Gruselkabinett(36 & 37) Das Bildnis des Dorian Gray
Um sich mit dem "Bildnis des Dorian Gray" literaturkritisch auseinander zu setzen, bedarf es einer genauen Analyse der einzelnen Romanteile. Dabei ist das Spätwerk des Bühnendramaktikers Oscar Wildes ein einzigartiger Fundus für Literaturkenner. In vielen Interpretationen kann das Schauerwerk als Gesellschafts- und Sozialkritisch bewertet werden. Es ist auch ein faszinierender Spiegel der Zeit, in der dieser Roman entstand. Übrigens der einzige Roman Oscar Wildes.
Daraus ein Hörspiel zu machen, mag eine besondere Herausforderung gewesen zu sein. Titania Medien hat diese Herausforderung nun auch angenommen, nachdem bereits Maritim im Frühjahr seine Version verööfentlicht hat. In der Handlung gibt es zwischen beiden Werken wenig Unterschiede. Man hielt sich an die literarische Vorlage. Doch Titania ist es mehr gelungen, den Unterton des Werkes zum Tragen zu bringen. Die verfangene Situation der Hauptfigur Henry Wottom (Tom Vogt), der Freiheit leben will, aus Zwängen nur verbal fliehen kann, und den heimlichen Wunsch nach Homosexualität hegt ist sehr verständlich umgesetzt. Natürlich wird in dem vorliegenden Roman auch kein Wort über Homesexualität verloren, doch die Handlungen der Personen Henry und Basil, sowie Dorian deuten diese eindeutig an. Auch von einer Beziehung Dorians zu einigen jungen Männern ist im späteren Verlauf der Story die Rede. Die Figur Basil leidet anscheinend immens unter seiner unterdrückten Neigung, während Henry Wottom zumindest verbal seine Zuneigung kund tut. Beim Maler Basil bleibt alles diffus und eher im Hintergrund,obwohl er später sehr unter der Abwendung Dorians leidet.
Dieses Leben und der Wunsch nach einem jugendhaften männlichen Abbild des Sexes waren ein Motiv für Wildes Roman, der selbst der Homosexualität fröhnte.
Der Gruselefekt letztlich ist, dass Dorian einen Fluch ausspricht, indem er seine sterbliche Seite auf das Bildnis überträgt, welches Basil von ihm angefertigt hat. Er altert nun nicht mehr,sondern bleibt auf immer jung, während sein Portrait sich dafür immer mehr verändert.
Vielleicht auch ein Wunsch des Autoren - nicht mehr zu altern, auf ewig jung und begehrenswert zu bleiben, oder immer wieder junge Liebhaber haben zu können.
Es gibt etliche wissenschaftliche Auseinadersetzungen mit diesem antiken Schauerroman. Tatsache ist letztlich, das es eine dramatische Geschichte mit phantastischen Elementen ist, die einen gewissen Zeitgeist wiederspiegelt. Und dieses alles in einem Hörspiel einzufangen ist Titania Medien hervoragend gelungen. Dabei stellt sich die Frage , ob nun 2 CD´s nötig waren. Sicher war das so, denn nur so konnte die ganze Tragik und Bandbreite der Story verarbeitet werden. Langeweile kommt jendenfalls nicht auf, wenn man sich auf dieses Hörspiel bewusst einlässt und versucht in die Thematik einzutauchen. Einfache Unterhaltung ist diese Produktion sicher nicht.
David Turba spricht den Jüngling Gray und er schafft den Bogen vom jugendhaften, leicht beeinflussbaren Mann zum Ekel und Mörder in späteren Jahren. Hasso Zorn, den man in letzter Zeit immer häufiger in Hörspielen antrifft,darf den Erzähler geben. Weiter gesellen sich Stimmen wie Andreas Mannkopf, Regina Lemnitz, Lutz Mackensy und viele andere dazu. Jeder ist in seinem Element und verleiht dem Prosawerk seine notwendige Tiefe.
Zur klassischen Schauerromantik gehört eine passende Musikuntermalung. Beim Gruselkabinett muss man nie Angst haben, dass dies nicht gelingt. Die nötige Stimmung versprüht ein Musikfeuerwerk mit allerhand klassischen Tönen, die der Zeit, in dem die Handlung angesiedelt ist, gerecht werden.
Das Cover ist nicht unbedingt unheimlich, zeigt aber worum es geht. Das Booklet liefert wieder mal nur Eigenwerbung. Infos zur Geschichte und zum Autor wären hier wünschenswert gewesen. Gerade bei diesem Werk
Fazit: Gruselkabinett liefert Super-Spannung mit Gänsehaut ohne die klassische Linie der Geschichten zu verlassen. Da weiß man, was man bekommt.
Übrigens gibt es den Zweiteiler einzeln zu kaufen, oder auch im Schuber.