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Die Novelization - Der Roman zum Film: Eine kleine und knappe Einführung

Die Novelization - Der Roman zum FilmEine kleine und knappe Einführung

Üblicherweise entsteht ein Film nach einer Vorlage, sei es nun ein Buch, ein Comic oder gar ein Spiel. Meist handelt es sich aber um literarische Vorlagen, also ein Buch oder eine Erzählung. Manchmal aber ist es genau umgekehrt: Nicht die Henne war zuerst da, sondern das Ei, sprich: der Film. War dieser erfolgreich, folgte posthum oft eine literarische Fassung. Das nennt man dann eine Novelization. In dieser Reihe stelle ich in loser Folge einige Nacherzählungen aus dem phantastischen Genre vor.


Die Novelization ist ein Buch, das einen Film (oder auch ein anderes Medium, wie etwa ein Comic oder ein PC-Game) zur Vorlage hat. Ein passendes deutsches Wort dafür kenne ich leider nicht. Literarische Nacherzählung klingt irgendwie zu sehr nach Beamtendeutsch, und Romanfassung, wie es Langenscheidt vorschlägt, trifft es meiner Meinung nach nicht so ganz. Bleiben wir also beim Englischen, und verwende die deutschen Begriffe nur zur Abwechslung.

Taxi DriverBeispiele gibt es genug, und oft wird man erstaunt sein, auf welche Romane dies zutrifft (Taxi Driver, Das Omen, Club der toten Dichter). Es gibt diese Nacherzählungen übrigens schon recht lange, die ersten entstanden bereits während der Stummfilmära. Sie entsteht häufig auf der Basis des Drehbuchs. Manchmal entsteht sie auch simultan zum Drehbuch. Das ist aber von verschiedenen Faktoren abhängig. Nicht immer ist der Verfasser des Drehbuchs auch der Autor der Romanfassung (hier verwende ich Langenscheidt).

Das Ding aus einer anderen WeltEs gibt Autoren, die sich ganz auf das Schreiben von Romanen zum Film spezialisiert haben. Nehmen wir Alan Dean Foster. Neben seinen Science-Fiction-Romanen verfasste er auch zahlreiche Filmbücher, wie z.B. Alien 1-3, Das Ding aus einer anderen Welt (Zum Film von John Carpenter), Das Schwarze Loch, etc. Donald F. Glut, bekannt durch seine auch auf Deutsch erschienene Reihe The New Adventures of Frankenstein hat die Romanfassung zu Das Imperium schlägt zurück geschrieben. Soweit ich weiß, ist das sein einziger Abstecher in das Reich der Nacherzählung.

Ein weiterer bekannter und geschätzter Autor des Phantastischen, Ramsey Campbell hat zu Anfang seiner Laufbahn (gleich nach seinem Erstling The Doll who ate his Mother) noveliziert, und zwar einige Klassiker des Horror-Films. Unter dem Sammelpseudonym Carl Dreadstone verfasste er die Nacherzählungen The Bride of Frankenstein, Dracula's Daughter und The Wolfman. Alle drei sind auch auf Deutsch erschienen. Zwei davon werde ich in den nächsten Wochen hier vorstellen und rezensieren. Es folgten zwar weitere Novelizations von Carl Dreadstone (Creature from the Black Lagoon und Werewolf of London), stammen allerdings aus der Feder von Walter Harris. Einen der genannten Romane werde ich ebenfalls im Zauberspiegel besprechen.

Auch Bestseller-Autoren wie Ken Follett schrieben während ihrer Karriere solche Nacherzählungen: Capricorn One, zu Deutsch Unternehmen Capricorn stammt aus seiner Feder und ist unter seinem Pseudonym Bernard L. Ross erschienen. Sogar „ernsthafte“ und sozialkritische Schrifsteller machten Novelization: Der eigenwillige William Kotzwinkle (Fan Man) schrieb die seichten E.T. Romane. Von irgendetwas muss man ja auch leben, gute Kritiken alleine füllen keinen Kühlschrank.

Ist ja auch nicht Schlechtes dran, ganz im Gegenteil: die Nacherzählung will gekonnt sein! Peter Kobel schrieb 2001 in der New York Times, dass eine übliche Romanfassung aus ca. 60.000-70.000 Wörtern besteht, ein Drehbuch hingegen nur aus 20.000-25.000 Wörtern. Knapp ein Drittel also. Ein geschickter Autor wird den Roman nun nicht künstlich aufblähen, sondern den Umfang erreichen, indem er Introspektive Passagen einbaut, Selbstbeobachtungen und Gedankengänge niederschreibt.

