Hohlbein, Wolfgang: Glut und Asche - Die Chronik der Unsterblichen 11

Cover zu Glut und AscheGlut und Asche –
Die Chronik der Unsterblichen 11
von Wolfgang Hohlbein
447 Seiten
19,95 € (Buch) bzw.
29,95 € (Buch und Rockalbum)
ISBN: 978-3-8025-8247-9 (Buch) bzw.
ISBN: 978-3-8025-8248-6 (Buch und Rockalbum)
Erschienen: Herbst 2009 (Deutschland)
Lyx Hardcover


»Glut und Asche« ist der elfte Band von Wolfgang Hohlbeins Dark Fantasy-Saga »Die Chronik der Unsterblichen« (respektive der zwölfte, wenn man die Kurzgeschichtensammlung »Blutkrieg« miteinbezieht, die inhaltlich zwischen dem achten und dem neunten Teil der Reihe angesiedelt ist). Der neuste Roman um die beiden Vampyre Andrej Delãny und Abu Dun stützt sich in weiten Teilen auf Ereignisse aus vorangegangenen Büchern. Wer die Handlung »Glut und Asche« zur Gänze nachvollziehen möchte, sollte sich daher zunächst mit der bisherigen Serie vertraut machen, bevor er sich an die Lektüre des neusten Abenteuers wagt.

»Glut und Asche« spielt rund 80 Jahre nach den einschneidenden Ereignissen des Vorgängerromans »Göttersterben«. Auf der Such nach Loki ziehen Andrej und Abu Dun seit vielen Jahrzehnten durch alle bekannten Länder der Erde. Im Jahr 1666 hat es sie nach London verschlagen. Hier, so hofft insbesondere Andrej, werden sie Loki endlich stellen. Tatsächlich gelingt es den beiden ungleichen Freunden auch, den mächtigen Unsterblichen aufzuspüren. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse und es kommt alles ganz anders als geplant.

Andrej und Abu Dun geraten in einen Krieg, der seit vielen Jahrhunderten im Verborgenen tobt und nun in eine entscheidende Phase getreten ist. Wider Willen werden sich die beiden Unsterblichen Teil dieses Gefechts – und sehen sich plötzlich mit den Dämonen ihrer Vergangenheit konfrontiert. Ein verzweifelter Kampf ums Überleben nimmt seinen Lauf. Die Kulisse, vor der er sich abspielt, könnte dramatischer nicht sein: Ein gewaltiges Feuer wütet in London und droht, alles und jeden zu verschlingen ...

Nachdem Hohlbein mit »Göttersterben« einen kraftvollen, düsteren und ungemein fesselnden Roman aus der »Chronik der Unsterblichen« zum Besten gegeben hat, legt er mit »Glut und Asche« eine Bruchlandung hin. Der neuste Band der Dark Fantasy-Saga ist über weite Teile hinweg eine ziemliche Enttäuschung und der schwächste Teil der Reihe seit dem unsäglichen sechsten Buch »Die Blutgräfin«.

Die Schwäche des Romans liegt insbesondere in der Darstellung der Protagonisten begründet. Die Figuren verhalten sich samt und sonders sprunghaft, handeln oft nicht nachvollziehbar und sind widersprüchlich charakterisiert. Man bekommt beim Lesen das Gefühl, dass sich hinter ein und demselben Namen eine Vielzahl von Persönlichkeiten verbergen, die allesamt nichts miteinander zu tun haben. Es scheint, als diktiere die Handlung die Ausgestaltung der Personen. Wenn es die Story erfordert, dann verhalten sich die Figuren gerne mal vollkommen anders, als sie es wenige Seiten zuvor noch getan haben. Logik und Kontinuität bleiben da mitunter auf der Strecke.

Besonders hart trifft den Leser in diesem Roman die Darstellung von Andrej. Mit steigender Lebenserfahrung, so sollte man meinen, wird eine Person umsichtiger und lernt aus den Fehlern, die sie im Laufe ihres Daseins gemacht hat. Was für einen gewöhnlichen Menschen gilt, sollte auf einen Unsterblichen doppelt und dreifach zutreffen. Die Zeichnung Andrejs führt diese Weisheit jedoch ad absurdum.

