Go West! - 12. Juni 2016
Wieder in den ›Wilden Westen‹
12. Juni 2016
Von Chadron aus führte uns der Wege in eine der traurigsten Regionen der USA – auf die Pine Ridge Reservation.
Von allen Indianerreservationen ist Pine Ridge vielleicht die problematischste mit der niedrigsten Sozialstruktur – obwohl das Spielkasino (Prairie Winds) inzwischen gute Gewinne erwirtschaftet.
Wir passierten vor Erreichen der Reservationsgrenze das erbärmliche Nest White Clay noch auf dem Territorium von Nebraska, das im Grunde aus 3 oder 4 Schnapsläden besteht, in das viele arbeitslose Lakota am Monatsanfang ihre Sozialschecks tragen.
Zwar hat die Oglala-Lakota-Regierung vor 2 Jahren das Alkoholverbot auf der Reservation aufgehoben, um den Verkauf von Bier und Whiskey auf Reservationsland zu kontrollieren, aber noch immer ziehen es viele Indianer vor, über die Grenze nach Nebraska zu gehen und in White Clay einzukaufen. (Fotos von den Zuständen in White Clay veröffentliche ich nicht.)
Wir erreichten kurz danach das Gelände von Wounded Knee, wo das letzte große Massaker der Indianerkriege stattfand und wo de facto die Plainskriege 1890 endeten.
Das alte Massengrab, in dem die Opfer des Massakers wie Holzscheite aufgeschichtet wurden, und eine kleine Kapelle kennzeichnen den Platz des Dramas.
Seit Jahren schwelt ein Streit zwischen den Nachkommen der Opfer und der Stammesführung über die Präsentation und Nutzung dieses Geländes. Stille Gedenkstätte oder touristischer Anziehungspunkt sind die weit auseinander liegenden Pole. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht. Also geschieht nichts, und das Geld, das auf einem Treuhandkonto bereitliegt, um für die Entwicklung des Platzes eingesetzt zu werden, verzinst sich und wird nicht angerührt.
Und dann stellte sich während des 40. Gedenkens an den Wounded-Knee-Aufstand des „American Indian Movement“ im Februar 1973 heraus, daß das zentrale Areal des als sakral angesehenen Wounded-Knee-Geländes dem Stamm der Oglala gar nicht gehört, sondern im legalen Besitz eines Händlers ist, weil ein indianischer Farmer vor Jahrzehnten das Land verkauft hat. Der Besitzer will über 4 Millionen für die Parzelle haben, und seither ist ein neuer Streit entbrannt. (Bild 291-292)
Am Zaun, der das Massengrab umgibt, werden ständig Opfergaben aufgehängt. Ringsherum ist der kleine Friedhof bis heute letzte Ruhestätte von Bewohnern der Reservation. Der Schauplatz eines der tragischsten und dramatischsten Ereignisse der amerikanischen Beschichte ist von bedrückender Stille umgeben.
Wann immer ich hierherkomme – mein erster Besuch liegt wohl ca. 30 Jahre zurück – umfasst mich Trauer und Fassungslosigkeit. Ähnlich wie beim Betreten des Geländes am Sand Creek im Süden Colorados. Die Menschen, die hier starben, waren überwiegend Frauen und Kinder. Und auch die Männer konnte man kaum noch als „Krieger“ bezeichnen. Sie waren längst besiegt. Die Kämpfe waren vorbei. Es handelte sich um Menschen auf der Flucht, nachdem sie vom gewaltsamen Tod Sitting Bulls auf Standing Rock erfahren hatten. Sie stellten für niemanden eine Gefahr dar.
Der große amerikanische Historiker und Autor Jerome Greene, ehemals Chefhistoriker des Nationalpark-Service, hat mit seinem Buch AMERICAN CARNAGE (2014) das beste Werk über die Ereignisse von Wounded Knee geschaffen.
Ich zeige hier nur beispielhaft die Fotos einiger Gräber aus unserer Zeit, darunter auch das Grab eines Sohnes des berühmten Black Elk, sowie Gräber indianischer Soldaten. (Bild 293-295)
Von Wounded Knee aus fuhren wir in die bizarren Badlands von South Dakota, durch die sich 1891 der Zug der flüchtenden Geistertänzer unter Big Foot schleppte, bis er bei Wounded Knee gestellt wurde. Der Trail der Big-Foot-Gruppe ist gekennzeichnet. (Bild 296-299)
Endstation dieses Tages war die kleine Stadt Wall am Rande der Badlands, wo wir übernachten.
Wall wäre heute vermutlich nur ein größerer Tankstellenstopp auf dem Weg durch die ausgetrocknenen Ebenen von South Dakota Richtung Black Hills und Yellowstone Park, hätte es nicht das Ehepaar Ted und Dorothy Hustead gegeben, das 1931 in der rd. 230 Seelen umfassenden Gemeinde eine Apotheke und Drogerie eröffneten und kurz vor dem Verhungern waren, als Dorothy die rettende Idee kam. Sie überredete ihren Mann am vorbeiführenden Highway – heute eine vielbefahrene Interstate-Autobahn – ein Schild aufzustellen, auf dem „kostenloses Eiswasser“ angeboten wurde.
Bis dahin hatte sich kein Mensch für das gottverlassene Nest und die kleine Apotheke interessiert. Schon eine Stunde nach dem das Schild stand, rollten die ersten Automobile die Mainstreet herunter. Und die Besucher wollten nicht nur „Free Ice Water“, sie kauften auch andere Erfrischungen, Snacks und vieles mehr.
Im ersten Jahr waren es Tausende – die Husteads mussten das erste Personal einstellen. Dann kamen Zehntausende, Hunderttausende – und inzwischen halten mehr als 2 Millionen Besucher jährlich in der kleinen Stadt, die heute vermutlich überwiegend im Besitz der Familie Hustead ist und ganze 800 Einwohner hat. Manchmal kommen über 20.000 Menschen am Tag!!!
Mit der Idee des „Free Ice Water“ haben Ted und Dorothy Hustead ihre Kinder zu Milliardären gemacht, die das Familienunternehmen bis heute mit Erfolg weiterführen.
Kostenloses Eiswasser gibt es immer noch, und (guten) Kaffee für 5 Cents die Tasse auch! (Bild 300-302)
Zum Abschluß für heute noch Bilder zum Freuen: Bei der Fahrt durch die Badlands passierten wir eine Präriehund-Kolonie. Natürlich haben wir angehalten und fotografiert.
Präriehunde sind nicht nur niedliche, sondern sehr kluge Tiere, die in festen Familienverbänden mit ausgefeilter Sozialstruktur leben. (Bild 303-304)