Go West! - 19. Juni 2022
Harpers Ferry
19. Juni 2022
Harpers Ferry
Ich bin heute Morgen noch immer mit weichen Knien in unseren Kleinbus gestiegen. Ich habe in den USA schon vor Historischen Gesellschaften und Universitäten gesprochen, aber was mir gestern geboten wurde, hat alles geschlagen. Noch immer bin ich von großer Dankbarkeit erfüllt. Aber die Reise geht weiter.
Wir haben Pittsburgh hinter uns gelassen und sind weiter nach Osten gefahren. In West-Virginia erreichten wir HARPERS FERRY, das einstige Bundesarsenal. 1859 versuchte der Anti-Sklaverei-Kämpfer John Brown dieses Arsenal zu erobern und einen Sklavenaufstand auszulösen. Es war – wie Abraham Lincoln es treffend ausdrückte – ein „absurdes Unternehmen“. Es stellt sich die Frage, ob er wirklich an den Erfolg seines Plans glaubte. Zwar schaffte es seine Handvoll Männer, sich ohne größere Schwierigkeiten kurzfristig in den Besitz des Arsenals zu setzen, aber damals gab es keine elektronischen Medien, nicht einmal schnelle andere Medien, die diesen Überfall schnell verbreiteten. Die Sklaven, die Brown animieren wollte, erfuhren gar nichts von dem Überfall. Die Frage ist, ob sie sich überhaupt angeschlossen hätten - wahrscheinlich nicht. Browns kleine Truppe verschanzte sich schließlich in einem Spritzenhaus der Feuerwehr und verteidigte sich gegen die Armee, die von keinem Geringeren als Robert E. Lee geführt wurde, zu dessen Stab J. E. B. Stuart gehörte. Es gibt Spekulationen, dass er seine Gefangennahme und seinen Tod einkalkuliert hatte, um zum Märtyrer zu werden und eine bewaffnete Auseinandersetzung zu provozieren.
Brown wurde gefangen genommen und wegen Hochverrats gehängt. Er wollte keine Gnade. Er glaubte fanatisch an seine Mission. Mit dem Lied „John Browns Body lies mouldring in his Grave” marschierten wenig später Unionssoldaten auf die Schlachtfelder des Bürgerkrieges.
Harpers Ferry ist ein Platz, der „in der Zeit eingefroren“ ist, wie man hier zu sagen pflegt. Ein beeindruckender Besuch. Geschichte ist mit Händen zu greifen. Man meint, den Marschtritt der Armeen, die rauen Stimmen der Unteroffiziere hören zu können. Der Rauch der Feuer und des Schwarzpulvers liegt in der Luft. Die Dielen der alten Häuser ächzen unter den Touristenmassen, die sich heute durch das Städtchen wälzten. Die Atmosphäre ist trotzdem beeindruckend, und beeindruckend ist auch der Anblick der mächtigen Ströme Potomac und Shenandoah, die hier zusammenfließen. (Bild 509 - 520)
