Keyes, Greg: Die Luftschiffe des Zaren - Der Bund der Alchemisten 2

Die Luftschiffe des Zaren von Greg KeyesDie Luftschiffe des Zaren – Der Bund der Alchemisten 2
(The Age of Unreason 2: A Calculus of Angels)
von Greg Keyes
aus dem Amerikanischen von Carmen Jakobs und Thomas Müller-Jakobs
Blanvalet Taschenbuch
erschienen: Frühjahr 2008 (Deutschland), 1999 (USA)
556 Seiten, 8.95€
ISBN: 978-3-442-24356-3
Blanvalet

Wenn mich jemand nach den besten Fantasybüchern fragen würde, die ich je gelesen habe, dann wären die vier Bände von Greg Keyes Saga The Kingdoms of Thorn and Bone mit Sicherheit ganz weit oben auf der Liste. Sympathische Charaktere, eine mitreißende, hoch dramatische Story, erschütternde Wendungen, und das alles in Keyes einzigartigem, äußerst ansprechendem Schreibstil. Mehr kann man von Fantasyliteratur wirklich nicht erwarten.

 
Bevor sich Keyes jedoch an diese Saga machte, verfasste er bereits die vierbändige Steampunk-Reihe Der Bund der Alchemisten. Schon dieses frühere Werk beweist, dass der Amerikaner zur allerersten Garde der Fantasyautoren gehört: Der Bund der Alchemisten ist einer der fantasievollsten und mitreißendsten Zyklen, die ich jemals gelesen habe.

Man schreibt das Jahr 1722. Zwei Jahre sind vergangen, seitdem finstere Mächte einen Kometen auf London lenkten und Großbritannien sowie einen Teil des europäischen Festlandes ins Chaos stürzten. Seit diesen Ereignissen hat sich so manches getan; nichts in der bekannten Welt ist noch so, wie es einmal war.

Ben Franklin und sein Meister, Sir Isaac Newton, befinden sich in Prag. Während Ben nach einer Möglichkeit sucht, die Stadt vor dem Schicksal zu bewahren, das London ereilt hat, scheint Newton ganz andere Pläne zu verfolgen. Das stößt bei seinem Lehrling auf Unverständnis – und den Willen, herauszufinden, was genau der große Denker und Erfinder in seinem abgeschirmten Turm eigentlich treibt.

Adrienne befindet sich unterdessen mit ihrem Sohn Nicolas auf der Flucht durch ein verheertes Frankreich, in dem das Recht des Stärken regiert. Dabei kommt sie dem Geheimnis ihrer unter mysteriösen Umständen wieder hergestellten Hand auf die Spur und erkennt, welch unglaubliche Macht ihr da gegeben wurde...

In Amerika ist man besorgt darüber, dass man seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr nach Europa herstellen kann. Aus diesem Grund planen die eigentlich verfeindeten Kolonialisten aus England und Frankreich eine gemeinsame Expedition – unter dem Kommando des berüchtigten Piraten Blackbeard.

Der russische Zar Peter nutzt, geleitet von geheimnisvollen Wesen, die außer ihm niemand zu sehen scheint, das Chaos in Europa, um ein Reich nach dem anderen unter seine Kontrolle zu bringen. Es herrscht Krieg in der alten Welt, einer, wie ihn die Menschheit noch nie zuvor gesehen hat.

Was für ein Roman! Schon Newtons Kanone, der erste Band der Reihe, sprühte ja geradezu vor irrwitzigen Ideen und ausgefallenen Erfindungen. Die Luftschiffe des Zaren übertrifft seinen Vorgänger jedoch bei weitem.

In unnachahmlicher Weise vermischt Keyes reale und fiktive Personen, (pseudo-)wissenschaftliche Erkenntnisse und magische Vorgänge zu einer packenden Story, der man sich unmöglich entziehen kann. Da gibt es alchemistische Waffen, mächtige Engel, brutale Luftkämpfe und magische Fähigkeiten, die mehr oder weniger wissenschaftlich erklärt werden. Hinzu kommen alle paar Seiten dramatische Wendungen in der Story und fesselnde Handlungsstränge, die voll sind von Dramatik, Intrigen, magischen Momenten und faszinierenden Entwicklungen. Es ist ein einzigartiges Gemisch, das dem Leser hier vorgesetzt wird, eines, bei dem man sich fragt, warum es nicht viel mehr solcher Bücher gibt.

