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Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar - 2. Der Aufstieg des Bösen

Lucius Cornelius Sulla – Der Cäsar vor Cäsar2. Der Aufstieg des Bösen

Geboren wurde Lucius Cornelius Sulla im Jahre 138 v. Chr. Er entstammte den Corneliern (Cornelii), einer Patrizierfamilie, die – wie so viele andere Patrizierfamilien auch – den Anspruch erhob, schon zu Zeiten der Königsherrschaft Senatoren gestellt zu haben.

Die Cornelier waren das Geschlecht, das im Verlauf der Jahrhunderte die meisten Konsuln hervorbrachte.


Lucius Cornelius SullaZu ihnen gehörten auch die Cornelii Scipiones, die sich insbesondere im zweiten und dritten Punischen Krieg einen Namen machten. Einem anderen Seitenzweig, den Cornelii Rufini, entstammte ein Publius Cornelius Rufinus, der im Jahre 334 v. Chr. auch schon die Position eines Dictator innehatte, ein Amt, das einem für maximal sechs Monate die alleinige Befehlsgewalt zubilligte. Auch dessen gleichnamiger Sohn, der die Samniten unterwarf und gegen Pyrrhos kämpfte, war um das Jahr 285 v. Chr. Diktator. Ihm wurde es zum Verhängnis, daß sein Intimfeind Fabricius Lucinus 275 v. Chr. zum Censor aufstieg, und ihn wegen Raffgier und Prunksucht aus der Senatsliste strich (Genau genommen, hatte er mehr als zehn Pfund schweres Tafelsilber benutzt). Damit war dieser Zweig der Cornelier entehrt, und in der nächsten Generation legte man den mit Schande beladenen Rufnamen Rufinus ab, um ihn durch das noch unbelastete Sulla zu ersetzen. Vermutlich ist das Wort abgeleitet von sura, dem lateinischen Wort für „Wade“, aber es ist unklar, ob es sich nun auf einen besonders wohlgestalten Körperbau bezogen hat, oder auf ein verkrüppeltes Bein und/ oder einen Sprachfehler. Daß der Protagonist dieses Aufsatzes sein Cognomen lieber als „Sylla“ von „Sibylla“ ableitete, hat damit zu tun, daß den Nachfahren des Rufinus eine höhere Ämterlaufbahn versagt war, und sie stattdessen das Amt des Jupiterpriesters übernahmen. Als Hannibal Italien verheerte, hatte einer von ihnen die Sibyllinischen Bücher befragt, und auf dieser Basis Festspiele abgehalten, um den Beistand des Gottes Apoll zu erwirken. Doch die Demütigung des Rufinus hallte noch lange nach, und so bekleidete diese Linie nurmehr weniger bedeutende Ämter: Gerade mal eine Quästur war in Reichweite. Von Lucius Sulla, dem Älteren – Vater des Sulla, von dem dieses Referat handelt – weiß man schließlich gar nicht mehr, ob er überhaupt noch eines der Senatsämter bekleidet hat. Aber es gelang ihm, bei seiner zweiten Hochzeit reich zu heiraten.

So wuchs Lucius Cornelius in einem relativ wohlhabenden Haushalt auf. Er genoß die Erziehung durch Privatlehrer, und ein womöglicher Studienaufenthalt in Griechenland ist ebenfalls nicht ausgeschlossen. Auf jeden Fall erwarb er sich auf diesem Wege einen Sachverstand in Kunst und Literatur, und er sprach das Griechische so gut wie Latein. Freilich waren die finanziellen Mittel dann aber doch so begrenzt, daß er nicht mit dem Prunk der wirklich mächtigen Familien mithalten konnte.

