Go West! - 18. Mai 2015
Noch eine Reise in den ›Wilden Westen‹
18. Mai 2015
Alamo und san Antonio
Heute erreichten wir San Antonio, vielleicht die schönste Stadt von Texas, mit Sicherheit aber die historisch bedeutendste.
Um 1830 kamen Kolonisten in das zu Mexiko gehörende Texas, eingeladen von Stephen Fuller Austin, dem die mexikanische Regierung einen sogenannten „Landgrant“ verliehen hatte, um die Erschließung des für sie wertlosen Gebiets zu fördern.
Innerhalb weniger Jahre entwickelten sich unüberwindliche Spannungen zwischen den Siedlern und der mexikanischen Verwaltung.
Die Kolonisten weigerten sich, der mexikanischen Staatsreligion, dem Katholizismus, beizutreten, und sie mißachteten das Sklavereiverbot der mexikanischen Regierung. Die Mexikaner wiederum ließen ihre Siedler im Kampf gegen Indianerangriffe und Banditen allein.
1834 wurde Stephan Austin – der „Vater von Texas“ - bei dem Versuch, mit der Regierung über bessere Bedingungen für seine Siedler zu verhandeln, in Mexiko verhaftet und über ein Jahr eingekerkert.
1835 waren die Texaner der ständigen Konflikte müde. Im November bildeten sie eine Armee und eine provisorische Regierung. Die texanische Revolution hatte begonnen. Der erste Schuß fiel am 2. Oktober 1835.
Innerhalb weniger Wochen waren die Mexikaner aus Texas vertrieben, und am 2. März 1836 erklärten die Texaner die Gründung der unabhängigen Republik Texas.
Da waren die Mexikaner aber schon zurück, mit der geballten Macht eines großen Staates. Die Armee unter Führung des Staatspräsidenten Santa Anna rückte ein. Dieser dachte nicht daran, seine unbotmäßige Provinz einfach ziehen zu lassen.
Unter Führung von so charismatischen Männern wie Jim Bowie, Davy Crockett, William Barret Travis, James Fannin und Sam Houston scharten sich die Texaner zusammen und erklärten ihre Bereitschaft, bis zur letzten Kugel zu kämpfen.
In San Antonio hatten einst mexikanische Truppen die alte spanische Mission San Antonio de Valero, genannt „Alamo“, die 1744 gegründet worden war, zur Festung ausgebaut. Die texanischen Rebellen hatten General de Cos im Dezember 1835 zur Kapitulation gezwungen und den Alamo mit 19 mexikanischen Kanonen übernommen.
Als die große Armee der Mexikaner am 23. Februar 1836 anrückte, hatten sich hinter den Mauern rd. 180 Rebellen verschanzt. Sie widerstanden der Armee Santa Annas und fügten ihr schwere Verluste zu. Man geht heute davon aus, daß über 600 Mexikaner getötet oder verwundet wurden – das war ein Drittel von Santa Annas Belagerungsstreitmacht, und zwar seine besten Soldaten; militärisch eine Katastrophe für den Diktator.
Als die Mission schließlich nach unglaublich brutalen Kämpfen am 6. März 1836 überrannt wurde, ließ er die noch lebenden Kämpfer gnadenlos hinrichten, ihre Leichen wie Holzscheite aufeinander schichten und verbrennen. Es sollte kein Grab für die Männer vom Alamo geben, ihre Existenz sollte vollständig ausgelöscht werden.
Genauso verfuhr Santa Anna an anderen Orten: Wo immer Texaner in seine Gefangenschaft gerieten, ließ er sie sofort exekutieren. Am 2. März in Agudulce, am 14. März in Refugio und am 27. März in Goliad.
Der Oberkommandierende der Texaner, Sam Houston, hatte zuvor befohlen, den Alamo aufzugeben. Tatsächlich konnte er letztlich froh über die Hartnäckigkeit der Alamo-Verteidiger sein; denn zum einen stachelten die Ereignisse in San Antonio den Zorn der Texaner an und befeuerten ihre Motivation, zum anderen war die mexikanische Armee durch den harten Widerstand derartig demoralisiert worden, daß es Houston bei San Jacinto gelang, Santa Anna unter dem Schlachruf „Remember the Alamo!“ (Erinnert euch an Alamo!) vernichtend zu schlagen und zur Kapitulation zu zwingen.
Das Foto zeigt die berühmte Fassade der alten Missionskirche. (Artikelbild und Bild 33 der Galerie)
Ein freundlicher Alamo-Ranger war bereit, sich mit meiner Gruppe fotografieren zu lassen. (Bild 34 der Galerie)
Die Alamo-Mission ist nur noch teilweise erhalten, da schon während des erbitterten Kampfes viel Bausubstanz zerstört wurde. Dieser Schrein des texanischen Patriotismus liegt heute inmitten der Altstadt von San Antonio, umgeben von einigen hässlichen großen Hotelbauten.
Aber wer sich einen Sinn für Geschichte bewahrt hat und die Vorgänge um den Alamo kennt, kann sich mit ein wenig Phantasie die dramatischen Ereignisse vor Augen führen.
Um 1900 drohte der Alamo zu verfallen. Die Besitzverhältnisse hatten sich ständig verschoben. Mal waren die katholische Kirche, dann wieder der Staat Texas, dann private Geschäftsleute Inhaber der Ruinen. Eine öffentliche Initiative zur Rettung des Alamo führte schließlich dazu, daß die „Daughters of the Republic of Texas“ die Verwaltung übernahmen und heute noch haben.
