übrigens alle missliche Veränderung angefangen) ist eine gestaltende Aufgabe, - nämlich sich, mit verschiedenen Charakteren, selbst und seine Möglichkeiten zu entdecken. Das kann man am Theater und kann man als Gast in Serien, aber nicht, wenn man durch die Serie führt. Der Beruf als Selbstdarsteller interessiert mich nicht.
: Ich glaube, dass die von Ihnen angesprochenen Krimiserien sehr europäisch waren. Das war ja wohl auch der große Erfolg nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Ländern, an unseren Serien. Dann hatten wir große Schauspieler-Persönlichkeiten unterschiedlichster Charaktere, die es nicht mehr gibt. Die gesamte Theaterprominenz hatte Herr Ringelmann als Produzent im Kommissar und auch noch im Derrick, also ich bezeichne das, als den Reichtum der Vielfalt und abgesehen von den unterschiedlichsten Talenten, eine hohe handwerkliche Substanz, also Profession, als Grundlage für die Gestaltung.
Dies ist heute nicht mehr gegeben, denn viele, die sich in dem Beruf tummeln, haben nicht mehr als Hintergrund das Theater, als die Wurzel des Berufes. Sie gehen direkt zum Fernsehen, um berühmt zu werden und Kohle zu machen. Der Beruf ist ärgerlicherweise nicht geschützt, wie das auch Ben Kingsley bedauert und der von mir zum Vorbild genommene Laurence Olivier sagte : Früher gab es hunderte von Schauspielern und alle bemühten sich ein Star zu werden heute gibt es hunderte von Stars und kaum einer bemüht sich, auch ein Schauspieler zu werden.
Meine Anfängerjahre waren noch ohne Fernsehen und alle Schauspieler, die dann später TV spielten, kamen vom Theater, beschäftigten sich mit Literatur und haben Spielzeiten mit vielen unterschiedlichen Rollen verbracht. Im TV kann man über viele Jahre immer mit dem selben Typ in Erscheinung treten, das gibt es am Theater nicht.
: Ich hatte eine stärkere persönliche Bindung an Horst Tappert, wir kannten uns auch vom Theater. Er hat auch bei einer Folge mit mir, Regie geführt und das kenntnisreich und liebevoll getan. Auch hatte er Sinn für Pausen, - auch Zeit zu lassen, im Bild, den Ausdruck zu verändern.
Das überhaupt sehe ich als gravierenden Unterschied zu den heutigen Krimiserien, es wurde Ruhe im Bild gegeben. Zur Zeit orientiert man sich ausschließlich an amerikanischen Serien/Filmen mit vielen Schnitten, viel Action und die Psychologie der Figuren ist oberflächlich, grell, auf möglichst viel Effekt angelegt und lassen nicht viel Zeit für widersprüchliche Charakteranlagen.
: Ich bedanke mich für das Interview, die Fragen an mich, die mich anregen, darüber nachzudenken, wie wichtig gemachte Erfahrungen sind, wie wichtig es ist, zu erkennen, dass es keine Zukunft ohne Vergangenheit gibt.
Tradition ist nicht Bewunderung der Asche, sondern Erhaltung des Feuers sagte der Komponist G. Mahler
Peter Fricke in Kürze:
Kommentare
Tja, schön wäre es wenn wir das "lockerer" hinbekommen würden. Nur freiwillig besinnt sich hier keiner der deutschen Sprache. Und bevor ich hier niemanden mehr verstehe, beführworte ich die rigide Spracherhaltung der Franzosen. Gerade in Sachen Werbung/TV-Sender wird uns ein Kauderwelch geboten zu dem man faßt ein eigenes Wörterbuch benötigt. Selbst beim sogenannten I-Pod ging ich zuerst davon aus, daß das Teil zu den sanitären Einrichtungen zählt, bis das ich gesehen habe (Werbung) das man auf dem Ding nicht sitzt!