Das OmenAber auch die Beschreibung von Szenarien oder die Schilderung von Mimik und Gestik dicken den Umfang auf. Aber nicht zu sehr, sonst wird das Buch womöglich langweiliger als der Film.

Manchmal steht der Verfasser der Romanfassung auch gehörig unter Zeitdruck (wie bisweilen auch die Schreiber von Drehbüchern. Man denke nur an Truman Capotes Arbeit an Frühstück bei Tiffany). So hatte Max A. Collins nur knappe 9 Tage Zeit, um seine Fassung von In the Line of Fire – Die zweite Chance zu Papier zu bringen.

Aufgemacht sind die Roman-Veröffentlichungen üblicherweise dergestalt, dass sie eine Affinität zum Film vermitteln. Meist zieren nämlich ein Filmbild oder ein Ausschnitt des Filmplakats den Umschlag.

So richtig Profitabel waren die Nacherzählungen in den Siebzigern, bevor VHS, Betamax und Video 2000 die Wohnzimmer eroberten. Der Roman war bis dahin die einzige Möglichkeit, einen geliebten Film zuhause noch einmal nachzuerleben. Spätere Novelizations (Alien, Star Wars) verkauften sich aber auch noch millionenfach.

In der Welt der Novelization gibt es natürlich auch Skurrilitäten.

  • The Spy Who Loved MeSo existieren z. B. Romanfassungen von Filmen, obwohl diese bereits eine literarische Vorlage besitzen. Der Bond-Streifen Der Spion der mich liebte ist so ein Fall. Obwohl es schon ein Buch mit gleichnamigem Titel von Ian Fleming gab, wurde ein Roman - dessen Grundlage das Drehbuch war - geschrieben und veröffentlicht: der Film hatte nämlich kaum etwas mit Flemings Story zu tun. Um Verwechslungen zu vermeiden, wurde Christopher Woods Nacherzählung unter dem Titel James Bond, the Spy who loved me veröffentlicht. Aber auch die Nacherzählung schlug eigene Wege ein, wich sie doch in einigen Punkten vom Drehbuch ab.

  • Ähnlich verhielt es sich auch mit Das Ding aus einer anderen Welt. Die Story von John Campbell erschien bereits 1938; der Film von 1951 wich tatsächlich aber gewaltig davon ab. Nicht einmal die Hauptpersonen der Story fanden ihren Weg in den Streifen.
    Das 1982 veröffentlichte Remake John Carpenters hielt sich da schon wesentlich enger an Campbell´s Story. Und genau dazu erschien auch passend zum Film ein Roman von Alan Dean Foster! Foster verfasset übrigens auch eine Novelization zu Carpenter´s Klassiker Dark Star.
    (Novelizations zu Filmen, denen eigentlich schon ein literarisches Vorbild zugrunde lag, gibt es aber mittlerweile zuhauf. Man denke da nur an die neue Planet-der-Affen-Reihe)

  • 2001 - A Space OdyssyDer Sci-Fi-Klassiker 2001 – Odyssee im Weltraum basiert eigentlich nur auf einer Kurzgeschichte von Arthur C. Clarke: The Sentinel erschien bereits 1951. Das Drehbuch verfasste er dann gemeinsam mit Stanley Kubrick. Der Roman – Ausgangspunkt für den vierbändigen Space-Oddyssey-Zyklus entstand erst 17 Jahre nach der Short-Story simultan zum Drehbuch, wie Clarke im Nachwort schreibt.

  • Star Wars: From the Adventures of Luke Skywalker, die Romanfassung von Star Wars Episode IV schrieb Alan Dean Foster, basierend auf dem Originaldrehbuch. Erschienen ist sie aber unter George Lucas Name.

  • Das Buch King Kong entstand etwa zeitgleich zum Drehbuch von Ruth Rose und James A. Creelman, stammt aus der Feder von Delos W. Lovelace und erschien 1932, also bevor der Film Premiere hatte. Dass Edgar Wallace die Idee zu King Kong hatte, ist übrigens ein weit verbreiteter Irrtum. Erfunden hat die Figur Merian C. Cooper. Da Edgar Wallace einen guten Namen besaß und man sich profitable Einnahmen davon versprach, engagierte man ihn für einen Drehbuchentwurf, mit dem Cooper aber nicht zufrieden war. Dummerweise verstarb Wallace aber 1932 überraschend an den Folgen einer Lungenentzündung! Der Name Wallace wurde aber dennoch im fertigen Buch und Film erwähnt; gewiss nicht nur aus einer Art Ehrung für den verstorbenen Romancier.
    Sehr schön nachzulesen ist dies alles übrigens im Nachwort von Mark Cotta Vaz in der 2012 erschienenen Ausgabe des Walde & Graf Verlags.
    Star WarsEs existiert aber auch noch eine zweite Novelization des Stoffes, und zwar diesmal zum Peter-Jackson-Remake von 2005: King Kong: Roman von Christopher Golden nach dem Originalroman von Merian C. Cooper & Edgar Wallace; nach dem Drehbuch von Fran Walsh.
    Auch hier wird der Leser wieder verwirrt: Verfasser des Originalromans sind eben nicht die beiden genannten Herren!

