van Eekhout, Greg: Norse Code
Kathy Castillo, eine junge Studentin aus Kalifornien, interessiert der drohende Weltuntergang im Moment allerdings nicht wirklich, hat sie doch eine Vielzahl eigener Probleme.
Vor ein paar Tagen sind sie und ihre Schwester bei einem "Drive by Shooting" ums Leben gekommen. Zu Kathys Erstaunen wurde sie als Walküre wiederbelebt und ist jetzt, zu ihrem Unwillen, dafür zuständig, Helden für Walhallas Hallen zu sammeln. Das Vorhaben ihre Schwester aus Helheim (dem Totenreich der Aesir) zurückzuholen wird allerdings zu Kathy's grösstem Problem. Denn so einfach es ist, nach Helheim zu gelangen, so sind doch seit Anbeginn der Zeit von dort erst zwei Personen lebend entkommen.
Eine dieser Personen ist Hermod, der wandernde Gott, und ginge es nach Kathy, soll ihr jetzt genau dieser bei ihrem Vorhaben helfen. Zu dumm nur, dass Hermod schon vor langer Zeit mit den Aesir gebrochen und so gar kein Interesse daran hat, jemals wieder einen Fuß nach Helheim zu setzen.
Als Kind im Lesealter habe ich in meiner lokalen Bücherei alles verschlungen, was mich interessierte. Darunter auch einige Bücher über Mythologie. Seit dieser Zeit ist für mich die nordische Mythologie eine der interessantesten und abenteuerlichsten der Welt. Als ich von Norse Code hörte und dazu noch gesehen habe, dass das Cover noch mit einem Lobschreiben von Steven Brust - einem meiner Lieblingsautoren - bedruckt ist, konnte ich natürlich nicht anders und musste dieses Buch kaufen.
Und Greg van Eekhout hat mich mit seinem Erstlingswerk positiv überrascht. Ein ähnliches Thema, Mythologie trifft reale Welt, hatte ich bisher nur in Gaimans "American Gods" gelesen (für beide Bücher könnte man wohl eine neue Schublade aufmachen: Mythological Fantasy).
Der Autor versteht es in seinem Debut, die nordische Mythologie mit unserer modernen Welt zu verbinden. Wer sich jemals Gedanken darüber gemacht hat, wie Ragnarök, die letzte Schlacht, aussehen könnte, bekommt hier die Beschreibung zum Weltuntergang.
Die zwei handlungstragenden Personen Hermod und Kathy sind gut gewählt.
Auf der einen Seite Kathy - rebellisch, jugendlich und nur darauf aus, ihre Schwester zu befreien; auf der anderen Seite Hermod, der melancholische, an seinem langen Leben und misslungenen Taten fast gebrochene Aesir, der über sich selbst hinauswächst.
Das scheinbar auswegslose Zustreben auf den Weltuntergang und die oft melancholische Grundstimmung des Romans werden dabei durch Schlachten und Kämpfe aufgelockert, bei denen es an manchen Stellen schon mal härter zugeht.
Trotz all dieses Lobs gibt es an Norse Code auch Nachteiliges. Van Eekhout gelingt es, bedingt durch die Seitenzahl des Buches, nicht immer, dem Leser die gesamten Zusammenhänge der Welt der Aesir mit all ihren Dämonen, Göttern und Verstrickungen zu vermitteln.
Leser, die sich in der nordischen Mythologie gar nicht auskennen, werden wohl verwundert den Kopf schütteln über Dinge wie einen sonnenverschlingenden Wolf und dessen Welpen, die hungrig auf den Mond sind.
Verschiedene Ideen und Personen, wie etwa dem Giganten Surtur oder dem namensgebenden Institut "Norse Code Genome Project" wird zu wenig Seitenzahl gegönnt, was dem Leser den Eindruck vermittelt, dass der Autor besser gleich ein dickeres Buch geschrieben hätte oder einen Mehrteiler. Leider treffen hier zu viele Ideen auf zu wenige Seiten (was mir aber persönlich lieber ist als der umgekehrte Fall).
Ein Debutroman mit kleinen Schwächen, trotz allem eine Empfehlung an alle, die ein unverbrauchtes Urban Fantasy Setting, garantiert "Romance" frei, suchen.