Moreland, Brian: Schattenkrieger
Das Tagebuch als solches erweist sich Seans Paket führt den jungen Soldaten und General Briggs zu einem alten Friedhof im Hürtgenwald, einem Gebiet nahe der belgisch-deutschen Grenze. In einem Höhlensystem unterhalb der Grabstätte stoßen die beiden und die mitgereisten Soldaten auf eine Vielzahl nicht beerdigter Skelette. Sechs davon sind die Überreste von Kameraden, mit denen Jack Chambers im Sommer 1944 eine selbstmörderische Mission im Hürtgenwald durchführte. Eine Mission, die einem wahren Albtraum glich und mit der Auslöschung von Jacks gesamten Zug einherging.
Was ist damals im Hürtgenwald geschehen? Welches Grauen hat Jack Chambers erblickt, das ihn dazu gebracht hat, über ein halbes Jahrhundert zu schweigen und die Überreste seiner Kameraden fernab der Heimat unbestattet liegen zu lassen? Antwort auf diese Fragen liefert Jacks Tagebuch. Das Werk legt Zeugnis ab über ein Grauen, wie es die Welt nie zuvor gesehen hat. 1944, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wurden Jack und seine Männer mit einem widernatürlichen, schrecklichen Gegner konfrontiert, wie sie ihm noch nie zuvor gegenübergestanden hatten. Die Beschäftigung der Nazis mit okkulten Praktiken brachte ein nahezu unbeschreibliches Grauen hervor ...
Immer wieder stößt man auf Bücher, die einen positiv überraschen. »Schattenkrieger« ist ein solches Buch. Der Debüt- und bislang (zumindest soweit mir bekannt) auch einzige Roman des Amerikaners Brian Moreland ist ein Werk, das die Erwartungen, die ich zu Beginn an das Buch stellte, bei Weitem übertroffen hat.
Das war, zugegeben, im Grunde nicht besonders schwer. Amerikanische Soldaten marschieren 1944 in Deutschland ein, wo sie auf Nazi-Zombies treffen und in blutigen Gefechten um ihr Leben (und natürlich gegen die Nazis) kämpfen. Dies war, kurz und knapp umrissen, der Eindruck, den ich nach den ersten Vorankündigungen von Morelands Roman hatte. Insofern stellte ich keine besonders hohen Ansprüche an die Erzählung, sondern erwartete lediglich eine actionreiche, wenn auch reichlich trashige Geschichte mit einem nicht zu unterschätzenden Maß an Gewalt und simpler Schwarz-Weiß-Malerei.
Dass ich stattdessen eine hoch spannende und dramatische Story geboten bekommen würde, die mich dank exzellent gezeichneter Charaktere, überraschender Wendungen und geschickt eingesetzter Horror- und Splatterelemente von Anfang an fest in ihren Bann ziehen und begeistern würde, damit habe ich wahrlich nicht gerechnet.
Zunächst einmal sollte ich erwähnen, dass ich meine anfängliche Vorstellung, was die Story betraf, revidieren musste. Ganz so simpel, wie ich es mir ausgemalt hatte, ist die Romanhandlung nämlich nicht. Moreland hat sich für sein Buch weitaus mehr einfallen lassen als bloß den Kampf amerikanischer Soldaten gegen Nazi-Zombies. Der Feind, mit dem die Protagonisten konfrontiert werden, ist nicht das, was er auf den ersten Blick zu sein scheint, und hat mit simplen wandelnden Untoten nur bedingt etwas zu tun. Wer das Buch also mit einer ähnlichen Erwartung in Sachen Story in die Hand nimmt, wie ich dies getan habe, der wird so manche Überraschung erleben.
Damit genug von der Handlung. Kommen wir zu den Elementen, die Morelands Buch in meinen Augen so außergewöhnlich machen. Was mich bei der Lektüre von »Schattenkrieger« hauptsächlich begeistert hat, ist, dass es Moreland tatsächlich gelingt, dem Leser mehr als nur einmal einen kalten Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Wie oft schon habe ich erlebt, dass Horrorromane selbst solche, die im Grunde gut geschrieben sind es nicht oder allenfalls in geringem Maße verstehen, eine schaurige Atmosphäre zu erzeugen. »Schattenkrieger« kennt diese Schwäche nicht. Von Beginn an gelingt es Moreland immer wieder, den Leser das Grauen, das sich vor seinen Augen abspielt, regelrecht körperlich spüren zu lassen und das, obwohl knapp die Hälfte des Romans vergeht, ehe man tatsächlich auf besagtes Grauen stößt. Mal durch subtile Schilderungen von Gefühlen und Ahnungen, mal durch harte Splattereinlagen, in denen Blut und Innereien nur so spritzen, sorgt Moreland dafür, dass der Schrecken quasi aus dem Buch heraus transportiert wird. Selten habe ich einen Horrorroman gelesen, auf den die Genrebezeichnung besser zutrifft als auf »Schattenkrieger«.
Von nicht minderer Qualität wie die Horrorelemente sind übrigens die Kriegsszenen des Buchs. Mit ungeheurer Intensität schildert Moreland ein ebenso bedrückendes wie bedrohliches Szenario, das dem Leser zeitweilig ebenso eine Gänsehaut verursacht wie der Einsatz der Horror-spezifischen Storyelemente. Man liest nicht oft Bücher, in denen es dem Autor gelingt, den Schrecken, den seine Erzählung hervorrufen soll, aus zwei ganz unterschiedlichen Quellen zu beziehen. »Schattenkrieger« ist der Beweis dafür, dass es möglich ist.
Bei all der Begeisterung für Setting und Atmosphäre verliert man die übrigen Aspekte des Romans leicht aus den Augen. Das liegt allerdings nicht daran, dass diese Elemente qualitativ merklich schlechter wären. Ganz im Gegenteil, verfügt »Schattenkrieger« z.B. doch über ein hochinteressantes Figurenensemble und ist zudem sehr ansprechend geschrieben. Die düster-unheimliche Grundstimmung des Buch ist allerdings derart dominant, derart herausragend, dass die anderen Romanbestandteile, so gut sie auch sein mögen, dagegen fast schon blass aussehen.
»Schattenkrieger« ist für mich die erste große Überraschung des Jahres. Was ich im ersten Moment für kurzweiligen Trash gehalten habe, entpuppt sich während der Lektüre als unheimlicher, enorm spannender und wundervoll düsterer Horrorroman. Kein Fan dunkler Spannung sollte sich dieses beeindruckende Werk entgehen lassen. Kraftvoll, bedrückend und intensiv so und nicht anders muss ein Horrorroman sein!