Es ist teilweise erschreckend, wie naiv sich der Unsterbliche verhält. Wann immer etwas falsch zu machen ist und wann immer Mist gebaut werden kann, man darf sich sicher sein: Andrej trifft stets die falsche Entscheidung. So, wie sich diese Figur in »Glut und Asche« verhält, ist es ein Wunder, dass sie all die Gefahren übersteht, mit denen Hohlbein seinen Hauptprotagonisten konfrontiert. Zeitweilig möchte man schreien, so unbeschreiblich dumm verhält sich Andrej, und das wieder und wieder und wieder. Der Lesefreude verpasst das einen gehörigen Dämpfer.

Leider lässt auch die Handlung als solche zu wünschen übrig. Immer wieder stolpert man über Logiklöcher und bekommt Storyelemente geboten, die im Laufe der Chronik schon viel zu oft bemüht wurden, als dass sie noch echtes Interesse wecken würden. So sollte man sich etwa darauf einstellen, dass Andrej mal wieder für eine gewisse Zeit seine Vampyrfähigkeiten einbüßt und mit ihm irgendetwas geschieht, das sein Wesen in einer ihm unerklärlichen Art und Weise verändert. Vor einigen Romanen noch mag dies dem Leser einen wohligen Schauer über den Rücken gejagt haben; mittlerweile wirkt dieses viel zu oft genutzt Stilmittel schlichtweg langweilig.

Als äußerst entnervend erweist sich zudem der Verzicht auf konkrete Aussagen und Beschreibungen. An sich ist dies eine Eigenart, die man von Hohlbein-Romanen her gewöhnt ist und die zu den Werken des Autors einfach dazugehört. In »Glut und Asche« übertreibt es der Autor allerdings. Ständig ergehen sich seine Protagonisten in vagen Andeutungen und ominösen Hinweisen. Konkrete Darstellungen und Beschreibungen finden sich so gut wie nie. Das sorgt dafür, dass der Roman reichlich schwammig wirkt und keine rechte Spannung aufkommen will. Vieles bleibt eben bei Weitem zu diffus, und der eklatante Mangel an greifbaren Informationen führt eher zu Verärgerung und Genervtheit als zu erwartungsvoller Neugier.

Dass der Roman in Sachen Atmosphäre deutlich hinter dem, was Hohlbein in dieser Hinsicht sonst zu bieten hat, hinterherhinkt, fällt bei der Enttäuschung über die restlichen Elemente des Buchs kaum noch ins Gewicht. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Hohlbein viel Potenzial ungenutzt lässt; das Feuer, welches mit Urgewalt über London hinwegfegt, fristet ein undankbares Dasein als bloße Randerscheinung. Wirklich schade. Aus der dramatischen Grundidee hätte man deutlich mehr machen können. Da ist man von Hohlbein ganz andere Kaliber gewohnt.

Immerhin weiß »Glut und Asche« von der Aufmachung her zu überzeugen. Der Schutzumschlag ist aufwendig gestaltet und wirkt sehr edel, das Titelbild düster und geheimnisvoll. Ein Lesebändchen sowie die stimmungsvolle Einbandillustration von Thomas von Kummant vervollkommenen den guten Eindruck.

Musikbegeisterte Leser haben darüber hinaus die Möglichkeit, statt der „einfachen“ Hardcoverausgabe von »Glut und Asche« auch den Roman mit beiliegender Musik-CD zu erwerben. Von Musik verstehe ich nicht besonders viel, weshalb ich an dieser Stelle keine umfassende Kritik des Rockalbums der Band Delany abgeben kann. Was ich allerdings sagen kann, ist, dass die düster-rockigen Klänge die Stimmung der »Chronik der Unsterblichen« insgesamt erstklassig einfangen. Kaum startet die Musik, hat man auch schon die Bilder von Andrej und Abu Dun vor Augen, die auf der Suche nach ihrer Herkunft über viele Jahrhunderte hinweg gegen blutgierige Vampyre und andere Schreckensgestalten kämpfen. Ein äußerst gelungenes Extra; Fans dunkler Rockmusik sollten sich wirklich überlegen, sich die Ausgabe mit CD zuzulegen.

Leider kann der Inhalt des Romans, wie schon gesagt, nicht mit der Aufmachung oder dem Rockalbum mithalten. »Glut und Asche« ist ein zwar gut geschriebenes, allerdings wenig innovatives und spannungsarmes Abenteuer, das sowohl hinsichtlich der Story als auch in Bezug auf Protagonisten und Atmosphäre sehr zu wünschen übrig lässt. Aber was ein echter Fan der »Chronik der Unsterblichen« ist, der beißt die Zähne zusammen und hält durch, in der Hoffnung, dass Buch zwölf wieder deutlich besser wird als der vorliegende Roman.

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