Valeria Messala Barbata: Sie nannten sie »Messalina« - Messer-Lina
Valeria Messala Barbata - Sie nannten sie »Messalina«
8. Messer-Lina
8. Messer-Lina
Als die Hochzeit stattfand, weilte Claudius gerade wieder im nahen Ostia und soll über Wochen nichts von der Bigamie seiner Angetrauten gewußt haben. Bigamie jedoch war selbst bei dem, was man von Messalina bereits gewohnt war, ein absolut skandalöser Verstoß gegen die Lex Julia. Warum die zuständigen Stellen nicht sogleich eingeschritten sind, bleibt ungeklärt. Ebenso mysteriös bleibt, warum der Princeps für so lange Zeit nichts von dem Frevel mitbekommen haben soll. Traute sich etwa niemand, ihm die schockierende Nachricht zu übermitteln? Oder wußte er gar davon, war aber zu sehr seiner Gemahlin verfallen, um etwas dagegen zu unternehmen?
Bei Sueton findet sich eine Version, bei der Claudius mit der bekannten Hilfe von „Träumen“ geweissagt worden sein soll, der Ehemann der Messalina würde ermordet werden. Demnach wäre ihm aufgeschwatzt worden, bei dieser zweiten Trauung handele es sich um eine List, das Schicksal auszutricksen. Denn so würde das angekündigte Verhängnis über den zweiten Gatten hereinbrechen, statt ihn, den ersten Gemahl, zu treffen.
Die Freigelassenen jedoch begannen zu zaudern, weil es auch zu ihren Aufgaben gehörte, den Kaiser über derart ungeheuerliche Vorgänge zu unterrichten. Aber nach dem, was Messalina sich geleistet hatte, war ihre Rache weniger zu fürchten, als seine. Pallas stand zudem in enger Beziehung zu Messalinas Intimfeindin Agrippina, und war vielleicht damals schon ihr Geliebter (während die wiederum ihren Weg ins Bett des Kaisers fand). Es war jedoch Narcissus, der die Initiative ergriff, Messalina ans Messer zu liefern. Möglicherweise wollte er seinen Ruf als „Retter des Kaisers“ nicht aufs Spiel setzen, oder er ahnte, daß sie ihn erpressen konnte, sollte sie bei ihrem Hasardeurspiel seiner Hilfe bedürfen. Auf jeden Fall stellte sie nun eine Gefahr dar für seine illegalen Geschäfte.
Also wandte er sich an Calpurnia und Cleopatra, die beiden Huren, mit denen sich Claudius ständig umgab. Er redete ihnen ein, daß sie ohne Messalinas Konkurrenz freien Zugriff auf den Princeps hätten, und so verschafften sie dem Freigelassenen eine Audienz bei ihm. Und sie spielten sogar mit, indem sie sich ihrem Liebhaber und Landesherrn zu Füßen warfen, um zu beklagen, daß Messalina und Silius nach seinem Leben trachteten. Sie erzählten, daß sich die Verschwörer beim Bacchanal versammelt hätten, um ihr konspiratives Planungstreffen als religiöses Fest zu tarnen, und allein Narcissus wäre noch zu trauen.
Claudius ließ sofort nach seinen Ministern schicken, und Narcissus nutzte sein ganzes Redetalent, um sich selbst von allem Verdacht reinzuwaschen, er hätte mit den Aufrührern kooperiert. Ja, er habe gar auf Silius eingewirkt, damit der von der Kaiserin lasse – Stattdessen hätten die beiden geheiratet.
Tacitus läßt Narcissus noch fragen, ob Claudius überhaupt etwas davon wisse, daß er von seiner Angetrauten geschieden sei. Die Antwort läßt er offen. Es ist freilich denkbar, daß sowohl Sueton, als auch Tacitus recht gehabt haben, und Claudius insgeheim seine Zustimmung zur frevlerischen Trauung gegeben hatte, jetzt aber aufschreckte, weil sie ihm als Verschwörung offenbart wurde. Das ging soweit, daß Claudius seine Gefolgsleute (darunter auch Lucius Vitellus, der Schuh- Fetischist) beim Vorbereiten der Gegenmaßnahmen immer wieder fragte, ob er noch Kaiser sei, und nicht schon Silius. Weil sowohl der Imperator, als auch Narcissus dem derzeitigen Prätorianerpräfekten Lucius Lusius Geta (Gaeta) wenig trauten, war es der Freigelassene selbst, der die Sache in die Hand nahm.
