Hohlbein, Wolfgang: WASP
Es ist der erste Auftrag, den der angehende Journalist
Wayne von seinem Chef übertragen bekommt: Auf dem Maisfeld eines
Ökobauern ist ein gewaltiger Kornkreis erschienen. Bei der ganzen
Geschichte muss es sich um einen dummen Scherz handeln, da ist sich
Wayne sicher. Deshalb geht er die Story auch eher halbherzig an
bis der Hubschrauber, mit dem er unterwegs ist, um Luftaufnahmen des
Kornkreises zu machen, aus unerklärlichen Gründen beinahe abstürzt.
Nur mit Mühe gelingt es dem Piloten, die Maschine rechtzeitig zu
landen, so dass die beiden Insassen gerade noch mal mit dem Schrecken
davonkommen.
Dies ist der Auftakt einer Reihe von Ereignissen, die Waynes Vorstellungskraft aufs äußerste strapazieren. Kaum sicher am Boden angelangt, muss er nämlich feststellen, dass die Elektronik des Helikopters genau zu dem Zeitpunkt versagte, als die Maschine über den Kornkreis flog. Ein geradezu unglaubliches Phänomen, dem weitere Folgen sollen: Rund um Waynes Heimatstadt kommt es vermehrt zu Angriffen von Wespen und Bienen auf Menschen, und als wäre das nicht schon genug, tauchen die Insekten auf einmal in gewaltigen Schwärmen auf.
Noch ahnt niemand, was hinter den rätselhaften Vorgängen steckt oder ob sie etwas miteinander zu tun haben. Doch schon bald wird Wayne klar, dass mehr hinter den Vorkommnissen steckt als bloßer Zufall und dass vielleicht sogar das Schicksal der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht...
Mit weit über 900
Seiten ist Hohlbeins neuster Roman ein echter Wälzer geworden. Die
enorme Länge des Buches sollte aber niemanden davon abhalten, einen
Blick in WASP zu
werfen. Beim Lesen selbst merkt man dem Buch seine fast schon epische
Seitenanzahl nicht an, allenfalls daran, dass das Halten des
Hardcovers mit der Zeit doch ganz schön ins Handgelenk geht (es
leben Taschenbücher!!!). Man ist beinahe gewillt zu sagen, dass sich
das Buch von alleine liest. Die Handlung des Romans ist spannend und
über weite Strecken hinweg wirklich packend, die Geschichte gut
geschrieben und angenehm zu lesen. Schnell bleibt man ein paar Seiten
länger hängen, als man eigentlich wollte.
Natürlich enthält das Buch auch wieder die für Hohlbein-Romane so typischen Elemente, die Fans jedes Mal aufs neue erfreuen und Kritiker immer wieder zur Verzweiflung treiben. Im einzelnen wären das (ohne auf Vollständigkeit bedacht zu sein oder die einzelnen Stilmittel in irgendeiner Weise werten zu wollen):
enorm lange Szenen mit ausführlichen Beschreibungen der Eindrücke, die die Hauptfigur des Romans hat;
überraschende, teilweise aber auch ein wenig bemüht wirkende Beziehungen zwischen den verschiedenen Figuren, die erst recht spät im Laufe der Handlung offenbar werden;
eine Handlung, die sich genau genommen in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt, was man aber erst merkt, wenn man die vielen hundert Seiten gelesen und sich dabei gut unterhalten hat;
kleinere Ungereimtheiten im Verhalten der Protagonisten, die immer mal wieder ganz anders reagieren, als man es aufgrund ihres zuvor beschriebenen Charakters vermutet hätte;
das Hinauszögern klarer Antworten; stattdessen muss man sich lange Zeit mit diversen, teilweise sehr kryptischen Andeutung zufrieden geben. Und wenn dann doch mal die ein oder andere Frage geklärt wird, kann man sich fast sicher sein, dass die Antwort mehr Ungereimtheiten aufwirft als sie auflöst;
ein Ende, das zwar in sich geschlossen ist, aber einen Großteil aller im Roman auftauchenden Fragen unbeantwortet lässt;
die Allgegenwart von etwas Unbeschreiblichen, von einer Macht, die man mit Worten nicht fassen kann, deren Präsenz für die Hauptperson des Romans aber ständig spürbar ist; statt mit klaren Bedrohungen zu arbeiten, setzt Hohlbein hier auf die Phantasie des Leser, indem er eher diffuse Andeutungen macht und die Gefahr durch das Unwohlsein seiner Protagonisten schildert, anstatt konkrete Beschreibungen und Gegner zu liefern.
