Westerfeld, Scott - Leviathan - Band 1
Leviathan - Band 1 der Trilogie
Mit der Ermordung von Aleksandars Eltern in Sarajevow wird der Vorabend des ersten Weltkrieges eingeläutet. Davon ahnt der Junge allerdings noch wenig, als er von Volgor, einem engen Vertrauten seines Vaters, mitten in der Nacht aus dem Schloss gebracht wird.
Sie besteigen einen Walker, eine der großen mechanischen Schöpfungen der deutschsprachigen Erfinder, und flüchten. Als einziger Sohn des designierten Thronfolgers von Franz-Joseph I. wird Aleksandar zu einer begehrten Beute. Trotz seiner nicht akzeptablen Abstammung (seine Eltern hatten auf das Erbrecht für die Kinder aus dieser nicht standesgemäßen Verbindung verzichten müssen) ist er es, den man jagt.
Gleichzeitig ist Deryn, die sich als Junge verkleidet hat, am Ziel ihrer Wünsche: Sie gehört zu der Armee der Luftwaffe und besteigt sogar eines jener riesigen Luftschiffe, die von den Forschern und Biologen des Britischen Weltreiches geschaffen wurden.
An Bord des Leviathans (so der Name des Luftschiffes) befindet sich eine mysteriöse Frau mit einigen nicht weniger seltsamen Eiern, die transportiert werden sollen. Deryn ist verwundert. So ein Aufwand für ein paar Eier, die vielleicht nur ein paar weitere "Beasties" enthalten?
Dann geht alles sehr schnell: Der Krieg bricht aus, Deutschland-Österrreich und England stehen sich gegenüber, und in der neutralen Schweiz begegnen sich vollkommen überrascht und unerwartet die beiden Jugendlichen. Und um zu überleben haben sie - und alle, die sich mit ihnen dort aufhalten - nur eine Chance: Sie müssen zusammenarbeiten.
Eine Inhaltsangabe, die nur einen Aspekt dieser Geschichte betrifft, und der Geschichte nicht wirklich gerecht wird, wenn man den Inhalt nur entlan eines Fandes beschreibt. Es wäre viel zu dürr für die Geschichte, die sich entspinnt.
Europa befindet sich am Scheideweg. Nach dem Mord an dem Thronfolger der Österreichischen Kaiserkrone - es ist nicht klar welche der politischen Interessensparteien dies zu verantworten hat - ist ein Krieg offenbar unausweichlich. Entscheidend wird die Frage sein, welche der beiden großen Parteien die besseren Waffen haben werden: Die Clankers oder die Darwinists.
Als Clankers werden jene bezeichnet, die den Maschinen vertrauen und auf Diesel, röhrende Motoren, Zahnräder und Hydraulik setzen. Sie entwickeln immer martialischere Waffen, darunter sogenannte "Walker", Kampfmaschinen auf bis zu acht Beinen, die sich ihren Weg freischießen.
Ihnen gegenüber stehen die Darwinists, die ihre Erfindungen auf den Erkenntnissen Darwins aufbauen. Sie vertrauen der Genetik und den Fähigkeiten zur Veränderung, Vermischung und Kombination von bekannten Spezies zu neuen Kreaturen und deren Einsatz als tödliche Waffen. So ist auch Leviathan entstanden, ein riesiges Luftschiff, das aus einer schier unendlichen Menge an Beasties besteht, zusammengefasst in einem Schiff.
Die ideologischen Brüche ziehen sich nicht nur durch Europa, auch innerhalb der Nationen gibt es unterschiedliche Ansichten, und so ist es ein gut gehütetes Geheimnis, als die Frau mit dem Bowlerhut an Bord der Leviathan einen Auftrag zu erfüllen hat.
Zunächst allerdings gilt es zu Überleben, denn die Kämpfe um die Vorherrschaft in Europa sind bereits in Gang.
Auch dies ist eine Möglichkeit zu beschreiben, was Scott Westerfeld in seinem Startband der Trilogie angelegt hat.
Das Ergebnis ist ein Jugendbuch, das mir ausnehmend gut gefallen hat, und das ich mit großer Freude gelesen habe. In einigen Rezensionen wird die Tatsache kritisiert, dass die von Westerfeld ins Felde geführten Beasties und Mechanika so gar nicht funktionieren können und somit eigentlich absolut absurd sind. Mich focht das nicht an, ich fand es im Gegenteil interessant und inspirierend, auch wenn er bei einzelnen Erfindungen oder Schöpfungen ein bisschen sehr einfallsreich gewesen sein mag.
... Deryn snorted. A few people - Monkey Luddites, they were called - were afraid of Darwinist beasties on principle. They thought that crossbreeding natural creatures was more blasphemy than science, even if fabs had been the backbone of the British Empire for the last fifty years (S. 31)
Das Buch kommt mit etwas Behäbigkeit gut in Gang, es gibt kaum Längen, und sowohl Aleksandars als auch Deryns Erlebnisse, Gedanken und Gefühle sind nachvollziehbar, ich hatte nie das Gefühl, dass Westerfeld einen "Deus-ex-Machina" ins Felde führen musste, und die Idee einer "alternate history" ist ohnehin ein Gedankenspiel, das mich sehr fasziniert.
Teilweise wird das Buch als "Steampunk"-Roman bezeichnt, was ich nicht unbedingt teilen würde, denn vieles, was ich unter Steampunk verstehen würde, finde ich nicht darin. Die Tatsache, dass das Buch in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg spielt, reicht als Begründung nicht aus. Wenn man überhaupt ein Label "verpassen" muss, könnte man "Dieselpunk" wählen, und da sehe ich schon die Diskussionen beginnen, ob man überhaupt Dieselpunk als eigene Form betrachten kann, ob es sich nicht um eine Unterform von Steampunk handelt, wie sinnhaft solche Zuschreibungen überhaupt sind und ob ... Ehrliche Antwort? Diese Diskussion interessiert mich bei diesem Buch gar nicht, auch wenn sie nicht unbedeutsam ist - gerade angesichts der Tatsache, dass sowohl die Zeiträume des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zunehmend das Interesse von Autoren und Buchverlagen wecken und ich der klassischen Fantasy mit Trompetenärmeln müde bin.
Leviathan ist einfach gute Unterhaltung mit einer bisher intelligenten Geschichte und interessanten Aspekten. Ein schönes Buch für einen unterhaltsamen Nachmittag.
Auch auf Deutsch ist Leviathan seit Oktober 2010 erhältlich, als gebundenes Buch bei cbj.
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Am 25. April 2011 soll der zweite Teil Behemoth - Im Labyrinth der Macht erscheinen.