Den Quellen zufolge muß er ausnehmend attraktiv gewesen sein, mit blondem Haar, einem durchdringenden Blick aus blauen bzw. grauen Augen und heller, zum Teil auch rosiger Haut. Als Jüngling soll er von empathischem Temperament gewesen, ja, Tränen des Mitleids vergossen haben. In jeder Stimmungslage habe er gut ausgesehen, und sein Intellekt hätte ihm Leuten sympathisch gemacht, die sich vom Stand her über ihm befanden. Nach Sallust war er „beredt und schlau, und mit aller Welt gut Freund“. Auch seine Redekunst und Schlagfertigkeit wurden gerühmt. Was aber sein Charisma anbelangte, so soll es so übermächtig gewesen sein, daß es ihm die Herzen der Damen, aber auch seiner Anhänger geöffnet haben soll. Freilich war er sich seiner Außenwirkung bewußt, und pflegte mit selbstsicherer Nonchalance aufzutreten. Ein Sunnyboy also, der nicht viel zu tun brauchte, um Bewunderung zu ernten. Daß er angeblich nur einen Hoden gehabt haben soll (was auch einem etwas moderneren Diktator nachgesagt worden ist), dürfte dieses Bild kaum getrübt haben.

Doch dann gab es da noch den anderen Sulla. Den unergründlich Verschlossenen, der zugleich auch zügellos verschwenderisch lebte. Dessen Leidenschaft auch sonst kein Maß, und dessen Selbstgerechtigkeit keine Grenzen kannte, was Haß, Grausamkeit und Verbissenheit anbelangte! Der dazu noch nachtragend war, so daß sein Groll nicht einfach verrauchte, wie bei so manch anderem Choleriker. Desweiteren war er auch noch ein ungestümer Springinsfeld, der sich mit Vertrauen auf sein Glück in Situationen stürzte, die ihm das Leben kosten konnten. Weil er hierbei regelmäßig als Sieger hervorging, glaubte er sich von der Glücksgöttin Fortuna gesegnet, und gab sich daher den Beinamen felix, was „der Glückliche“ bedeutet.

Erfolge verwöhnen aber auch. Und sie verleiten einen zu der Annahme, man habe die Götter auf seiner Seite, weil man „ihre Sache“ vertrete. Damit kommt zu dem ohnehin schon übersteigerten Selbstwertgefühl des hochwohlgeborenen Sprößlings Sulla auch noch ein Sendungsbewußtsein, daß aus der eigenen Anschauung ein lo vult wird, eine absolute Überzeugung, daß die eigene Auffassung stets und unfehlbar richtig sein muß. Und schon ergibt es einen Sinn, daß man in Sulla gern den Bösewicht vom Typ Inquisitor gesehen hat! Zumal er nicht nur ein unbelehrbarer Optimat war, sondern darüber hinaus ein kluger Kopf.

Eine später kolportierte Legende behauptet, seine Amme habe ihm prophezeit, er würde glückbringend für die Republik und sich selbst sein, und wäre alsdann spurlos verschwunden. Doch wie dem auch sei, das Leben des jungen Sulla läßt nicht erkennen, daß sich die Weissagung tatsächlich einmal erfüllen könnte. Im Grunde genommen lebte er vom Müßiggang auf Kosten seiner Eltern, wie es so manch dekadenter Bohemien mit Hauptberuf Erbe tut. Er trieb sich vollkommen unstandesgemäß mit Künstlern und Schauspielern, Sängern und Tänzern beiderlei Geschlechts herum, betrank sich hemmungslos und hatte Affären mit wechselnden Partnerinnen. Ja, er fand nichts dabei, der Liebhaber einer weithin bekannten Edelprostituierten namens Nikopolis zu sein. Eine Anekdote erweckt gar den Eindruck, daß er noch nicht einmal das Stadthaus seiner Familie hat halten können, und somit zur Miete wohnen mußte. Seine klassische Bildung machte sich immerhin soweit bemerkbar, als daß er Theaterstücke schrieb – Nur waren es keine künstlerisch oder mythologisch bedeutsamen Werke, sondern vulgäre Schwänke mit einem sehr bodenständigen Humor. Alles in allem bevorzugte er ein Milieu, in dem er mit Geist, Esprit und Schönheit auftrumpfen konnte, aber für eine Laufbahn im Senat empfahl er sich damit nicht unbedingt.

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