Hier das gewaltige Monument für die Verteidiger der Festung. Angeblich wurden ihre Leichen auf diesem Platz verbrannt. In das Monument sind alle bekannten Namen eingraviert. (Bild 35 der Galerie)
Die Legende besagt, daß William Travis beim Anmarsch der Mexikaner die Besatzung antreten ließ und mit seinem Säbel eine Linie in den Boden zog. Er hielt eine Ansprache, die damit endete, daß er allen die Möglichkeit gab, sich in Sicherheit zu bringen: "Wer will, kann unbehelligt gehen. Aber wer über diese Linie auf meine Seite kommt, muß bis zum Tode für die Freiheit kämpfen."
Es traten alle über die Linie, keiner ging.
Ob diese Geschichte nun stimmt oder nicht - sie ist gut und paßt zu der Situation. Der Platz ist vor der Kapelle entsprechend gekennzeichnet. (Bild 36 der Galerie)
San Antonio ist im Altstadtbereich nicht unbedingt typisch amerikanisch mit üppiger Pflanzenpracht an den Ufern des San Antonio River. Es gibt eine ausgeprägte spanisch-mexikanische Atmosphäre, die diese Stadt als Brennpunkt der Kulturen in diesem Teil Amerikas interessant macht.
Im Alamo kämpften nicht nur Amerikaner, sondern auch Engländer, Schotten, Franzosen, Italiener, Deutsche und Japaner. Ihnen ist im Missionsgarten ein besonderer Gedenkstein gewidmet. (Bilder 37 und 38 der Galerie)
Kommentare
Auf den Fotos wirkt die Gedenkstätte relativ bescheiden. Ich hätte mir das größer vorgestellt.
In der Tat wirkt der Platz dieses heroischen Kampfes heute recht klein. Ich habe in meinem Reisetagebuch allerdings mit einigen Sätzen darauf hingewiesen, daß der Ort sich in den letzten 180 Jahren verändert hat.
Zum einen war San Antonio schon 1836 ein strategisch bedeutender "Verkehrsknotenpunkt", den Santa Anna schon aus Prestigegründen unbedingt einnehmen wollte; daher ließ er seine Armee fast zwei Wochen lang unter grauenvollen Verlusten gegen die Mauern der Mission anrennen. Zum anderen war die "Missions-Festung damals mindestens drei- bis viermal so groß. Was wir heute sehen, ist nur noch der Kern.
Es hätte nicht viel gefehlt, und der ganze Alamo wäre aus kommerziellen Gründen der Stadtentwicklung geschleift worden. Geschichtsbewußte Bürger von Texas haben die Vernichtung im späten 19. Jh. verhindert.
Dort, wo sich die ursprünglichen Umfriedungsmauern befanden, an denen sich die verzweifelten Kämpfe abspielten, stehen heute Geschäftsbauten, Hotels, ein Postamt, usw. Wenn man davor steht, braucht man ein bißchen Phantasie, sich die alten Dimensionen vorzustellen.
Im Innern der Mission steht ein maßstabsgetreues Modell, das den Eindruck der ursprünglichen Verhältnisse vermittelt.
In der Tat dürften die 2 Millionen Besucher im Jahr auf den ersten Blick einen bescheidenen Eindruck erhalten, wenn sie Alamo-Plaza betreten.
Damals lag die Mission am Rande der Siedlung, heute mitten in der Altstadt von San Antonio. Damals befand sich das Heerlager von Tausenden von Mexikanern dort, wo heute geschäftige Straßen sind.
Da gibt es einen neuen Alamo-Film - in den Crocket sogar Geige spielt - und wo der Alamo sehr gut nachgebaut ist. Den kann ich jedem nur empfelhlen. Allerdings - die Szene mit dem Säbel und der Linie ist hier nicht dabei... dafür aber, das Santa Ana Crocket als Gefangenen zu demütigen versucht und töten lässt.
In jenen Tagen gab es keine Massenmedien, die die Bilder von prominenten Personen ständig verbreiteten. Keiner der Mexikaner wußte, wie Crockett aussah, und er dürfte sich nicht vorgestellt haben. Es gibt keine mexikanischen Aufzeichnungen über seine Hinrichtung. Santa Anna war bei den Exekutionen vermutlich gar nicht zugegen. Es ist - trotz der Mehrheitsmeinung aller Historiker - daher auch nicht unmöglich, daß er beim letzten Sturm der Mexikaner gefallen ist.
Hermes: Die Sklavenhaltung in Texas war EIN Streitpunkt zwischen Kolonisten und Mexikanern, aber nicht der "zentrale". Es war, wie ich beschrieben habe, ein Bündel von Problemen: 1. der Katholizismus als Staatsreligion, 2. die Sklavenhaltung, 3. der mangelnde Schutz vor Indianerangriffen, 4. Gleichgültigkeit und Willkür bei Problemen mit mexikanischen Banditen, 5. bürokratische Strafmaßnahmen gegen die Sprecher der Texaner, die Mitbestimmung wollten. (Willkürliche Verhaftungen von Travis, Austin und anderen, usw.), 6. offensichtliche Benachteilungen durch örtliche mexikanische Beamte.
Es war auch keineswegs so, daß ALLE Texaner die Unabhängigkeit wollten; sie erwarteten lediglich Entgegenkommen der mexikanischen Regierung.
Aber Santa Anna hatte als Staatspräsident die liberale Verfassung des Landes außer Kraft gesetzt, das Parlament nach Hause geschickt und sich zum Diktator gemacht, und er ging keinerlei Kompromisse ein. Das schweißte die Texaner letztlich zusammen und machte die Revolution unausweichlich.