Brett, Peter V.: The Painted Man
The Painted Man (The Warded Man)
Einst war Thesa ein mächtiges Königreich, doch die Tage des Ruhms sind längst vorbei. Kaum noch jemand erinnert sich an die Errungenschaften der mächtigen Nation. Heutzutage beherrschen Fürsten die verschiedenen Regionen des Landes, während Thesa mehr und mehr der Vergessenheit anheim fällt.
Dass die Fürsten das Land beherrschen, ist eigentlich zu großspurig formuliert. Am Tage, im hellen Sonnenlicht, ja, da mag das stimmen. Doch sobald die Nacht anbricht und Dunkelheit die Reiche überzieht, zeigen sich die wahren Herrscher der Welt: die Dämonen. Seit Jahrhunderten terrorisieren sie die Siedlungen der Menschen. Unfähig, sich gegen die mordlüsternen Kreaturen zur Wehr zu setzen, verkriechen sich die Bewohner Thesas Nacht für Nacht in ihren durch Magie geschützten Häusern. Doch nicht immer sind die Bannsprüche stark genug, und so finden die Dämonen immer wieder neue Opfer.
In dieser von Angst erfüllten Zeit lebt auch der elfjährige Arlen. Nach einem furchtbaren Dämonenangriff, der ihn mehr kostet, als er je vermutet hätte, beschließt der Junge, dass es an der Zeit ist, seine Angst zu überwinden. Mit dem Mut der Verzweiflung macht er sich auf eine lebensbedrohliche Reise, die ihn seinen Zielen immer näher bringen soll: dem Sieg über seine Furcht und der Bezwingung der Dämonen ...
Zugegeben, gegenüber seinem weiblichen Hauptcharakter Leesha legt Autor Peter V. Brett eine sehr eigenwillige Sichtweise an den Tag. Wann immer diese Figur auftaucht, steht ihr Liebesleben zur Debatte. Da das Ganze aber geschickt in einen packenden Handlungsstrang verpackt ist und Brett es nicht nötig hat, sich lang und breit in ausufernden, billig wirkenden Sexszenen zu ergehen, stört die Sache nicht weiter. Was ein Glücksfall ist, wäre so doch der fantastische Eindruck, den der Fantasyroman hinterlässt, unnötig getrübt worden. Dies ist aber nicht der Fall, weshalb den Leser mit »The Painted Man« ein äußerst mitreißendes Abenteuer erwartet.
»The Painted Man« glänzt vor allem durch eines: Peter V. Bretts ungeheuer eingängigen Schreibstil. Mühelos fesselt der Autor sein Publikum an die Seiten, erweckt vor den Augen der Leserschaft Orte und Menschen zum Leben und erschafft so eine Geschichte, aus der man sich kaum noch lösen kann. Nicht, dass man das wirklich will; einmal angefangen möchte man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen und ist enttäuscht, wenn nach viel zu kurzer Zeit das Ende erreicht ist.
Was Welt und Figuren anbelangt, so ist das Buch nicht ganz so außergewöhnlich wie hinsichtlich des Erzählstils. Originell und faszinierend sind diese Elemente aber allemal.
Bezüglich der Protagonisten lässt sich festhalten: Insbesondere die männlichen Charaktere sind gut getroffen. Sie zeichnen sich durch hervorragende Charakterisierungen sowie glaubhafte Entwicklungen aus. Weniger überzeugend gestaltet sich die Beschreibung der weiblichen Charaktere. Hier geht Brett kein Risiko ein und setzt auf recht vertraute Wesenszüge, was die ein oder andere Frau etwas stereotyp erscheinen lässt. Da allerdings auch die weiblichen Charaktere durchweg lebendig erscheinen, fällt dies nicht weiter ins Gewicht.
Bezüglich des Schauplatzes gilt: Thesa ist eine einzigartige Welt, die aber dennoch in vielerlei Hinsicht bekannten Konventionen verhaftet ist. Außergewöhnlich sind die Durchdringung der Fürstentümer mit Dämonen sowie die Folgen, die dies für die menschliche Gesellschaft und ihre Siedlungs- und Lebensweisen hat.
Um noch kurz bei den Dämonen zu bleiben: Sie sind Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. All die Entwicklungen, die die Protagonisten durchmachen, all die Abenteuer und die Entbehrungen, die Freuden und die Trauer, die die Helden zu durchleben haben, sind direkt oder indirekt der ständigen Bedrohung durch die dämonischen Horden geschuldet. Ein Glück, dass sich Brett darauf versteht, dieses für die Handlung so wichtige Element gekonnt einzusetzen. Die Gefahr, die von den finsteren Kreaturen ausgeht, wirkt glaubhaft; die Attacken der Untiere lassen einen mit den Charakteren mitfiebern. Überzeugender kann eine Rahmenhandlung nicht gestaltet und genutzt werden.
»The Painted Man« ist ein dramatisches, enorm spannendes und erstklassig geschriebenes Fantasybuch, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Allen voran für Fantasyfans, die gerne mit Konventionen brechen, ohne dabei gleich alles Etablierte des Genres über den Haufen zu schmeißen, ist Bretts Debüt ein Muss. Wer Lynn Flewellings »Tamír Triad«-Reihe oder Patrick Rothfuss' »Der Name des Windes« mag, der wird »The Painted Man« lieben.
Ich kann nur hoffen, dass die deutsche Übersetzung ebenso gut ist wie das Original. Andernfalls tut es mir leid für den deutschsprachigen Leser, dem eine wirklich fesselnde Geschichte entgeht.