DER TAG AN DEM DIE ERDE STILLSTAND

DER TAG AN DEM DIE ERDE STILL STANDDER TAG AN DEM DIE ERDE STILLSTAND
(THE DAY THE EARTH STOOD STILL)
Darsteller: Keanu Reeves, Jennifer Connelly, Jaden Smith, Kathy Bates und John Cleese u.a.
Regie: Scott Derrickson
Drehbuch: David Scarpa nach dem Drehbuch von Edmund H. North
Kamera: David Tattersall
Bildschnitt: Wayne Wahrman
Musik: Tyler Bates
Produktionsdesign: David Brisbin
circa 103 Minuten

USA / 2008

Die Ikonen des alten Kinos sind ja immer schwer angreifbar. Aus diesem Grund lässt sich nicht vermeiden, was man eigentlich umgehen müsste, nämlich den direkten Vergleich. Nichts polarisiert den Cineasten und Kinoliebhaber mehr, als ein ordentlich auf den Busch hauendes Remake. 20th Century-Fox hat mit der Neuverfilmung vom ‚Tag, als die Erde stillstand‘ geglaubt, dass sie derart auf den Busch hauen würden, dass alle Welt nur diesen einen Film sehen möchte. Und nicht nur die Welt, sondern auch ganz Alpha Centauri. Bis aber der Werbegag in Form des dorthin gesendeten Signals Wirkung zeigt, ist wahrscheinlich schon die nächste Neuverfilmung dieses Filmes im Kommen, oder bereits der vierte Teil, man weiß es nicht genau.



Im direkten Vergleich muss natürlich das Original obsiegen, alles andere wäre ein Sakrileg. Gegen welche Schwierigkeiten hat also dieser Neue Keanu Reeves anzugehen? Ein Außerirdischer kommt auf die Erde und will diese zerstören. Aber warum? Weil die Menschheit grausam ist und ihre Vergangenheit beweist, das es in der Zukunft nur noch schlimmer wird. Der Friede in der Galaxie muss gewahrt bleiben, also weg mit den Menschen. Die Amerikaner hatten eine Depression bewältigt, gefolgt von einem fürchterlichen Krieg, wo man so nebenbei noch den deutschen Bartträger besiegt, und dann steht auf einmal der Russe allgegenwärtig vor der Tür. 1951 war es, gelinde gesagt, verdammt mutig, in einem Unterhaltungsstück fürs Kino die Menschheit an sich und den Amerikaner ins Besondere, als unbelehrbare Kriegstreiber zu bezeichnen. Selbst wenn diese Aussage von einem Außerirdischen kommt, der seltsame Klamotten trägt.

Der Tag, an dem die Erde stillstand wurde damals zu einem vorbildlichen Meisterwerk, weil er unvermittelt Dinge ansprach, die man so eigentlich nicht sagen sollte. Was aber längst nichts über die technische Qualität des Filmes aussagt. Ein Film, ein Erfolg, an und für sich eine wunderbare Geschichte. Im Kino der heutigen Zeit aber ist alles gesagt. Heute gibt es kein Tabu mehr. Filmemacher kritisieren offen die aktuelle Kriegsführung des eigenen Landes und ein ehemaliger Vizepräsident beschuldigt auf der großen Leinwand das eigene Volk als größte Umweltsünder. Keiner von diesen Amerikanern wurde vom wütenden Mob gelyncht. Den Zustand des Kinos kann man als nach allen Seiten hin offen betrachten.

Wo also liegt der Fixpunkt für eine erneute Aufarbeitung des ‚Stillstandes der Erde‘? Wo setzt man heutzutage die thematische Daumenschraube an? Man erkennt schnell, dass diese Notwendigkeit nicht gegeben ist. Dieser neue, technisch brillante Film muss sich mit einer Botschaft behaften, die hinlänglich bekannt ist, zur Kenntnis genommen wurde und der mäßiger Erfolg beschieden war. Ökologie ist keine Stärke des Menschen und diese Spezies wird auch weiterhin seine Schwierigkeiten damit haben. Zumindest bis jetzt, denkt sich da 20th Century-Fox und setzt voll auf den Keanu-Faktor, um dem Durchschnittsamerikaner wenigstens ein - wenn auch nur angedeutetes - Gefühl zu vermitteln, ihn auf die Umweltschiene rangieren zu können.