Man sieht, die Novelization ist ein interessantes, spannendes und schillerndes Thema, über das man gut und gerne viele, viele Seiten lang schreiben könnte, was ich aber nicht tue: dieser Artikel soll auch nur eine Art Einleitung sein. Wie ich nämlich weiter oben bereits erwähnte, werde ich in den nächsten Wochen einige dieser

Nacherzählungen/Romanfassungen/Novelizations

in recht lockerer Folge vorstellen. Je nach Lust und Laune des Verfassers, der diese Schinken ja auch lesen und mit den Filmen vergleichen muss.

P.S.: Den Anfang der Vorstellungen macht eine Story, die buchstäblich an den Haaren herbeigezogen ist.

Die Novelization - Der Roman zum FilmDie weiteren Artikel

  • Der Wolfsmensch
  • Das Monster der Schwarzen Lagune
  • Squirm – Invasion der Bestien - 08.01.2017
  • Der Teufel auf Rädern - 22.01.2017
  • Der Werwolf von London - 05.02.2017
  • Die Nacht der lebenden Toten - 19.02.2017
  • Frankensteins Braut - 05.03.2017
  • Alien - 19.03.2017
  • King Kong - 02.04.2017
  • Das Omen - 16.04.2017
  • Dark Star - 30.04.2017
  • Die Mumie - 14.05.2017
  • Halloween - 28.05.2017
  • Draculas Tochter - 11.06.2017
  • Das Ding aus einer anderen Welt - 25.06.2017

Kommentare  

#1 AARN MUNRO 2016-12-01 09:30
Sogar Asimov hatte eine Novelization: Die Reise durch den menschlichen Körper.
Kurios sind allerdings oft die Dopplungen. Die Bücher nach Filmen nach Büchern. Nur selten erreicht das Buch nach dem Film die Qualität des Originalwerkes. Bei Dean Foster merkt man mitunter die "Blähung". Bei RIddick schwafelt er nur, tritt die Geschehnisse zu breit...aber ein nettes Zubrot war es sicher. :lol:
Sehr lustig sind Bücher nach Games...meist spannend 8Star Craft, Lara Croft, Hellgate London), nur wenige dröge (Sacred...)
#2 Heiko Langhans 2016-12-01 09:46
Capricorn One hatte übrigens die "Ehre", gleich zweimal novellisiert zu werden. Folletts Version war für den britischen Markt; Ron Goulart schrieb die US-Version, deren Übersetzung dann bei Heyne SF erschienen ist.
#3 Andreas Decker 2016-12-01 11:58
In den USA erscheinen gelegentlich immer noch Film-Novelisations, aber die werden nur noch selten übersetzt. Der Markt für Fernsehfortsetzungen war da bis vor ein paar Jahren größer. Wie viele Romane zu Star Trek oder Buffy gab es. Selbst zu mittlerweile in Vergessenheit geratenen Serien gab es Romane. Ich habe noch die von Forever Knight und Highlander im Regal stehen. ;-) (die größtenteils richtig schlecht waren.) Wobei es die Autoren von Fernsehzeugs stets schwerer hatten, da man als Leser immer merkt, wie gut oder schlecht der Autor die Serie kannte.

Das mit dem Bond ist interessant. Das ist einer der seltenen Fälle, in denen Filmbuch und Drehbuch vom selben Autor sind. Wenn da also viel geändert wurde, muss irgendwo aber viel daran herumgebastelt worden sein.

Das Geschäft muss eine absolut undankbare Aufgabe sein. Vor allem in den 70ern hat man die Autoren oft über den Tisch gezogen. Barry Malzberg ist heute noch sauer, dass er für sein erfolgreichstes Buch, die Novelisation von Kung Fu, nicht einen Pfennig Tantiemen bekam.
#4 Ringo Hienstorfer 2016-12-03 12:11
Interessant, das mit Asimov und Goulart wusste ich noch nicht. Man lernt eben nie aus.

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