Man könnte bemängeln, dass die auftretenden Personen ein wenig einfach gestrickt sind und stereotyp wirken (was ja auch in Keyes späterer Saga der Fall ist). Das ändert allerdings nichts daran, dass sie allesamt mit äußerster Sorgfalt gezeichnet wurden und dadurch auf den Leser ebenso sympathisch wie lebendig wirken. Geradezu genial ist auch der Schachzug, eine ganze Reihe von neuen Personen auftauchen zu lassen, die in Band eins noch nicht dabei waren; diese neuen Figuren sorgen für frischen Wind (auch wenn der bei all den dramatischen Geschehnissen und erstaunlichen Erfindungen gar nicht nötig gewesen wäre) und eröffnen neue Handlungsstränge, die ebenso zu überzeugen wissen wie die alten.

Besonders gelungen ist das Finale des Romans. So viel sei verraten: Was der Leser hier geboten bekommt, erlebt man gewöhnlicherweise nur zum Ende einer Saga als Ganzes. Tragik, Dramatik und eine Schlacht, die man so schnell nicht vergessen wird. Greg Keyes zieht hier alle Register seines Könnens und liefert fantastische Unterhaltung vom allerfeinsten.

Der Bund der Alchemisten gehört mit Sicherheit zum Besten, was die Fantasyszene zur Zeit zu bieten hat. Ganz ohne Elfen und Orks und tatsächlich mal in einer Welt, die ohne allzu komplizierte Titel, Namen und Rituale auskommt, die das Lesen von Fantasyliteratur mitunter zum reinsten Ethnologie-Studium machen, gelingt es Keyes, ein Universum zu erschaffen, in dem hinter jeder Ecke neue Überraschungen auf einen warten. Wer sich auch nur das geringste Bisschen für Fantasy interessiert und bereit ist, sich auf ein wenig Steampunk einzulassen und das übliche Mittelalter-Szenario für ein paar Stunden zu vergessen, der sollte zu Der Bund der Alchemisten greifen. Ein Feuerwerk brillanter Ideen und mitreißender Momente erwartet ihn.

Kommentare  

#1 Stefan Holzhauer 2008-05-15 09:24
Argh. Amazon hat den ersten Band in englisch nicht mehr vorrätig (nur gebraucht via Marketplace). Kennt jemand eine Bestell-Alternative?
#2 Gabriel Adams 2008-05-15 15:57
@ Holzi:

Probiers mal bei libri (www.libri.de); die sollten es haben. Wenn nicht, www.jpc.de ist auch noch ne Alternative.
Viel Glück und viel Spaß bei der Lektüre!
#3 Stefan Holzhauer 2008-05-15 23:00
Hallo Jochen.

Danke für den Tip, libri.de wars (hätte ich auch allein drauf kommen können, aber ich rechne schon gar nicht mehr damit, das ein Anbieter besser ist als Amazon, schon gar nicht libri). Ein bis zwei Wochen und ich kann mir "Newtons Cannon" und "A Calculus Of Angels" in der Buchhandlung meiner Wahl abholen. :-)
Ich geb mal 'ne Rückmeldung, wie's gefiel. Aber wenn's Steampunk ist, habe ich da kaum Bedenken... 8)
#4 Stefan Holzhauer 2008-06-17 00:46
Band eins war der absolute Knüller und in Rekordzeit gelesen, jetzt ist grade A Calculus Of Angels (der hier besprochene zweite Teil) an der Reihe.
Danke für die Rezension, sonst hätte ich diese Kleinodien völlig übersehen! :-)
#5 Gabriel Adams 2008-06-17 21:47
@ Holzi

So solls sein, dass Rezis einem tolle neue Bücher näherbringen und bei der Auswahl helfen. Freut mich, dass ich dir helfen konnte!!!
#6 Hermes 2009-07-22 13:20
Band zwei löst ein, was Band eins versprochen hat! Geniale Mischung aus Wissenschaft und Magie auf der einen Seite, intelligente Anleihen bei realen historischen Gestalten und ausgeklügelte alternative historische Entwicklungen. Dazu noch tolle Figuren, auch die neue Figur Red Shoes kommt mit viel Liebe zum Detail rüber. Absolut empfehlenswert! Band drei ist schon bestellt!

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