Hier ist nur vom Amerikaner die Rede, weil amerikanische Studios ihre Filme auch nur ausschließlich für das amerikanische Publikum produzieren. Das wird einem mit diesem Film, und seinen Handlungsteilen auch wieder sehr bewusst. Eingestreute Nachrichtenblöcke aus aller Herren Länder täuschen nicht darüber hinweg, dass  All-American-Guy John Smith angesprochen wird, endlich Strom zu sparen, weniger Sprit zu verbrauchen und die Massentierhaltung abzuschaffen. Der Ansatz von Völkerverständigung und Umweltbewusstsein verpufft im ökologischen Fingerzeig an die eigene Adresse.

Der Film beginnt fast schon wie eine Reminiszenz an Crichtons Verfilmung von ‚Andromeda Strain‘, wenn alle Wissenschaftler zusammen gepflückt werden, für ihre Reise mit unbekannten Ziel. Eine gewisse Form von Realismus kann man Derricksons Regie nicht abstreiten. In seinem Vorgänger-Projekt Emily Rose war dieser Ansatz weniger gelungen, obwohl besser möglich gewesen. Das Szenario ist sehr überzeugend. Was immer sich ergibt, lässt der Regisseur nicht der Inszenierung wegen geschehen, sondern aus dem Kontext des Realismus heraus. Einen großen Beitrag zum Gelingen dieses greifbaren Szenarios liefert der geschickte und gekonnte Einsatz der Spezial-Effekte und dem raffinierten Design der außerirdischen Raumschiffe, hier Sphären genannt. Wie elegant dieser Film konzipiert wurde, erkennt man am visuellen Stil und der in schmutzigen Grün gehaltenen Farbkomposition.
Grün ist ja nicht nur die Thematik, welche Klaatu auf die Erde bringt, sondern Grün ist auch das Konzept, mit dem Cent-Fox sich diesem Prestige-Objekt verschrieben hat. Was heißen soll, das dies der erste Hollywood-Film ist, der sich vollkommen dem Umweltschutz verschrieben hat, angefangen mit Elektroautos bei der Produktion. Aber zurück beim Film implementieren auch die stets im Dunst gehaltenen Wälder von Neu-England, dass etwas im Argen ist mit der Natur. Die meist ausgewaschenen Farben erledigen den Rest. Besonders hintersinnig ist das natürlich nicht, von originell ist man da sogar weit entfernt, aber es erfüllt seinen Zweck und ist keineswegs aufdringlich.

Keanu Reeves als Klaatu konnten sich viele kaum vorstellen. Andere hingegen konnten sich in hämischer Absicht für den sparsamen Mimen nichts Besseres wünschen, als einen regungslosen, nie mit der Mimik spielenden Außerirdischen. Herrn Reeves darstellerische Leistungen im Allgemeinen seien dahin gestellt, für diesen Film hat er nicht nur die ideale Format, sondern auch ein vortreffliches Aussehen. Der Regisseur profitiert nicht nur wegen des Millionen schweren Namens, sondern durchaus auch wegen einer nicht zu unterschätzenden, überzeugenden Präsenz durch Keanu Reeves. Jennifer Connelly hingegen gibt etwas Rätsel auf. Nicht dass diese Aktrice enttäuschen würde, ganz im Gegenteil, aber den ganzen Film über sieht die Frau aus, als wäre sie zehn Jahre jünger als in ihren vorangegangenen Filmen. Dass ein amerikanischer Film nicht um das übliche naseweise Kind herum kommt, scheint schon selbstverständlich. Die Rolle von Jaden Smith allerdings wurde sicherlich in bester Absicht dermaßen gegen den Strich gebürstet, dass diese Kreation nach hinten losging. Während man dem Kleinen zugestehen muss mittlerweise über schauspielerische Fähigkeiten zu verfügen, was bei seinem Kino-Debüt noch nicht so reif war, nervt dessen Charakter in diesem Film durchweg. Gerade weil dieser Teil in klassischer Konflikt-Tradition inszeniert ist, wünscht man sich sehnlichst, Klaatu könnte ebenfalls mit seinen Augen Strahlen abschießen und das Nervenbündel zu einem Häuflein Asche degradieren. Wer über den Namen John Cleese stolpert und sich ernsthafte - weil begründete - Sorge macht, darf sich entspannt zurück lehnen und eine wirklich erfreuliche Überraschung erleben.

