Anderson, Kevin J.: Der Sternenwald
Der Sternenwald
Die Saga der Sieben
Sonnen 2 (A Forest of Stars)
von Kevin J. Anderson
aus dem Amerikanischen von Andreas Brandhorst
Heyne Taschenbuch
erschienen: 2006 (Deutschland), 2003
(USA)
575 Seiten, 8.95
ISBN: 978-3-453-52220-6
Heyne Verlag
Es gibt Buch- und Filmreihen, die brauchen einfach ein bisschen
Zeit, um richtig in die Gänge zu kommen. Der Auftakt ist dann zwar meist ganz
nett geraten, doch wirklich überzeugen kann er noch nicht. Nach und nach
offenbart sich jedoch, dass der Autor bzw. die Autoren die Saga tatsächlich gut
durchdacht haben, die Storyline aber etwas zu komplex ist, als dass sie sich
dem geneigten Zuschauer auf den ersten Blick erschließt. Wenn die Serie dann
aber endlich mal an Fahrt aufgenommen hat, dann merkt man schnell, dass man es
mit einem echten Highlight zu tun hat. In solchen Momenten ist man wirklich
froh darüber, den nicht allzu überzeugend geratenen Auftakt durchgehalten zu
haben.
Genau so, hoffte ich, würde es mir bei Kevin J. Andersons Saga
der Sieben Sonnen ergehen. Der erste Band, Das Imperium, glänzte
durch einen interessanten Plot und ein überzeugendes Darstellerensemble, doch
wirkliche Spannung oder Begeisterung kam beim Lesen nicht auf. Das würde sich,
so meine Hoffnung, mit Band zwei ändern.
Doch damit erst mal genug der Vorrede; kommen wir zum Buch an sich:
Fünf Jahre sind vergangen, seitdem die Hydroger, die geheimnisvollen, im Inneren von Gasplaneten lebenden Außerirdischen, Rache genommen haben für die versehentliche Zerstörung einer ihrer Welten. Es herrscht Krieg im Spiralarm, doch es ist ein sehr einseitiger Kampf. Die Terranische Verteidigungsflotte, kurz TVF, hat den mächtigen Schiffen der Hydrogern nichts entgegenzusetzen. Nachdem die Aliens alle Ekti sammelnden Minen im Orbit der Gasriesen vernichtet hat, steht das Terranische Imperium vor einer gewaltigen Krise, denn ohne Ekti können die Überlichtantriebe ihrer Raumschiffe nicht betrieben werden.
Die Probleme verschärfen sich noch, als die Hydroger beginnen, Kolonieplaneten der Menschen anzugreifen und jegliches Leben darauf zu eliminieren. Auch die Ildiraner werden immer stärker in den Krieg hineingezogen, denn für die machtvollen Außerirdischen sind alle Sauerstoff atmenden Humanoiden Feinde.
Die Lage erscheint hoffnungslos. Doch schon bald machen verschiedene Menschen und Ildiraner eine Reihe von Entdeckungen, die alles für immer verändern könnten...
Eines muss man Anderson lassen: Storytechnik geht er richtig in die Vollen. Es sind eine Menge schwerer Geschütze, die er hier auffährt, und immer, wenn man gerade denkt, man hat die Handlungen so weit verstanden, lässt er eine neue Bombe platzen, die alles auf den Kopf stellt. Doch zu Beginn kommt Der Sternenwald alles andere als dynamisch und spannend daher, wie es in dieser kurzen Inhaltsangabe den Anschein haben mag.
Dies liegt zum einen daran, dass zwischen Buch eins und zwei zwar nominell fünf Jahre vergangen sind, doch zu merken ist davon in der Handlung eigentlich nichts. Es hat sich wenig getan in dem halben Jahrzehnt, das zwischen den Romanen liegt. Bei all den Ereignissen, die in Der Sternenwald geschehen, ist das etwas verwunderlich.
Und dann hat man, bei allem Lob für die übergeordnete Handlungsebene, den Eindruck, dass Anderson in Sachen untergeordnete Storylines die Ideen ausgegangen sind. Es geschieht eigentlich immer dasselbe. Alte Führer treten ab und machen neuen, unerfahrenen Herrschern Platz, und zwar bei jedem der für die Handlung zentralen Völker (und das in Kriegszeiten!!!). Hochzeiten werden arrangiert, allesamt politisch und sehr zum Unwillen aller Beteiligten. In der Rahmenhandlung rund um den interstellaren Krieg zeigt Anderson, dass er storymäßig einiges drauf hat. Warum er sich bei Handlungssträngen rund um Einzelschicksale so wenig einfallen lässt, ist mir ein Rätsel. Als Leser ist man deshalb manchmal etwas genervt, insbesondere dann, wenn ein gerade abgeschlossener Plot erneut auftaucht, nur eben mit anderen Personen als Handlungsträger.
Doch dann, im letzten Drittel des Romans, ist alle Kritik vergessen, denn jetzt endlich legt Die Saga der Sieben Sonne richtig los.
Neue, faszinierende Spezies, politische Intrigen auf höchstem Niveau, verlustreiche Schlachten eine Wendung jagt die nächste und macht das Geschehen ebenso unvorhersehbar wie unglaublich fesselnd. Die Handlung reißt mit und versteht es, den Leser durch immer neue, unerwartete Ereignisse zu schockieren. Denn Anderson ist alles andere als zimperlich, was den Umgang mit seinen Hauptfiguren anbelangt. Mehr als nur eine Person segnet das Zeitliche, und sowohl die Art und Weise, wie dies geschieht, als auch die Auswahl der Person an sich, die ins Jenseits befördert wird, ist überraschend und gnadenlos.
Keine Frage: Das letzte Drittel des Romans ist ein Fest für alle, die das Unvorhergesehene lieben. Action, Spannung und Dramatik auf ganz hohem Niveau.
Mit Der Sternenwald nimmt Die Saga der Sieben Sonnen endlich richtig Fahrt auf. Je weiter man liest, umso mehr weiß der Roman zu überzeugen. Endlich nutzt Anderson das Potenzial, das ihm die Reihe bietet, voll aus. Sollte es in diesem Maße weitergehen, dann ist die Space Opera, trotz behäbigen Beginns, ein wirkliches Meisterwerk der SF-Literatur.
Jeder, der Das Imperium gelesen hat, sollte unbedingt zum Nachfolgeband greifen, auch dann, wenn ihn das erste Buch nicht vollends überzeugt hat. Glaubt mir, es zahlt sich aus, dranzubleiben. Überhaupt ist der Roman allen zu empfehlen, die Science Fiction mögen und gerne zu Abenteuern auf fernen Welten aufbrechen. Und wer mit dem SF-Genre bisher relativ wenig zu tun gehabt hat, seinen Horizont aber gerne erweitern möchte, der sollte der Saga eine Chance geben. Ein klein wenig Durchhaltevermögen muss man vielleicht mitbringen, doch das lohnt sich allemal, denn spätestens in Band zwei kommt man voll auf seine Kosten.