Gerade was den letzten Punkt betrifft, hält Hohlbein sich in WASP allerdings stark zurück. Stattdessen bekommt der Leser einen Teil des Schreckens diesmal tatsächlich zu Gesicht, sei es in Form aggressiver Insektenschwärme oder anderer, für die Hauptfiguren sichtbarer Bedrohungen. Ich persönlich finde das ganz angenehm. Ich bin, wie gesagt, ein Freund von Hohlbeins Schreibe. Gleichzeitig mag ich es aber, wenn die Gefahren, in der die Helden eines Buches schweben, auch irgendwie greifbar sind und nicht bloß angedeutet werden. Was diesen Aspekt anbelangt, hat mich der Roman positiv überrascht.
Das Ende von WASP wartet mit einem ziemlich reißerischen Showdown auf, weshalb das Buch in seiner Schlussphase übertrieben dramatisch wirkt. Ein weniger bombastisches Finale wäre dem Roman eher gerecht geworden.
Alles in allem ist WASP ein Roman, den ich Lesern phantastischer Unterhaltung, trotz des betont reißerischen Finales, uneingeschränkt empfehlen kann. Der Roman ist durchweg spannend, und auch wenn man die ein oder andere Szene ruhig hätte straffen können: Langeweile kommt beim Lesen nicht auf.
Fans von Wolfgang Hohlbein können bedenkenlos zugreifen; sie werden nicht enttäuscht werden. Wer Frank Schätzings Der Schwarm mochte und sich das ganze eine Nummer kleiner, mit einer weniger imposanten Zahl an Handlungsorten und Protagonisten vorstellt und dazu noch die Hohlbein-typischen Elemente addiert, die ich gerade aufgezählt habe, der weiß in etwa, auf was er sich einstellen darf. Ein Buch, das auf alle Fälle einen Blick wert ist auch wenn es zunächst ein klein wenig monströs erscheint, was den Umfang betrifft...
Kommentare
das erinnert ja tatsächlich an den Schwarm. Wobei ich mich frage, ob Wasp da qualitativ auch nur annähernd heranreicht. Gerade die vielen Schauplätze waren ja das interessante am Schwarm. Allerdings fand ich Schätzing auch ein bisschen zu geschwätzig, bzw. hatte das Werk doch einige Längen. Was aber der wohl längste und spannendste Showdown in der Geschichte der Unterhaltungsliteratur wieder wettmachte.
Deine Rezi hat mich neugierig gemacht, aber ich hätte da trotzdem Bedenken, ob Hohlbein sich da nicht vielleicht zu sehr am Schwarm orientiert hat.
Trotz gewisser Parallelen (Schwarmintelligenz und so) unterscheiden sich "WASP" und "Der Schwarm" doch grundlegend. Der Vergleich beider Bücher soll lediglich Lesern helfen, die den Roman irgendwie einordnen möchten. Und in diesem Fall kommt "Der Schwarm" "WASP" halt am nächsten (zumindest was die Bücher anbelangt, die ich so kenne). Aber keine Angst, man liest das Buch ohne ständiges Deja-vu-Erlebnis; in einigen Punkten existieren Parallelen, aber da ist es wie mit "Star Treck DS9" und "Battlestar Galactica": zwei verschiedene, wenn auch teilweise ähnliche Serien, die dem gleichen Publikum gefallen (sollten).