Zum Bacchusfest, das dreisterweise auch noch in den Gärten des Palastes gefeiert wurde, gehörte es auch, daß sich die Teilnehmer hemmungslos betranken, sangen, tanzten, und zum Höhepunkt dann nackt und lüstern übereinander herfielen. Nicht einmal der im Suff auf einen Baum gekletterte Vetius Valens, der Staubwolken („ein schlimmes Unwetter“) aus Richtung Ostia kommen sah, konnte das Verhängnis noch abwenden. Aber da kam auch schon ein Mann angerannt, der die Feiernden völlig außer Atem warnte, und alles stob auseinander. Silius umarmte noch einmal seine Braut, dann begab er sich zum Forum, um dort seinem Tagwerk nachzugehen, als wäre nichts gewesen. Messalina verkroch sich indes in der Villa auf dem Pincius, ließ ihre Kinder zu sich bringen und benachrichtigte ihre Mutter.
Es nützte nichts; die von Narcissus und Claudius persönlich kommandierten Prätorianer griffen sich die Aufrührer und legten sie in Ketten. Silius wurde keine Gelegenheit gelassen, sich noch einmal mit Messalina in Verbindung zu setzen.
Die setzte derweil mit Hilfe von Domitia Lepida (Messalinas Mutter) einen Bittbrief um Gnade auf, in dem sie ihre eigene, geschönte Version der Ereignisse schilderte. Aber weder diese, noch eine zweite Botschaft erreichten ihr Ziel; vermutlich wurden sie auf Narcissus‘ persönlichen Befehl abgefangen. Also beschloß sie, dem Kaiser entgegen zu gehen, zusammen mit ihren und seinen Kindern Octavia und Britannicus. Dazu nahm sie noch Vibidia mit, die als oberste Vestalin das höchste moralische und religiöse Ansehen in Rom genoß. Doch in der ganzen Villa war kein einziges Fuhrwerk aufzutreiben, und sämtliche Diener und Verwandten hatten sich aus dem Staub gemacht, mit Ausnahme von Domitia Lepida. So blieb der verbliebenen Schar nichts weiter übrig, als sich auf den beschwerlichen Fußweg zu machen. Erst am Fuß des Pincius gelang es ihr, einen Müllkutscher zu überreden, ihr seinen Karren zu überlassen. Der war voll mit faulendem Gras, gammelndem Obst, Dung und sonstigen Abfällen.
Es war in der Nähe des Ostienser Tores, als man in diesem nun wirklich nicht repräsentativen Gefährt auf die Kutsche des Kaisers stieß. Das Grüppchen stieg ab, um dem geprellten Claudius demütig entgegen zu schreiten. Tatsächlich zeigte der sich gerührt – Aber neben ihm saß Narcissus, der den Befehl gab, Messalina und die ihren anzuhalten, während er dem Princeps Schriften überreichte, bei denen es sich vermutlich um ihre beiden Bittbriefe handelte. Vibidia jedoch ließ sich nicht abweisen, baute sich Kraft ihres Amtes vor der Karosse des Herrschers auf und verlangte, angehört zu werden, wenn der Kaiserin schon das Recht genommen worden war, sich selbst zu verteidigen. Doch es war der mit allen Wassern gewaschene Narcissus, der antwortete. Er verfiel auf die List zu behaupten, daß die Straße wohl kaum der rechte Ort für eine Verhandlung sei, und jeder nach Hause zurückkehren möge. In der Tat ging Vibidia in den Tempel zurück.
