Sanderson, Brandon: The Well of Ascension - Mistborn 2
Der Lord Ruler mag tot sein, und doch sehen sich Elend, der neue König von Luthadel, und Vin, die junge Mistborn, mit unzähligen neuen Problemen konfrontiert. Noch immer fällt unablässig Asche vom Himmel, und was die neue Freiheit der Skaa angeht, so ist es damit nicht allzu weit her: Verschiedene Adlige, die unter der Herrschaft des Lord Rulers nur ein Schattendasein führen konnten, sehen ihre Chance gekommen, an Macht und Einfluss zu gewinnen. So kommt es, dass Luthadel schon bald von gewaltigen Armeen belagert wird.
Doch der Kampf um die Vorherrschaft im Final Empire ist bei weitem nicht das größte Problem: Als er starb, verkündete der Lord Ruler mit letzter Kraft, dass sein Ende Tod und Verderben über die Welt bringen würde. Wie es scheint, hat er die Wahrheit gesagt: Die Zeichen, dass die Tiefe, ein Sinnbild für alles Böse, erneut an Kraft gewinnt, mehren sich...
»The Well of Ascension« ist, wie auch die anderen Romane Sandersons, ein großartiges, ungeheuer stimmungsvolles Werk. Bevor ich daher in endlose Schwärmerei abgleite, sollte ich vielleicht einige Schwachpunkte des Buchs erwähnen, die, bei aller Liebe für das Buch, tatsächlich vorhanden sind.
»The Well of Ascension« hat die schwierige Aufgabe, unmittelbar mit seinem Vorgänger konkurrieren zu müssen. Gerade auf den ersten hundert Seiten fällt dies dem Roman nicht leicht. Das Buch braucht seine Zeit, um in die Gänge zu kommen und den Leser zu packen, wie es »Mistborn« zu tun verstand. Was fehlt, ist zum einen die Lockerheit, die den Vorgängerroman, so ernst er auch zeitweilig war, ausgemacht hat, und zum anderen die Figur des Kelsier, der einen guten Teil zu dieser Lockerheit beigetragen hat. Man muss das Ableben dieses Charakters erst überwinden, bevor man den Roman wirklich genießen kann.
Ein weiteres störendes Element ist die Art und Weise, wie Vin anderen Menschen ihr Vertrauen schenkt. Vertrauen ist eines der zentralen Motive des Romans. Gerade was Vin anbelangt, geht Sanderson hier allerdings alles andere als konsequent vor. So ist die einstige Diebin schnell bereit, an ihren Freunden zu zweifeln, doch einem Wildfremden gegenüber ist sie von Anfang an viel zu offen. Es mag das ein oder andere Argument angeführt werden, warum diese Entwicklung passend ist; restlos überzeugen kann sie dennoch nicht.
Man sollte die erwähnten Schwächen allerdings nicht überdramatisieren, denn auch wenn »The Well of Ascension« nicht ganz ohne Makel sein mag, so ist der Roman dennoch ein Highlight für alle Fantasyfans, die auf charakterbezogene, düstere Storys stehen.
Dies verdankt das Buch vor allem dem außerordentlichen Einfallsreichtum, den Sanderson an den Tag legt. Die verschiedenen Storylines wirken durchweg überzeugend, und wenn man sich erst mal in den Roman eingelesen hat, gibt es, so wort- und seitenstark der Roman auch ist, keine Passage, die im Mindesten langweilig oder gar überflüssig wirkt. Sanderson präsentiert seinen Lesern eine ungemein dichte Handlung, die immer wieder unerwartete Wendungen nimmt und die Story in immer neue Richtungen lenkt.
Besonders gelungen ist dem Autor dabei das Spiel mit den Konventionen im Fantasygenre. Oftmals verstehen Schriftsteller unter einem Bruch mit Konventionen schlichtweg deren Negation; so wird aus dem Helden dann schnell der Antiheld, und schon meint man, eine völlig einzigartige, neue Story erschaffen zu haben. Sanderson beweist, dass ein derartiges Vorgehen uninspirierte Schwarz-Weiß-Malerei ist. In »The Well of Ascension« macht er deutlich, dass man Konventionen nicht brechen muss, um originelle Handlungsbögen zu kreieren. Stattdessen beugt er die ein oder andere stillschweigend akzeptierte Regel und führt die ein oder andere Storyline anders fort, als es der geneigte Leser vermutet hätte. Ohne zu viel verraten zu wollen: Gerade im Hinblick auf Prophezeiungen und ihre Folgen ein in Fantasyromanen äußerst beliebtes Thema erwarten einen diverse Überraschungen.
Ein guter Roman lebt natürlich nicht nur von seiner Handlung alleine; trefflich gezeichnete Charaktere sind mindestens ebenso wichtig. Auch in dieser Hinsicht weiß Sandersons Werk voll und ganz zu überzeugen. Mit Ausnahme der schon erwähnten Ungereimtheit in Vins Verhaltensweisen wirken die auftauchenden Figuren durchweg stark und glaubhaft.
»The Well of Ascension« ist ein Roman, der von Seite zu Seite besser wird, ein Buch, das umso mehr fesselt, je weiter die Handlung voran kommt. Man kann jedem Fan epischer Fantasyromane nur empfehlen, die Reihe unbedingt mal zur Hand zu nehmen und sich nicht vom doch recht ausladenden Umfang der Romane abschrecken zu lassen (aber das sind altgediehene Fantasyleser ja gewohnt...). Wer Romane wie Greg Keyes »The Kingdoms of Thorn and Bone« oder Jordans »Das Rad der Zeit« mag, der wird auch mit diesem Buch viel Vergnügen haben.