Ich kann dir daher nur raten, einen Blick ins Buch zu werfen. Wenn dir "Der Schwarm" gefallen hat, dürfte dir auch "WASP" gefallen. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Hohlbein hat so seinen ganz eigenen Stil. Wenn du also schon Bücher von ihm gelesen hast und die haben dir nicht so gut gefallen, dann würde ich auch eher die Finger von diesem Roman lassen.
Ansonsten erwartet dich eine spannende Story, die einige Elemente mit "Der Schwarm" gemeinsam hat, im Endeffekt aber eine völlig andere Richtung einschlägt (und die vor allem ein paar Nummer kleiner und auch etwas weniger spektakulär daherkommt als Schätzings Buch).
Ich weiß das es genug Fans von ihm gibt, irgendwie scheiden sich bei ihm die Geister: Beispiel "Das Druidentor", ein Freund von mir fand das Teil Super spannend, er sagte er konnte es kaum aus der Hand legen. Ich bin bei der Lektüre desselben Buchs wirklich und wahrhaftig eingeschlafen (echt!) , das ist mir vorher und auch nachher nicht wieder passiert. Die einzigen Bücher die mir von ihm gefallen haben sind die Hexer Bände (kommt wahrscheinlich aber daher dass es ursprünglich Heftromane waren) und die beiden Azrael Teile.
Die ersten Charity Bände waren auch ganz okay. Ich muss aber auch zugeben dass ich in den letzten Jahren keinen Hohlbein mehr gelesen habe, vielleicht hat sich der Abwärtstrend ja nicht fortgesetzt, aber daran glaub ich irgendwie nicht. ( Ich lass mich aber gerne eines besseren belehren )
Tja, die Geschmäcker sind halt verschieden. Bestes Beispiel: Ein Bekannter von mir kann sich über die Bücher von Terry Prachett fast zu Tode lachen. Ich bin bei der Lektüre eines seiner Romane ebenfalls fast gestorben, aber vor Langeweile.
@ Cartwing
Lass dich also nicht beirren. WASP ist ein Buch, das man lesen kann, ohne sich zu langweilen. Da es aber recht teuer ist (und Hohlbeins Stil nun mal nicht jedermanns Sache ist), empfehle ich dir, erst mal ein anderes von Hohlbeins Büchern zu lesen und zu schauen, ob du mit seiner Schreibe zurecht kommst.
Meine Tipps:
sehr gute Bücher: Am Abgrund, Wyrm, Der Greif, Charity
gute Bücher: Enwor, Anubis, Das Avalon-Projekt, Magog, Die Rückkehr der Zauberer
mittelmäßige Bücher: Thor Garson, Das Paulus-Evangelium, Midgard, Feuer
schlechte Bücher: Im Netz der Spinnen, Das Netz, Enwor - Das elfte Buch
miese Bücher: Dier Nibelungen-Saga (mit Thosten Dewi), Die Blutgräfin
So, das sollte dir genug Auswahlmöglichkeiten auf unterschiedlichen Qualitätslevels (wobei das natürlich sehr subjektiv anzusehen ist) geben.
Viel Spaß bei der Lektüre!
Mir ist gerade eingefallen, dass Hohlbein ja vor Jahren auch mal ein ganz dreistes Eigenplagiat veröffentlicht hat. Ich weiß zwar nicht mehr, wie der Roman hieß, aber damals (zu Zeiten des MHCM, falls das noch jemand hier kennt) hat Timmy Stahl entdeckt, dass Hohlbein einfach einen alten Zyklus aus der Heftserie Damona King genommen, ein paar Namen geändert, das ganze dann noch ein bisschen gestreckt hat und fertig war der "neue" Roman. Timmy hat dann einen Artikel dazu verfasst.
Das nur als kleine Anekdote am Rande
Ich bin im Besitz der auch schon etwas älteren Indiana Jones Bücher von WH. Wenn ich mir nun die Inhaltsangaben der Thor Garson Bücher ansehe und die mal mit der Story der besagten Indy Jones Bücher vergleiche habe ich auch das eine oder andere DejaVu Erlebnis.