Was man dem Film ernsthaft vorwerfen muss, ist seine Ernsthaftigkeit. Mit seriöser Gelassenheit umschifft die fortlaufende Handlung jede Möglichkeit, dem Zuschauer wenigstens einmal ein gelöstes Lächeln zu entlocken. Und da sich Derrickson in seiner Inszenierung zudem ungewöhnlich viel Zeit lässt, funktioniert dieser Film für einen Hollywood-Blockbuster ungewöhnlich altmodisch. Das hat nun wirklich nichts mit Langeweile zu tun, aber viele oberflächliche Betrachter könnten es als solchen Vorwurf missbrauchen. Als eigenständiger Film könnte Der Tag an dem die Erde stillstand durchaus interessante Ansätze offenbaren, dürfte sich für die eindringliche Atmosphäre loben lassen und wäre wesentlich gnädiger aufgenommen worden. Aber der Makel der Neuverfilmung ist eben doch eine gnadenlose Spaßbremse. Die selbst ungerechtfertigte Möglichkeiten eröffnet, jemanden mal so nach Herzenslust auseinander zu nehmen. Der Tag an dem die Erde stillstand ist ein Film, der in allen technischen, wie kreativen Bereichen wesentlich besser sein könnte, die Frage bleibt aber, ob er dadurch wirklich wohlwollender aufgenommen worden wäre. Die neue Variation mit dem Titel und dem Finale des Filmes ist jedenfalls ein bemerkenswert innovativer Einfall.

Kommentare  

#1 Thomas Rippert 2008-12-20 19:24
Toller Bericht, der sich zu 95% mit meinen Eindrücken deckt.

Zitat:
"Was man dem Film ernsthaft vorwerfen muss, ist seine Ernsthaftigkeit. Mit seriöser Gelassenheit umschifft die fortlaufende Handlung jede Möglichkeit, dem Zuschauer wenigstens einmal ein gelöstes Lächeln zu entlocken."
Hm, nachdem ich den Film gesehen habe, muss ich sagen das mir die Szene mit John Cleese ein Lächeln entlocken konnte.

Und Jennifer Connelly... *sigh* ;-)
#2 Mainstream 2008-12-20 20:19
-
Oh ja, mir hat John Cleese durchaus auch ein Lächeln
abgerungen. Aber mehr aus der Tatsache, das er so
unaufdringlich in Szene gesetzt war. Wie er da plötzlich
steht und die Formeln ausbessert. Das hatte sehr viel
Schönes.

Und genau diese Szene hat aber auch gezeigt, wie
ernst eben alles andere gewichtet wurde.
Naja, und Jennifer Connelly möcht ich gar nicht darüber
reden. Sonst mach ich wieder die ganze Nacht kein
Auge zu.
#3 Thomas Rippert 2008-12-21 10:41
Zitat:
Aber mehr aus der Tatsache, das er so
unaufdringlich in Szene gesetzt war.
Die paar wenigen Sätze die er hatte, hatten mehr "Gewicht" als der Rest der Handlung, da es eigentlich alles kurz zusammen fasste um was es ging.

Als ich seinen Namen im Vorspann gelesen habe, dachte ich nur welche passende Rolle man für ihn wohl haben könne - die Wahl des Charakters ist jedoch mehr als gelungen.

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