Akte X – Jenseits der Wahrheit

Poster Akte X - Jenseits der Wahrheit Akte X - Jenseits der Wahrheit
mit David Duchovny, Gillian Anderson, Amanda Peet, Billy Connolly, Alvin ‚Xzibit‘ Joiner, Callum Keith Rennier u.a.
Regie: Chris Carter
Drehbuch: Frank Spotnitz, Chris Carter; Bill Roe
Bildschnitt: Richard A. Harris
Musik: Mark Snow
Produktionsdesign: Mark Freeborn
USA / 2008; circa 104 Minuten


Im Jahre 1998 wurde mit der Kinoadaption von ‘Akte X’ dem geneigten Zuschauer schnell bewusst, das Serien-Erfinder Chris Carter gegen seine eigene Geschichte verloren hatte. Verschwörungstheorien hin und UFO-Beobachtungen her, mit jedem Aufgreifen des durchgängigen Plots, wurden für jede beantwortete Frage, zwei Neue gestellt. Die Kinoversion, während der fünften TV-Staffel gedreht und als Verbindung zwischen dieser und der sechsten Staffel fungierend, bestach einfach nur durch ein fulminantes Budget. Tricktechnisch aufwendig musste nicht mehr einfach nur angedeutet werden, von den dankbar billigen Wäldern als Drehorte, konnte man wirklich mal in die Großstadt. Die Vision der gigantischen Weltverschwörung bekam mit einer ansprechenden Cinemascope-Optik das längst überfällige Gesicht von wahrer Größe.


Da weder die Serie sterben durfte, noch der Fernsehzuschauer ins Kino gezwungen werden konnte, blieb der Film entgegen den Erwartungen, ohne wirkliche Auflösung vieler, vieler aufgeworfener Fragen. Vier Jahre später musste Chris Carter das Handtuch werfen. Die attraktiven Hauptdarsteller hatten einfach keine Lust mehr und die weniger anspruchsvollen Ersatzakteure mussten einsehen, das die X-Akten nicht die große UFO-Verschwörung waren, sondern David Duchovny und Gillian Anderson hießen. Trotz respektabler Einspielergebnisse des ‚Kampfes gegen die Zukunft‘, wie man den Kinofilm im englischen nannte, konnten sich die Darsteller nicht so richtig für einen zweiten Leinwandauftritt erwärmen. Zudem gab es rechtliche Auseinandersetzungen zwischen der Fox und Schöpfer Chris Carter.

Jede Abneigung wurde abgelegt, alle Streitigkeiten beigelegt. Und zugunsten aller Beteiligten und dem Zuschauer selbst, ist mittlerweile genug Zeit zwischen Serienende und dem zweiten Streich vergangen. Die unglücklichste Entscheidung dürfte gewesen sein, dass Chris Carter darauf bestand, selbst im Regiestuhl zu sitzen. In einigen Sequenzen versucht er die Zügel so stramm zu halten, dass sich diese in verwirrendes Geplapper ergießen, ohne die notwendige Zeit für Erklärungen und Handlungsaufbau zugesprochen zu bekommen. Das Drehbuch, Carter schrieb mit Serien-Veteran Frank Spotnitz, verlangt Dank der unbeholfenen  Regie höchste Aufmerksamkeit für Geschehen und Dialoge. Teilweise ist das Verständnis für manche Passagen sogar von einem einzigen Wort abhängig.

Doch was die Regie dem Zuschauer vorenthält, wird mit der Geschichte allemal wett gemacht. Natürlich bekommt der Fan und Verschwörungstheoretiker erst einmal einen gewaltigen Schreck, wenn bewusst wird, worauf die Geschichte um eine verschwundene FBI-Agentin und einem hellseherisch begabten Ex-Priester hinausläuft. Und es schlägt auf so manchen Magen des nach dem Übersinnlichen lechzenden Zuschauers, wenn die Macher den einzig wahren Schritt nach vorne wagen. Carter und Spotnitz haben die Zeichen der Zeit erkannt und auch genutzt. Die weltumspannende und bis in die Sphären anderer Welten reichende Geschichte vom großen Betrug an der Menschheit, weicht der noch ungeschriebenen Akte seiner Protagonisten und den schlimmsten aller Dämonen, den inne hausenden Qualen unverarbeiteter Psychosen.

Während dem Publikum die Möglichkeit der Interpretation in der eigentlichen Geschichte gegeben wird, offenbaren sich mehr und mehr die persönlichen Spannungen zwischen den Hauptakteuren. Man kann sagen, es sind die ungelösten Rätsel und die Mysterien von Beziehung, Vertrauen und Enttäuschung. Aus der Rahmenhandlung des Unerklärlichen, schälen sich Hoffnungen und Entscheidungen, aber auch Unzulänglichkeiten und Tragik in einer vollkommen anderen Dimension. Wenn nicht Außerirdische, erwartet der Zuschauer zumindest einer dieser X-Akten, die sowieso zu den besseren der Serie zählen: Die in sich abgeschlossene Hatz nach Blutsaugern, Werwölfen, Gestaltenwandler, oder ähnliche Monstren. ‚I want to believe‘ geht genau genommen noch einen Schritt weiter und damit kommt nicht gleich jeder Zuschauer zurecht.

Mit dem missratenen und zutiefst dummen Titel ‚Jenseits der Wahrheit‘ schießt der deutsche Verleih wieder jedes UFO vom Himmel. Jahrelang konnte man in Special-Agent Fox Mulders Büro das Poster mit einer fliegenden Untertasse und dem Schriftzug ‚ich möchte glauben‘ bewundern. Der Spruch impliziert eine gewisse Unsicherheit und könnte dabei nicht passender sein für die Beziehung der beiden FBI-Ikonen Mulder und Scully. Selbstredend klären sie den Fall an sich, hinterlassen dabei aber gleichzeitig ihre Persönlichkeit in einem wagen Zustand von Hoffnung und Resignation. Sie möchten glauben. Jeder für sich hat seine Dämonen zu bekämpfen. Und sie möchten glauben, das Zweisamkeit dann doch Wunden heilt, anstatt diese weiter aufzureißen.

Der Film enttäuscht nur, weil er ganz andere Möglichkeiten ausschöpft, als der Zuschauer erwartet. Technisch dem Mittelmaß zuzuordnen, besticht der Film aber mit zwei extrem starken Darstellern und einer Essenz die mutiger nicht sein könnte. Was gibt es über Terrorismus, politischer Verschwörung, parapsychologischer Phänomene, oder reißender Monster noch zu sagen, was nicht schon erzählt wäre. Die Reise ins Ich kann einen ebenso schaurigen Effekt erzielen und ein phänomenaler Titelabspann verrät, dass auch in diesem Bereich noch nicht alles erzählt ist. Aus dem „ich möchte glauben“ der Charaktere, formt sich im Abspann die Sehnsucht des geneigten Zuschauers nach Hoffnung für diese Figuren. Sie waren lange weg, aber dieser Film hat sie uns doch viel näher gebracht.

 

Quelle Bildzitat: Filmplakat Copyright 2008 Twentieth Century Fox

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