Lynch, Scott - Red Seas Under Red Skies
»Oceans Eleven meets Pirates Of The Caribbean«
(Tarantino Style)
Auf den ersten Seiten fragt man sich, ob der Titel des Romans gerechtfertigt ist, denn abgesehen davon, dass es sich bei Tal Verrar um eine Inselstadt handelt, ist nichts mit »Red Seas«. Ungefähr im ersten Drittel des Buches wird zum einen berichtet, wie die beiden Gentleman Bastards in elaborierten Identitäten ihren Coup aufbauen, zum anderen wird in den schon aus Band eins bekannten Rückblenden erzählt, was ihnen seit der Flucht aus Camorr widerfahren ist.
Doch dann nehmen die Geschehnisse eine überraschende Wende und tatsächlich wird aus dem Roman eine lupenreine Piratengeschichte. Lynch schafft es allerdings wieder, auch dieser Thematik trotz aller vorhandenen Versatzstücke und Klischees völlig neue Seiten abzugewinnen und dem »Lamoraversum« neue Details hinzuzufügen, die es erfreulich von der »Standard-Fantasy« abheben.
»Would that this city's entire population of lurking assholes shared just one set of balls, so I could kick it repeatedly.« (Seite 531)
Im Vergleich zum ersten Band hat sich Lynchs Stil leicht verändert, zwar ist der Roman immer noch reichlich gewalttätig und es wird auch immer noch bunt geflucht, allerdings lange nicht in dem Maße wie im Vorgänger. Auch die heftigen Brutalszenen halten sich in vergleichsweise engen Grenzen. Das bedeutet allerdings immer noch nicht, dass es hier zimperlich zur Sache geht, prinzipiell gilt immer noch dasselbe wie für »The Lies Of Locke Lamora«: Zart Besaitete sollten sich vorher überlegen, ob sie das wirklich lesen möchten.
Man darf gespannt sein, ob Lynch in der Lage sein wird, die Qualität seiner »Schreibe« nochmals zu steigern.
Der Fabulierkunst des Autoren tut dieses Einschränken von Gewalt und Injurien aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Auch hier wird wieder ein äußerst farbenfrohes Universum vor dem Leser ausgebreitet, ein Universum mit glaubwürdigen Charakteren, deren Handlungsweisen durchaus nachvollziehbar sind, da Hintergründe und Werdegang nach und nach offen gelegt werden. Platte Figuren gibt es nicht, sogar Nebencharakteren widmet Lynch Zeit, ohne jedoch zu übertreiben und dadurch zu langweilen. Im Gegenteil, der Roman wird dadurch und durch seine facettenreiche Art zu beschreiben ungeheuer dicht.
»First, you're courting an awful fate if you take a ship to sea without at least one woman officer [...] Plus, it's common sense. They're good officers. Decent plain sailors, but finer officers than you or I. Just the way the gods made 'em.« (Seite 246)
Ohne jetzt inhaltliche Andeutungen zu machen denn das wäre zu schade kann man insbesondere den Freunden maritimer Abenteuergeschichten die Lektüre nur ans Herz legen, allerdings mit dem Hinweis dass man sich durch etliche Seiten lesen muss, bevor es auf der »Sea of Brass« richtig schön zur Sache geht.
Aber ganz klar gilt: Auch, wenn man kein Fan von Seeräuberpistolen ist - wem der erste Roman gefallen hat, der kann auch den zweiten völlig bedenkenlos kaufen. Auch hier kann ich es nur wiederholen: Scott Lynchs Romane heben sich sehr wohltuend vom üblichen Fantasy-Einheitsbrei ab und wissen inhaltlich wie stilistisch vollständig zu überzeugen. Völlig zu Recht hat der Autor soeben den BRITISH FANTASY AWARD als bester Newcomer erhalten.
Also: Buchhändler entern und Lesebefehl an die gesamte Mannschaft! :o)
Der einzige Wehmutstropfen: Band drei der Abenteuer Locke Lamoras - »The Republic Of Thieves« - wird erst im Frühjahr 2009 erscheinen (in Englisch). Viel zu lange hin, denn es gibt am Ende von »Red Skies« eine Art Cliffhanger. Ich hoffe sehr, dass Lynch sich nicht durch vertragsinduziertes Akkordschreiben verschleißen läßt. Auf jeden Fall werde ich auch über die weiteren Abenteuer der Bastarde berichten.
Links:
Rezension "Sturm über roten Wassern" (deutsche Ausgabe) von Jochen Adam
Bildnachweis:
Coverfoto Copyright Bantam Spectra
Kommentare
Der Rezi kann ich mich voll und gnz anschließen!