Der gerissene Narcissus jedoch führte Claudius erst einmal zur Villa auf dem Pincius, wo der mit eigenen Augen sah, was seine Gattin alles hatte aus dem Palast mitgehen lassen – und dazu noch eine Statue von Silius‘ Vater, obwohl ein Verbot bestand, an diesen zu erinnern! Entsprechend echauffiert war seine Hoheit, als er auf dem Palatin die ersten Urteile sprach. Silius und Vetius Valens ließen sich ohne Jammern und Winden enthaupten, wie auch der „Feuerwehrhauptmann“ Decius Calpurnianus. Der Leibwächter Titius Proculus versuchte noch, sich mit „Enthüllungen“ aus der Schlinge zu ziehen, ergab sich dann aber auch in sein Schicksal. Lediglich Mnester bemühte noch einmal seine ganze Schauspielkunst, und zeigte Striemen von Peitschenhieben auf seinem Rücken, die beweisen sollten, daß Messalina ihn gezwungen habe. In der Tat war Claudius bereit, ihn freizusprechen, doch das empörte seine Begleiter: Wo verdiente Männer wie Decius Calpurnianus schon ihr Leben hatten lassen müssen, wäre es nicht recht, daß ein dahergelaufener Mime verschont würde! So verließ der vom Erfolg verwöhnte Akteur die Welt ohne Applaus. Gerade mal Plautius Lateranus und Suillius Caesonius kamen durch familiäre Fürsprache mit dem Leben davon, und Traulus Montanus wurde auch so begnadigt.
Messalina befand sich zu der Zeit in den Gärten des Lucullus, und als Narcissus mitbekam, daß der treuherzige Claudius geneigt war, sie zu begnadigen (Er nannte sie „die Unglückliche“), beschlossen er und ein weiterer Freigelassener, „Evodos“ mit Namen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Sie informierten einen Tribun, daß der Kaiser nun auch seine Gattin zum Tode verurteilt hatte, und die Pflichten des Henkers auf ihn gefallen seien. Also machte sich der Militär mit Evodos und einem kleinen Trupp Soldaten auf den Weg, das Urteil zu vollstrecken.
Sie fanden die Delinquentin zu Füßen ihrer Mutter vor, die auch keine tröstenden Worte mehr hatte (vorausgesetzt, die Schreiber flunkern hier nicht zu sehr, denn weder Cassius Dio, noch Sueton, noch Tacitus, noch Juvenal dürften bei dieser Szene vor Ort gewesen sein). Evodos soll sie aufs Unflätigste beschimpft haben, daß sie mit einem letzten Anflug von Stolz versuchte, sich mit einem Dolch das Leben zu nehmen. Doch sie brachte es nicht fertig, sich als Messer- Lina selbst die Kehle durchzuschneiden, und sank nur weinerlich in den Schoß ihrer Mutter zurück. Also stach ihr der Tribun, der auch noch anderes zu tun hatte, sein Schwert durchs Herz.
Als Claudius von ihrem Ende erfuhr, saß er gerade beim Mahl. Er verlor kein Wort dazu, und legte auch keine Pause beim Essen ein. Narcissus dagegen stieg noch einmal die Karriereleiter empor und bekleidete nun das Amt des Quästors. Und der Senat beschloß eine damnatio memoriae, das heißt, es war verboten, Messalina zu gedenken (so wie im Falle von Silius‘ Vater).
Doch das Glück sollte auch den Überlebenden nicht hold bleiben; nahezu alle fanden in den nächsten zwei Jahrzehnten nach Messalinas Ende einen gewaltsamen Tod (Aulus Vitellius anno 69). Lediglich der Denunziant Suillis Rufus, der selbst denunziert wurde, kam mit einer Verbannung auf die Balearen davon. Und der trickreiche Narcissus sollte feststellen, daß er mit Claudius‘ nächster Gattin Agrippina nicht so gut klarkam, wie mit der Vorgängerin: Kaum war Claudius dahingeschieden, verlor er all seine Posten, wurde eingekerkert und Wikipedia zufolge sogar hingerichtet. Auf jeden Fall überlebte er seinen Princeps nicht für lange Zeit.
Und der Vorhang fällt, ohne daß Mnester noch mit von der Partie wäre.